Gewichtsspirale
Oft geht es um die letzten Gramm CO2, manchmal müssen hunderte Kilogramm schwere Antriebs-Technologien kompensiert werden. Manch vermeintlich neue Leichtbaulösung ist oft schon ein alter Hut. Am Ende gibt es eine Größe, die mindestens so gnadenlos ist wie ein physikalisches Gesetz: Die Kosten
- Rudolf Skarics
Wien, 19. Dezember 2014 – Bei Leichtbau denkt so mancher reflexartig an Kohlenstofffaser, vielleicht noch an Aluminium und eventuell auch an Magnesium oder Titan, schließlich werden technologiegetriebene Marketingkonzepte gerne an einzelnen Begriffen festgemacht. Doch die Mühen der Ebene finden ganz wo anders statt, wenn es wieder einmal heißt: Unser neues Modell ist um 100 Kilogramm leichter als sein Vorgänger, die Karosseriestruktur gleich um 30 Prozent steifer. Audi wusste das Thema ja vor 20 Jahren in wunderbarer Weise für sich zu nutzen, indem man von der Umkehrung der Gewichtsspirale sprach und eine Premium-Limousine mit selbsttragender Vollaluminium-Karosserie präsentierte, den A8. Wenngleich das Bemühen redlich war, der Fortschritt erkennbar, weit mehr als in Kilogramm Gewichtsersparnis für das konkrete Modell wirkte sich Audis kluger Schachzug in Sachen Öffentlichkeitsarbeit ganz konkret auf die eiserne Konkurrenz aus. Man begann, das Leichtbaupotenzial von Stahl zu heben. Und da war und ist eine Menge zu holen.
Natürlich wird gern griffig formuliert, um Bemühungen möglichst auffällig zu illustrieren. Das gehört zum Geschäft. Die wahren Herausforderungen stecken aber tief im Detail, sind nicht so leicht über Schlagworte zu kommunizieren. Die CFK-Karosserie etwa, die beim BMW i3 schlüssig ist und in diesem Rahmen funktioniert, ist nicht ohne weiteres auf andere Konzepte übertragbar. Außerdem ist so manches, was uns als neu präsentiert wird, oft einfach schon ein alter Hut. So hatte bereits der VW Käfer Kurbel- und Getriebegehäuse aus Magnesium. Und am Ende gibt es eine Größe, die mindestens so gnadenlos ist wie ein physikalisches Gesetz: Die Kosten.
Wo Kosten sind, sind auch Geschäftsmodelle.
Karosserie-Leichtbau ist ein eigener Geschäftszweig geworden. Ein besonderer Treiber dieser Tendenz ist die Elektromobilität. Die schweren Batterien schaffen ein nie dagewesenes Problemszenario. Und Probleme wollen zu Herausforderungen umgetauft und sodann bewältigt werden. Ging es bisher im Wesentlichen darum, den Gewichtszuwachs im Zuge der Erhöhung der Crashsicherheit und der Vermehrung der Komfortfunktionen abzufangen, gilt es nun, komplett neue Fahrzeugstrukturen zu schaffen, um gleich mit mehreren hundert Kilogramm an zusätzlicher Technik bei Elektro- und Plug-In-Hybrid-Fahrzeugen zurechtzukommen.