Klever X Commuter Pedelec
Es gibt jetzt eine Alternative zum Stromer aus der Schweiz. Das neue Pedelec nennt sich Klever und setzt auf andersartiges Design. Die Marke gehört zum Rollerriesen Kymco. Zuerst das Lob: Das Teil geht steil. Die allgemeine Nörgelliste ist dagegen kurz
- Christoph M. Schwarzer
Heckantrieb ist einfach geiler. Sagen die einen. Die anderen nehmen den Mittelmotor von Bosch, und die Rede ist natürlich nicht von Autos, sondern von Pedelecs: Rund 15 Prozent der gut vier Millionen 2016 in Deutschland verkauften Fahrräder hatten eine elektrische Unterstützung. In absoluten Zahlen waren es laut ZIV 605.000 Stück. Das so genannte Millionenziel der Bundesregierung ist beim Zweirad längst erreicht. Und das, obwohl Pedelecs teuer sind: Unter 2000 Euro läuft wenig, jedenfalls wenig Hochwertiges, und wer will, kann problemlos über 5000 Euro anlegen. Ich bin für ein Wochenende aufs Klever X Commuter aufgestiegen. Die Version mit 25, nicht die mit 45 k/hm. Ja, es stimmt wirklich – der Heckmotor macht mehr Spaß!
Klever kannte ich bis vor Kurzem nicht. Ein Kollege hatte mich darauf aufmerksam gemacht: Hey, es gibt jetzt eine Alternative zum Stromer aus der Schweiz, hieß es. Nennt sich Klever, entwickelt und wickelt die E-Motoren selbst und setzt auf andersartiges, aber nicht zu auffälliges Design. Die Marke gehört zum Rollerriesen Kymco, der unter anderem den Zweizylindermotor für den Range Extender im BMW i3 liefert. Und wahrscheinlich ist es die industrielle Souveränität dieses taiwanesischen Konzerns, die für die Verarbeitungsqualität beim X Commuter sorgt: Hier stimmt alles.
Die allgemeine Nörgelliste ist kurz und folgt weiter unten. Zuerst das Lob: Das Teil geht steil. Ich habe die E-Kraft die ganze Zeit auf „High“ gestellt, die zweistärkste von fünf Stufen. „Ultra High“ lässt sich durch Drücken der Walktaste (Schiebehilfe bis 4 km/h) aktivieren, die damit zugleich eine Boostfunktion übernimmt. Weil der Zusatzeffekt kaum feststellbar war, blieb es bei „High“. Die Power (250 Watt, 43 Nm) setzt sanft ein und dennoch mit Macht.
Geräuschfreier Antrieb
Auf ausgedehnten Touren durch Hamburg war das Szenario immer gleich: Zackiges Beschleunigen an der Ampel und mit Rückenwind zur gesetzlich vorgegebenen Grenzgeschwindigkeit von 25 km/h. Wie bei der Konkurrenz ist eine kleine Toleranzzone eingebaut, es sind also eher 27,4 km/h. Wann genau der E-Motor seine Hilfe einstellt, ist nicht spürbar. Hierin liegt für mich die erste große Abgrenzung zum Marktführer und Zulieferer Bosch: Ab Höchstgeschwindigkeit lässt es sich beim Klever wunderbar weitertreten. Zumindest für kurze Sprints auf 28, 33 oder 39 km/h. Danach genügt es, sich wieder zurückfallen zu lassen.
Das alles, Unterschied Nummer Zwei, funktioniert geräuschfrei. Ohne das bekannte „Juiuiui“. Einfach nur Schubrakete. Top, dieser Heckantrieb. Die X-Serie von Klever gibt es – neben der Auslegung als Pedelec oder S-Pedelec mit 600 Watt – in den Varianten Raw (Singlespeed) und Limited Edition (elektronische Shimano Deore Di2-Schaltung, Carbongabel etc.). Die Entscheidung, als Testrad das X Commuter 25 km/h anzufragen, fiel bewusst: Schließlich ist ein Kernargument für die Anschaffung eines Pedelecs die Möglichkeit, Entfernungen zu bewältigen, die für man im Alltag zu faul, zu wetterscheu oder schlicht zu untrainiert ist.
