Aufschub fürs Gift

Inhaltsverzeichnis

So bestreitet die ACEA, der Verband der europäischen Automobilproduzenten, keineswegs, dass Diesel-Pkw auf der Straße das Vielfache des Stickoxid-Laborgrenzwerts ausstoßen. Vielmehr nutzt man die Messung des ICCT für die eigenen Zwecke und will die dort gemessene siebenfache Überschreitung als ersten Grenzwert des RDE-Zyklus einführen. Die Abweichung zwischen gesetzlichem Limit und tatsächlichen Emissionen nennt man „Conformity Factor“, also übersetzt etwa Übereinstimmungsfaktor.

In der Europäischen Union wird transparenter gearbeitet als in vielen nationalen Behörden, und darum kann das Positionspapier der ACEA von jedem eingesehen werden. Während der Testphase von RDE bis 2017, siehe Seite 12, soll ein Conformity Factor von 7 gelten. Dann, mit der Einführung der Euro 6c, kann sich die Autoindustrie eine Absenkung auf 2,75 vorstellen. Und ab 2021, also nach mehr als einem dreijährigen Entwicklungszyklus, schlägt die ACEA einen Conformity Factor von 1,5 vor. Statt um das siebenfache sollen die realen Stickoxidemissionen dann nur noch um die Hälfte über dem Laborwert liegen.

Die Industrie verhandelt also verkürzt gesagt einen Aufschub. heise Autos liegen weitere Papiere von Herstellern vor, die mit Verweis auf den langen Vorlauf der Industrie für neue Autos ebenfalls eine Verzögerung fordern. Der Tenor: Wir können das nicht – noch nicht.

Wirklich saubere Diesel „kurzfristig umsetzbar“

Genau das wiederum bestreitet der ICCT, der mit Transport & Environment, einem Dachverband europäischer Umweltorganisationen im Mobilitätssektor, sowie der EU-Generaldirektion Umwelt ein Gegengewicht bei den aktuellen Verhandlungen bildet: „Wir halten einen Conformity Factor von unter 2 bereits kurzfristig für umsetzbar“, sagt Vicente Franco und verweist auf die Technik. Bei Autos, die eine Stickoxidreinigung mit Harnstoffeinspritzung („AdBlue“) haben, müsse nur die Software angepasst werden, so Franco.