Test: Toyota Corolla 2.0 Hybrid

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Es ist nichts Geringeres als eine Machtdemonstration, die der Toyota Corolla Hybrid da leise wie nebenbei einstreut: Der Wagen legt mit einer Unaufgeregtheit los, die den Vorsprung, den Toyota in diesem Bereich hat, eindrucksvoll untermauert. Sparsam, leise, kräftig – es fällt schwer, diesem Antriebsstrang nicht sofort zu verfallen. So weit, so teilweise aus dem Vorgänger bekannt. Ein Test mit dem 180-PS-Hybrid-Corolla zeigt, dass Toyota auch abseits dessen im Vergleich zum Auris in vielen Bereichen zugelegt hat.

Doch zunächst zum Antrieb. Der stärkere der beiden Hybridantriebe im Corolla unterscheidet sich vom schwächeren Modell in zahlreichen Belangen. Die Bohrung ist mit 80,5 mm identisch, der Hub mit 97,6 statt 88,3 mm deutlich länger. Die Verdichtung ist mit 14:1 auch nochmals höher als im 1.8 Hybrid, der es auf 13:1 bringt. Damit steigt die Leistung des Benziners um 40 kW auf 112 kW (153 PS). Auch der E-Motor bietet mit 80 kW erheblich mehr Leistung als im „kleinen“ Hybrid. Maximal kann er 202 Nm beisteuern.

Unterschiedlich ist auch der Speicher: Im schwächeren Antriebsstrang ist es eine Lithium-Ionen-Batterie mit 207 Volt, im hier gefahrenen ein Nickel-Metall-Hydrid-Speicher mit 216 Volt. Toyota setzt eine kleine Batterie, die sich nicht extern aufladen lässt, schon seit Jahren als Puffer zur Lastpunktverschiebung des Benziners ein. Der kann so öfter als in anderen Autos entdrosselt und damit effizienter laufen.

Be- und Entladen im Bestpunkt

Solche Phasen werden zur vorausschauenden Stromproduktion mitgenutzt: In günstigen Betriebspunkten kann über die aktuelle Lastanforderung hinaus auch die Batterie geladen werden. Aus ihr kann im umgedrehten Fall Strom entnommen werden, wenn die momentane Lastanforderung oberhalb dessen liegt, was der Benziner allein im Bestpunkt leisten kann. Vereinfacht gesagt: Der Benziner wird, wann immer möglich, im optimalen Bereich gehalten, der E-Motor speist als Generator Strom in die Batterie oder entnimmt von dort welchen, um den Benziner zu unterstützen – je nachdem, wie es die Last gerade vorgibt. Selbstverständlich kommt ein Teil der Batterieladung auch aus der Bremsenergierückgewinnung.

Dieser Wechsel von Laden und Entladen ist im Prinzip ständig aktiv. Toyota hat das über die Jahre hinweg perfektioniert. Der Benziner wird unmerklich eingeblendet, auch akustisch ist es nicht so, dass auf einmal ein lautstarkes Rappeln da wäre. Man muss schon sehr genau hinhören, um den Benziner in der Stadt wahrzunehmen. Dieses Gleiten bei extrem niedrigem Geräuschniveau ist beeindruckend. Ich gestehe, dass leise Motoren es sehr leicht haben, mein Herz zu erobern. Das, was die meisten Verbrenner akustisch absondern, brauche ich nicht.

Extrem sparsam

Viel wichtiger als dieser Punkt ist aber fraglos, wie sich der Antriebsaufbau beim Verbrauch schlägt, immerhin sollte da der Hauptvorteil liegen. Dem ist auch so: Ich habe nach 187 km über Land 6,61 Liter nachgefüllt, das entspricht rund 3,5 Liter/100 km. Sicher, einen solchen Verbrauch muss der Fahrer auch wollen und entsprechend behutsam fahren. Dennoch demonstriert Toyotas Antrieb, was er in der Praxis bringt.

