Teil 1 der Mongoleidurchquerung im Russenbus UAZ

Bären-Tour

Die Minibusse der „Uljanowski Awtomobilny Sawod“ (UAZ) sind veraltet, unbequem und ständig kaputt - und in der Mongolei dennoch äußerst beliebt. Wir haben uns für eine Gobi-Durchquerung den UAZ-Bussen anvertraut

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Lesezeit: 8 Min.
Von
  • Dr. Thomas Hafen
Inhaltsverzeichnis

Ulaanbaatar, 21. August 2015 – Wir wollen uns mit zwei Kleinbussen der UAZ-452-Variante „2206“ in die Transaltai-Gobi wagen und uns auf die Suche nach den letzten Gobibären begeben. Diese kleine, immer etwas verwahrlost aussehende Unterart des Braunbären lebt nur in einem kleinen Streifen entlang der chinesisch-mongolischen Grenze. Wie viele Exemplare es noch gibt, weiß keiner. Nicht viel mehr ist über die Lebensgewohnheiten des Bären bekannt. Ein Forschungsprojekt, das vom bayerischen Landesbund für Vogelschutz (LBV) unterstützt wird, soll Licht ins Dunkel der Gobibärenhöhle bringen und Anhaltspunkte für einen besseren Schutz liefern.

50 Meter vor der Tankstelle ist Schluss: Der Sprit ist alle. Lachend steigt unser Fahrer Amarzardagal, den alle nur Amra nennen aus, und bedeutet uns, doch bitte den UAZ 452 vor die Zapfsäule zu schieben. Dort bekommt das Gefährt den schlechtesten Treibstoff, den es für mongolische Tugrik zu kaufen gibt. Bei einer Klopffestigkeit von nur 80 Oktan würde uns jedes westliche Auto etwas husten. Nicht so der UAZ, der Kleinbus lässt sich von dem miesen Zeug nicht unterkriegen – und ist mit 12 bis 15 Litern auf 100 km sogar recht genügsam. Der Vierzylindermotor des UAZ 452 holt aus 2,7 Litern Hubraum 112 PS Leistung und ein Drehmoment von 208 Nm heraus. Mit zuschaltbarem Allradantrieb, einer Wattiefe von 50 cm, einem Böschungswinkel von 30° vorne und 27° hinten sowie einer Bodenfreiheit von 205 mm ist er das ideale Gefährt für ein Land, in dem sich auf der Karte eingezeichnete Straßen oft kaum vom Gelände unterscheiden lassen.

Das gerne auch als „Bukhanka“, Brotlaib, oder schlicht „Furgon“, Lieferwagen bezeichnete Modell, wird seit 1965 in diversen Abwandlungen als Minibus, Pritschenwagen, Feuerwehrauto oder Krankentransporter gebaut. In der Mongolei sind die Fahrzeuge äußerst beliebt und dominieren außerhalb der Hauptstadt Ulan Bator (mongolisch Ulaanbaatar) das Straßenbild – zusammen mit chinesischen Motorrädern, auf denen mindestens vier Personen, drei Ziegen und eine Jurte Platz finden.

Unsere Reise beginnt in der mongolischen Hauptstadt Ulaanbaatar, die seit 2013 von Deutschland aus per Direktflug in gut neun Stunden erreichbar ist. Ulaanbaatar hat mit den typischen Problemen aller Großstädte in Entwicklungs- und Schwellenländern zu kämpfen. Die Bevölkerungszahl hat sich in den vergangenen 15 Jahren auf nun fast 1,5 Millionen verdoppelt, das Wachstum findet weitgehend unkontrolliert und ohne städtische Planung statt, der Verkehr ist mörderisch und nicht nur im bitterkalten Winter, wenn in den Jurtensiedlungen der Vororte mit allem geheizt wird, was brennbar ist, legt sich eine dicke Smog-Schicht über die Stadt.

Wir sind froh, nach einem Akklimatisierungstag dem Gewusel entkommen zu können, müssen dafür aber erst einmal ein Problem lösen: Um dem Verkehrschaos Herr zu werden, verhängt der mongolische Staat Fahrverbote, die jeden Tag für einen anderen Teil der Fahrzeuge gelten. Wer gerade nicht fahren darf, das entscheidet die letzte Zahl auf dem Nummernschild. Heute ist Dienstag und alle Autos mit der Endziffer 7 müssen stehen bleiben – so auch einer unserer UAZe. Amra fährt trotzdem und wir schlängeln uns in der Deckung unseres zweiten Fahrzeuges an den Polizeikontrollen vorbei. Glücklich der Stadt entronnen, gibt unser Bus schon nach wenigen Kilometer seinen Geist auf. Wie war das noch mal mit der Robustheit und Zuverlässigkeit?

