Ton-Topf

Lautsprechersysteme für Motorradhelme im Vergleich

Die wohl gängigste Variante zum Musikhören auf dem Krad sind Helm-Kommunikationssysteme. Wer hingegen einfach nur Musik oder Navigationsanweisungen in den Helm bekommen möchte, findet im Headwave Tag eine Alternativlösung. Wir haben die beiden Konzepte verglichen

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Helm-Lautsprechersysteme 12 Bilder
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Von
  • Sebastian Bauer
Inhaltsverzeichnis

Wer langweilige Autobahnfahrten oder Anreiseetappen mit dem Motorrad durch entspanntes Musikhören auflockern möchte, findet im Zubehörmarkt zahlreiche Alternativen. Die wohl gängigste Variante sind im Helm verbaute Kommunikationssysteme. Wer hingegen einfach nur Musik oder Navigationsanweisungen in den Helm bekommen möchte, findet im Headwave Tag eine Alternativlösung zu den klassischen Lautsprechern. Wir haben die beiden Konzepte verglichen.

Die Einbaulösung

Als Vertreter des der klassischen Kommunikationssysteme tritt ein Nolan N44 Evo inklusive des Nolan-Kommunikationssystems N-Com 901 LR an. Das N-Com wird mit zwei Lautsprechern und einem Mikrofon fest im Helm verbaut. Linksseitig wird an die Außenseite des Helmes ein Bedienteil angeklebt, ein USB-Ladeanschluss befindet sich hinten unten in der Helmschale integriert. Warum Nolan dafür immer noch auf einen wenig zeitgemäßen Mini-USB-Stecker setzt, bleibt ein Rätsel, denn durch die Bauform des Steckers kann das Anschließen des Ladekabels im tiefen Schacht ein Stück weit zur Fummelei ausarten.

Der große Vorteil des Nolan-Systems ist allerdings die Integration in den Helm: zwar dauert der Einbau – das N-Com ist auch einzeln für Nolan-Helme nachrüstbar – durchaus eine Weile, dafür ist das System völlig nahtlos im Helm verbaut. Daraus ergibt sich zugleich auch der Nachteil, dass das System eben nur in diesen und ein paar andere Nolan-Helme passt – aber eben nicht in alle. Steht irgendwann ein Helmwechsel zu einer anderen Marke an, kann man mit dem N-Com sowieso nichts mehr anfangen. Universallösungen von Sena oder Cardo sind da flexibler einsetzbar.

Die Anbaulösung

Der Headwave Tag verfolgt aufgrund seines Konstruktionsprinzips einen sehr viel weniger komplizierten Ansatz: Kern des Produktes ist die Idee, dass die Helmschale per Anregung durch einen Lautsprecher direkt als Klangkörper genutzt wird. Dementsprechend einfacher ist der „Einbau“ des Tag. Der beschränkt sich nämlich darauf, dass man zuerst mit Helm auf dem Kopf probehört, um eine optimale Position im hinteren Bereich des Helmes zu finden. Dann wird das beigefügte Klebepad auf den Tag aufgebracht, der Helm gereinigt und der Tag aufgeklebt.

Die gesamte Einheit ist dabei selbst flexibel, um sich unterschiedlichen Helmformen gut anzupassen. Beim Aufkleben bedeutet das aber auch ein wenig Kraftaufwand, denn insbesondere der mittlere Bereich, unter welchem sich der Vibrator befindet, muss für ein gutes Klangerlebnis unbedingt sauber auf der Helmschale aufliegen. Dafür wird der Tag leicht durchgebogen und mit der Mitte zuerst verklebt.