Aufs S-Pedelec bewusst verzichtet
Es ist ein leidiges Thema, dennoch führt kein Weg daran vorbei: Klar hätte mir das X Speed mit 45 km/h noch mehr Freude bereitet. Aber, aber, aber. Mit S-Pedelecs dürfen Radwege im Regelfall nicht benutzt werden. Ich müsste also auf der Straße fahren, wo gerade zur Rush hour viel Nervosität herrscht. Schauen Sie mal links und rechts auf die Autofahrer – wie viele spielen gerade mit ihrem Smartphone? Nein, da will ich nicht am Rand mit einem schnellen Pedelec unterwegs sein.
Gleichzeitig erfordert die Tour auf einem 25 km/h-Pedelec wie dem von mir bewegten Klever X Commuter eine gewisse RĂĽcksichtnahme. Entgegen der Annahme, der DurchschnittsbĂĽrger wĂĽrde ungern Radfahren, sind die Wege in den Pendlerzeiten extrem voll. Hier wird dicht an dicht gefahren, und einige Unruhestifter pflĂĽgen durchs Feld, als mĂĽssten sie aus dem Peloton der Tour de France zur Spitze ausbrechen. Ich habe mich brav eingereiht und erst bei freier Strecke voll in die Pedale getreten.
Also, der Antrieb des Klever-Pedelecs ist Spitze. Like it. Mit gefällt auch das Design. Für Dauernutzer dürfte der massive Gepäckträger ein weiterer wichtiger Faktor sein. Die Scheibenbremsen (Tektro Gemini) können in Norddeutschland wohl nicht an ihre Grenzen getrieben werden, und alles wirkt stabil.
Starrgabel und Breitreifen
Mir ist ein Rätsel, warum heute fast alle Fahrräder an der Vorderachse gefedert und gedämpft sein müssen. Für mich war die Starrgabel am X Commuter kein Problem. Ich bevorzuge die Auslegung, die am Klever und an einigen anderen Bikes zu finden ist: Über den Luftdruck der Schwalbe Super Moto X (27,5 mal 2,4 Zoll) lassen sich Komfort und Direktheit regulieren.
Die Sitzposition dagegen ist nicht so meins. Das lange Oberrohr zwingt mich zu einer deutlich nach vorne gebeugten Haltung, und der Lenker ist mir zu breit. Ich will nicht sagen, dass ich eine holländische Gazelle besser finde, aber etwas weniger Sportlichkeit wäre aus meiner Sicht ausreichend. Das gilt auch für den Sattel, der mit zu schmal und zu hart ist. Okay, das lässt sich alles ohne große Mühe modifizieren.
Weniger herausragend waren einige Details: So empfinde ich die Grafik des Displays als gestrig-pixelig. Das ist zwar branchenüblich. Trotzdem sollten die Anbieter hier mit der Zeit gehen und etwas mehr in die Ästhetik investieren. Einen Malus gibt es für die App, weil sie nur für Apple i-Phones vorhanden ist. Ich habe ein Android-Smartphone und hätte sie gerne ausprobiert. Etwas lappig wirkt außerdem die Abdeckung der Ladebuchse beim Akku. Und insgesamt – das ist der Preis für die Stabilität – ist das X Commuter mit 25 Kilogramm so schwer, wie Pedelecs es eben meistens sind. Nix für den dritten Stock ohne Fahrstuhl.
Dynamische Konkurrenz zum Schweizer Stromer
Schleppen muss nicht sein: Das Aufladen läuft dank herausnehmbarem Akku einwandfrei. Die Kapazität von 360 Wattstunden (Wh) in der Basisversion ist für meine Großstadtzwecke jederzeit genügend (ca. 40 km im „High“- und gnadenlos-Betrieb). Überlandstreckenfahrer sollten erwägen, den Aufpreis für die größeren Batterien zu zahlen: Für 200 Euro mehr gibt es 470 Wh und für 350 Euro 570 Wh.
Das Klever X Commuter kostet 3599 Euro und hat eine vollständige Straßenausstattung inklusive anständiger Schutzbleche und einem Gepäckträger, der seinen Namen verdient. Ich sehe es als dynamikorientierte und besser aussehende Konkurrenz zum Stromer aus der Schweiz. Und angesichts des Energieverbrauchs von hochgerechnet rund einer Kilowattstunde auf 100 Kilometer liegt auf der Hand: Wer von Auto, S-Bahn oder Dieselbus aufs Pedelec umsteigt, hat der Umwelt und sich selbst einen Dienst erwiesen. (fpi)