In Sichtweite des neuen Flughafens von Ulaanbaatar, der sich noch im Bau befindet, stottert und spuckt der Motor und mag schließlich gar nicht mehr. Amra macht sich gleich an die Reparatur, und muss dazu nicht einmal das Fahrerhaus verlassen muss. Der Motor befindet sich nämlich mittig zwischen Fahrer- und Beifahrersitz. Irgendwas stimmt wohl mit dem Zündverteiler nicht und Amra schraubt und schraubt, putzt, setzt zusammen, probiert, schraubt wieder auseinander. Als ich ein Foto machen will, ist der sonst immer gut Gelaunte sichtlich genervt: Anscheinend ist das mit der Unkaputtbarkeit des UAZ doch nur ein Gerücht. Amra telefoniert mit Orchon, dem Fahrer unserer zweiten Wagens, der schon voraus gefahren war. Orchon kehrt zurück und beide beugen sich über den archaisch wirkenden Motor. Den Beifahrersitz haben sie dazu mit wenigen Handgriffen ausgebaut. Wir kauern so lange im Schatten der UAZe und tun das, was man in der Mongolei hauptsächlich tut: warten.

Auch mit vereinten Kräften gelingt es Amra und Orchon nicht, den UAZ wieder flott zu bekommen - der ADAC muss her. Es ist dann doch nur ein Service-Wagen der Werkstatt, bei dem der UAZ kurz zuvor in Reparatur war, der eine halbe Stunde später auftaucht. Der Mechaniker tauscht kurzerhand den Verteiler – und unser UAZ schnurrt wieder wie ein Kätzchen, wenn auch wie eins mit einer starken Bronchitis. Vier Stunden später als geplant fahren wir weiter. Was in Deutschland schon eine mittlere Katastrophe für die durchgetaktete Reiseplanung bedeuten würde, ist in der Mongolei völlig egal. Es gibt ohnehin keinen Plan. Und wenn doch, kennen wir ihn nicht. Zwei Fragen hat unser Reiseleiter nämlich von Anfang an für tabu erklärt: „Wann sind wir da?“ und „Wo übernachten wir heute?“

Unsere erste Etappe, von der wir also nicht wissen, wo sie enden wird, führt uns auf dem „Zuungod-Mandalgovi Highway“, einer zunächst gut ausgebauten Asphaltstraße, Richtung Süden. Bald müssen wir allerdings auf die parallel verlaufende Piste ausweichen, denn an der Straße wird gebaut. Der mongolische Straßenbau funktioniert nach dem „Alles-oder-Nichts-Prinzip“. Statt abschnittsweise ein paar Kilometer Piste zu präparieren, sieht der Mongole das große Ganze und stellt fünfhundert Kilometer Straße in einem Rutsch fertig. In einem sehr langen, mehrjährigen Rutsch, versteht sich. Die alternative Piste ist aber auch ganz ok und wir kommen für mongolische Verhältnisse schnell voran, auch wenn wir von den theoretischen 127 km/h Spitze, die der UAZ-452 bringen soll, ein gutes Stück entfernt sind. Wahrscheinlich ist das auch gut so, Motoren- und Fahrgeräusche lassen schon bei 90 Stundenkilometern jede Konversation ersterben, sei sie gepflegt oder nicht.

Zu Mittag kehren wir in einer Art mongolischer Autobahnraststätte ein. Hier gibt es Milchtee zu trinken, ein salziges Zeug, das in der Gruppe auf sehr unterschiedliche Begeisterung stößt. Das Essen liegt schon fertig in der Kühlung und kommt – nein, glücklicherweise nicht in die Mikrowelle, wie es auf hiesigen Autobahnraststätten Usus ist. Stattdessen werden die „Buuz“, eine Art Maultasche mit Hammelfleischfüllung für zehn Minuten in kochendem Wasser gedämpft, bevor wir sie lautstark wegschlürfen, was wiederum in der Mongolei Usus ist. Selbstverständlich gehört zur Raststätte auch eine Sanitäranlage – ein sehr luftiger Bretterverschlag, der es nicht nur erlaubt, bei der Verrichtung visuell mit dem Kabinennachbarn zu kommunizieren, sondern auch sehr viel freie Sicht auf die unter den wackligen Bohlen liegende Jauchegrube bietet. Nach kurzer Inspektion verzichte ich doch lieber auf die Benutzung. Es hätte ohnehin keinen Sanifair-Gutschein gegeben.

In Mandalgovi, dem Zentrum der Provinz (mongolisch: Aimag) Dundgovi, legen wir einen kurzen Tankstopp ein. Solche Stopps sind häufig, denn die beiden Tanks des UAZ fassen jeweils nur knapp 40 Liter. Wenn der linke Tank voll betankt ist, wird nicht etwa das Auto bewegt, um den rechten zu füllen, nein: Der, meist weibliche Tankwart, die Tankeuse also, wirft den Zapfhahn einfach elegant und mit Schwung übers Dach. Zusätzlich zu den Minitanks lässt Amra auch noch ein paar Kanister füllen. So sinkt zwar einerseits die Gefahr, wegen Spritmangels mitten in der Wüste liegen zu bleiben, dafür steigt die Chance, in ein Benzinkoma zu fallen. Die Kanister sind nämlich nicht ganz dicht und sorgen im Bus für ein ausgeprägtes Spritaroma. Lüften ist auch keine Alternative. Ersten hält das (Klapp-)Fenster nicht offen und zweitens würden sowieso nur die Abgase ins Innere wehen, vom Sand ganz zu schweigen. Außerdem wirkt die Klimaanlage bei offenem Fenster ja nicht. Sagte ich Klimaanlage? So etwas ist im UAZ-452 selbstverständlich serienmäßig … nicht vorhanden.

Die Fortsetzung dieses Berichts finden Sie hier.