So unterschiedlich die Konzepte der beiden Systeme sind, so unterschiedlich ist auch das Klangerlebnis. Beim N-Com mit zwei im Helm verbauten Lautsprechern, genießt man eher ganz klassischen Kopfhörer-Stereoklang. Der Headwave Tag dagegen füllt eine recht breite Bühne um einen herum, wodurch die Ohren nicht so direkt beschallt werden und sich tatsächlich auch ein weniger anstrengenderes Musikerlebnis ergibt. Gleichzeitig fehlt dadurch aber auch ein echtes Stereobild, da die Musik nur aus einem Kanal auf die Helmschale vibriert wird.

Die Einrichtung per Smartphone geht mit beiden Systemen gleichermaßen einfach von der Hand. Das N-Com muss man zuerst über einen Aufruf des Konfigurationsmenüs zum Bluetooth-Pairing auffordern, der Tag geht automatisch in den Pairing-Modus, wenn keine bekannte Verbindung hergestellt werden konnte. Das Pairing selbst klappt dann auch mit beiden Kandidaten problemlos.

„Scheppert“ gegen „plärrfreudigen Pragmatismus“

Die ersten Hörproben im heimischen Wohnzimmer. Machen wir uns nichts vor: audiophilen Hörgenuss wird kein Helmsystem je bieten können. Auf der Straße werden Wind-, Straßen- und Motorgeräusche so viel überschatten, dass eine etwas sauberere Musikwiedergabe in gewissen Frequenzbereichen oder Schwächen in anderen ohnehin nicht auffallen würden.

Dementsprechend klingt das N-Com auch eher, sagen wir es so: pragmatisch. Der Klang geht in Ordnung und ist für den Einsatzzweck völlig ausreichend. Im oberen mittleren Frequenzbereich wird es je nach Lautstärke etwas plärrig, darauf gehe ich aber im Fahreindruck noch einmal genauer ein.

Der Tag dagegen enttäuschte beim ersten Probehören sehr. Man stelle sich vor, man würde seine Musik über einen Gitarrenverstärker abspielen und eine mittlere Verzerrung einstellen. Bässe übersteuerten sehr stark, klare Gitarren waren völlig verzerrt, irgendetwas konnte hier nicht stimmen. Die Anleitung verrät: klingt es so, ist der Lautsprecher meist nicht richtig verklebt und verbaut. Also alles nochmal von vorn mit dem zweiten Klebepad.

Zwischen Entfernen und neuerlichem Anbringen des Headwave Tag steht noch rund 40 Minuten müßiger Arbeit zum Entfernen aller Kleberückstände des weichen Klebepads. Zweiter Versuch. Und dieses Mal wird mit kräftigem Andrücken über einige Minuten dafür gesorgt, dass auch wirklich alles sitzt. Allerdings wieder ohne Erfolg. Ein Probehören mit dem demontieren Headwave Tag zeigt, dass der Lautsprecher scheinbar defekt ist. Headwave stimmt der Ansicht nach dem Zuschicken einer Videoaufnahme zu und schickt mir ein neues Gerät zu.

Damit ist das Klangbild tatsächlich nun deutlich besser und sauberer. Trotzdem neigt der kleine Lautsprecher schnell zum Verzerren, sobald die Lautstärke etwas angehoben wird und die Musik in der Wiedergabe etwas basslastiger wird. Nachdem ich per Equalizer alle Frequenzen unterhalb 100 Hz deutlich zurückgefahren habe, ist das Ergebnis sehr viel besser, lediglich höhere mittlere Frequenzen neigen nach wie vor zu leichtem Verzerren, das manchmal ein wenig an den Klang von Vinyls erinnert.

Elektronische oder klassische Musik funktionieren mit dieser Einstellung sehr gut und solange beispielsweise auch nur Bässe zu hören sind, ohne gleichzeitige mittleren/hohen Töne, fällt die Verzerrung auch kaum auf. Rockmusik, Metal und ähnliches macht dem Tag dagegen schon etwas mehr zu schaffen. Zu bedenken ist auch, dass der Tag die Musik sehr viel stärker in die Umgebung abstrahlt und die Klangqualität auch stark von der Verarbeitungsqualität des Helmes abhängt. Scheppert der Helm irgendwo, wird der Musikgenuss deutlich getrübt.