Zur Einordnung: Einen Seat Leon 1.4 TSI mit Zylinderabschaltung, DSG und 150 PS (Test) habe ich unter vergleichbaren Bedingungen nicht unter 4,9 Liter bekommen. Dabei fährt dieser Seat mit Turbolader, Anlasser, Generator, Direkteinspritzung und zwei Reibkupplungen herum. Im Toyota genügen ein Saugmotor mit Saugrohreinspritzung, ein handflächengroßer Planetenradsatz und zwei Elektromaschinen im Suppentellerformat, die nebenbei auch Starter und Lichtmaschine ersetzen. Der Rest: Eine kompakte Batterie und Leistungselektronik im Schuhkarton-Format.

Noch größer wird der Unterschied im Verbrauch, wenn nicht bewusst sparsam gefahren wird. Der Seat lag im Schnitt dann bei 6,3 Litern, der Corolla rund zwei Liter darunter. Mehr als sechs sind im Zweiliter-Hybrid möglich, erfordern aber Vorsatz. Der Hybrid spielt seine Vorteile immer dann besonders wirkungsvoll aus, wenn sich im niedrigen bis mittleren Geschwindigkeitsbereich das Tempo häufig verändert. Hohe Dauergeschwindigkeiten lassen den Vorsprung schrumpfen. In meinem Szenario mit rund 50 km zwischen Büro und Wohnort über Land käme ich locker mit rund 4 Litern hin. Der Seat braucht unter diesen Bedingungen etwa 1,5 Liter mehr. Leider lässt auch Toyota seien Autos mit der Abgasnorm Euro 6d-Temp zu den Kunden. Wer jetzt einen kauft, hat vermutlich binnen Jahresfrist ein Auto, was nicht mehr aktuell ist, denn ab Januar 2021 dürfen in der EU nur noch Autos erstmals zugelassen werden, die die Abgasnorm Euro 6d erfüllen.

Leise, sparsam – und kräftig

Toyota hat nicht nur die bisherigen Stärken weiter kultiviert, sondern auch an anderen Punkten gearbeitet. Mit einer Systemleistung von 180 PS beschleunigt der Corolla sehr flott, wobei man davon zunächst wenig mitbekommt. Erst wenn man dem Benziner hohe Drehzahlen aufzwingt, erhebt er hörbar die Stimme. Weit vorher bemerkt man eigentlich nur an den merkwürdig deutlich zurückbleibenden anderen Verkehrsteilnehmern, wie flott der Corolla unauffällig losgelegt hat. Ein kräftiger Antriebsstrang also, der den Kompakten ziemlich zügig vorantreibt und auch beim Überholen auf der Landstraße beruhigende Reserven bietet.

Verbessert hat Toyota auch das Zusammenspiel mit der Übersetzung, die über den Planetenradsatz und die E-Maschine eingeregelt wird. Der frühere Effekt, dass der Motor erst hochdreht und der Wagen dann auf gleichbleibend hohem Drehzahlniveau beschleunigt wird, ist hier viel geringer ausgeprägt. Ich habe zwei erklärte Gegner stufenloser Getriebe mit dem Auto fahren lassen, beide fanden die Abstimmung sehr gelungen. Mir, der es nur sehr selten sehr eilig hat, kommt diese Art der Beschleunigung ohnehin entgegen.

Agiler

Es gibt einen weiteren Punkt, der den direkten Vorgänger arg alt erscheinen lässt. Toyota ist bei der Fahrwerksabstimmung ein großer Schritt gelungen. Der Auris wirkte bei flotter Kurvenfahrt immer etwas unentschlossen, fast störrisch, die schwammige Lenkung tat ihren Anteil dazu bei. Der Neue ist viel agiler, die Lenkung direkter und straffer, ohne nervös zu wirken. Dabei hat Toyota es bei der Härte der Federung nicht übertrieben. Wer nörgeln mag, könnte sich ein noch feineres Ansprechverhalten wünschen, die Besten in diesem Segment bieten diesbezüglich noch etwas mehr. Doch der hier gewählte Kompromiss ist insgesamt ein ebenso großer Fortschritt wie beim Modellwechsel des Prius. Der Corolla ist in dieser Form nicht mehr nur ein Auto für Pragmatiker, die bloß irgendwie von A nach B kommen wollen.

