Tage der Tentakel

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Trotzdem gefiel mir persönlich selbst hier der Rain-Modus nicht. Diese Modi sind meiner Meinung nach generell überall unnütz. Die BMW-Eigenheit des E-Gas ist bei Rain deutlich erhöht: Es gibt künstlich begrenzt viel zu wenig Anfahrdrehmoment. Auf dem Standardsetting "Road" ist es durch das bessere Ansprechverhalten zudem viel einfacher, das Gas zu dosieren. Es regelt nicht mehr hin und her durch Überschießen der Feedbackschleife von Fahrer und Elektronik, sondern man kann das Drehmoment passgenau an den Punkt stellen, an dem die Lampe der Traktionskontrolle blinkt, aber das Rad noch nicht auskeilt und eingefangen werden muss. Die E-Gas-Mapping-Kurve für "Road", "Dynamic" und "Dynamic Pro" ist übrigens dieselbe, denn: "Es gibt nur ein optimales Ansprechverhalten", wie es der BMW-Entwickler ausdrückte. Meine Rede.

Unerwartet: BMW baut die Kant'n

Der nächste sehr auffällige Punkt ist die Ergonomie. Man sitzt sofort sehr gut, selbst im Eisregen auf Autobahnetappen. Das wäre es bei so einem Wetter auch schon zu den Fahreindrücken gewesen, denn auf dem Pass, den wir fahren wollten, lag 10 cm hoch Schnee. Zusammen mit den Schmierseifestraßen darf davon ausgegangen werden, dass die R dort rückwärts den Berg wieder runtergerutscht wäre. Pause. "Was machen die Tentakelalpträume?", fragt BMW, und: "Fährst du nochmal raus?" Selbstverfreilich fahre ich nochmal raus. Ich habe doch Heizgriffe.

Einige Fahrer gingen an dieser Stelle Tee trinken, Facebooken oder heiß duschen – kurz: kneifen. Ihnen möchte ich an dieser Stelle von Herzen ein Nelson-Ha-Ha! schicken, denn auf dem nachmittäglichen Ausflug fanden die Ausgerückten eine Straße mit Kurven ohne Wasser. Die zeigte, was man sonst im Schmierregen nicht herausfindet: Dieses Motorrad ist brutal schnell. Die geänderte Motorabstimmung auf unten-mitte in Verbindung mit einer kürzeren Übersetzung entlocken dem eigentlich extremen Kurzhuber beeindruckende Hinterrad-Drehmomente auch in niedrigeren Drehzahlen. Tiefere Schräglagen passen wie ein Sessel, in den man sich mit Anlauf wirft. Bei alldem knurrt der Motor laut und heiser, geht knackig ans Gas, brabbelt im Schiebebetrieb. Es ist vollkommen unerwartet, dass ausgerechnet BMW das wilde, kantige Motorrad baut, und KTM mit der 1290 Super Duke R das sanfte, teurere.