Wind schlägt Musik

Beide Systeme kamen nun über einige hundert Kilometer auf die Straße. Kommen Windgeräusche hinzu, sieht alles noch einmal ganz anders aus. Denn für beide Systeme bedingt das eine deutliche Anhebung der Lautstärke. Beim N-Com werden hier die schon im Trockentest etwas unangenehmen höheren Mittelfrequenzbereiche erst recht anstrengend. Hinzu kommt, dass die Sprachansagen des Systems, beispielsweise beim Navigieren durch die Menüs, dermaßen laut sind, dass man sich Sorgen um sein Gehör macht.

Wie weiter oben bereits erwähnt, wird das System bei den hohen Lautstärken schnell plärrig und anstrengend für die Ohren und selbst dann ist die Musik aufgrund der sehr lauten Windgeräusche des N44 Evo immer noch sehr weit im Hintergrund und ab 120 km/h kaum noch wahrnehmbar.

Klangverbesserer Gehörschutz

Wie sich zeigte, schafft ein vernünftiger Gehörschutz hier optimale Abhilfe. Da ich längere Strecken ohnehin nur mit Gehörschutz fahre, testete ich beide Systeme natürlich auch mit Gehörschutz. Zum Einsatz kommen da bei mir die Ohrstöpsel „MotoSafe Race“ von Alpine, die so konstruiert sind, dass sie vor allem Windgeräusche deutlich reduzieren sollen. Tatsächlich führte das bei mir dazu, dass beide Systeme auf dem Motorrad sehr viel besser funktionieren, Windgeräusche in den Hintergrund treten und die Musik sehr viel prominenter zum Vorschein kommt. Gerade aber auch dem N-Com hat es die störende Plärrigkeit genommen.

Beim Headwave Tag entstand darüber hinaus der Eindruck, dass die Klangfülle mit zunehmendem Tempo etwas leidet. Ich vermute, dass die Anregung der Helmschale durch den Fahrtwind gewisse Frequenzen dämpft. Dafür fallen leichte Verzerrungen während der Fahrt nicht mehr wirklich auf und man kann dafür ein sehr weites Klangbild genießen. Sprachansagen geben beide Systeme ausreichend gut wieder, kommen beim N-Com aber tatsächlich präziser und besser verständlich an.

Führungslos

Wird das Smartphone in der Jackentasche verstaut, ist über beide Systeme eine minimalistische Steuerung der Musikwiedergabe gegeben. Start/Stopp oder auch weiterspringen zum nächsten Lied können beide Systeme, wobei das N-Com seitlich am Helm etwas besser erreichbar ist als der Headwave hinten am Helm. Eine Lautstärkeregelung ist allerdings am Tag gar nicht möglich, während man die per N-Com bequem steuern kann. Hat man also nicht von vornherein die richtige Lautstärke gewählt, beim Tag ist das am Smartphone eher nah an der Maximallautstärke, ist ab gewissen Geschwindigkeit kaum noch Musik wahrnehmbar.

Wo das N-Com den Tag dann letzten Endes völlig abhängt, ist die weitere Bedienbarkeit und die Menge an Features. Nolans Kommunikationssystem kommt zusätzlich auch mit einem integrierten FM-Tuner daher und in Verbindung mit einem Smartphone ist seine größte Stärke die mögliche Ansteuerung des betriebssystemeigenen Assistenten: ein langer Druck auf den zentralen Knopf aktiviert auf Android beispielsweise den Google Assistant. Wenn die aktuelle Playlist zu langweilig ist oder schnell eine Navigation gestartet werden soll, geht damit sehr vieles, ohne anhalten und das Handy in die Hand nehmen zu müssen. Selbst wenn er wollte, könnte der Tag das nicht, weil ihm das Mikrofon fehlt, um solche Sprachbefehle ans Handy weiterzugeben.