Mit einer Außenlänge von 4,37 Metern ist der Corolla etwa so lang wie der aktuelle Opel Astra (Test). Das Platzangebot ist allerdings bestenfalls durchschnittlich, gerade hinten erscheint uns die Beinfreiheit etwas knapp. Das löst der 1200 Euro teurere Kombi mit seinem sechs Zentimeter längeren Radstand besser. Eindeutig unterdurchschnittlich ist der Kofferraum, der beim Zweiliter-Hybrid mit 313 Litern nochmals kleiner ist als im 1.8 Hybrid. Um das einmal einzuordnen: Ein deutlich kürzerer VW Polo (Test) bietet 350 Liter, ein ähnlich langer Ford Focus (Test) 375 Liter. Ein Grund dafür ist die nach hinten verlegte 12-Volt-Batterie für die Bordelektronik, ein weiterer reichlich Styropor unter dem Teppich.

Durchschnitt

Ich fand die Sitze bequemer als im letzten Auris, wenngleich sie mit den teuren Optionssitzen in Astra und BMW 1er nicht mithalten können – sie stellen in dieser Klasse momentan die Referenz. Schade auch, dass man die Lordosenstütze im Corolla nicht in der Höhe verstellen kann. Die Bezüge wirken etwas „dünnhäutig“, ich traue Toyota in dieser Hinsicht aber eine sehr hohe Haltbarkeit zu.

Die Verarbeitung war zuvor schon gut und macht auch hier einen soliden Eindruck. Deutlich besser finde ich die Materialauswahl und auch die Gestaltung an sich. Im Vorgänger hatte ich immer irgendwie den Eindruck, das Armaturenbrett wurde von zwei Designern gezeichnet, die sich erst nach Abschluss dieser Arbeit kennengelernt haben. Hier wirkt es, finde ich, harmonischer.

Bleiben zwei Ärgernisse. Das Navigationssystem kostet in den meisten Ausstattungslinien 890 Euro und in dieser Form sein Aufgeld nicht wert. Weder das laue Tempo, der dürftige Funktionsumfang noch die grobe Displayauflösung sind zeitgemäß. Verkehrsdaten gibt es erst nach einer Registrierung bei „my.Toyota“ – da sind andere Hersteller bereits weiter. Im Hyundai i20 (Test) beispielsweise genügte es, dem System eine Internetfreigabe auf dem Handy zu spendieren. Das alles ist besonders bitter, weil sich aktuell weder Android Auto noch Apple Carplay im Corolla einbinden lassen. Toyota arbeitet daran, aber es wird noch etwas dauern.

Zwangskopplungen

Ein weiteres Ärgernis ist die Preisliste. Damit meine ich nicht die durchaus fair kalkulierten Preise an sich, sondern die Zwangskopplungen. Wer einen DAB+-Empfänger im Auto möchte, zahlt im günstigsten Corolla Hybrid 890 Euro, weil es den nur im Paket gibt. Eine Einparkhilfe gibt es für den Corolla „Comfort“ ab Werk gar nicht, hier kann nur der Händler nachrüsten. Ledersitzbezüge, Schiebedach oder auch Matrixlicht bekommt nur, wer in die teuerste Ausstattungslinie „Lounge“ investiert, die es ausschließlich zusammen mit dem 180-PS-Hybrid gibt. Kundenfreundlich ist das nicht.

Der günstigste Corolla Hybrid kostet mit 27.290 Euro 3500 Euro mehr als der vergleichbar ausgestattete Benziner mit 85 kW (115 PS). Den gibt es allerdings momentan nur mit Schaltgetriebe. Rechnet man den üblichen Aufpreis für eine Automatik und den vermutlich sehr viel geringeren Wertverlust des Hybrid mit ein, wird deutlich, warum der 1,2-Liter-Benziner hierzulande nur eine Nebenrolle spielen wird.

Das von uns gefahrene Modell mit 180 PS kostet noch einmal 2000 Euro mehr als die Version mit 122 PS. Ist es das wert? Diese Frage wird jeder anders beantworten. Die Maschine ist deutlich kräftiger als das Hybrid-Basismodell und dabei kaum durstiger. Ich schätze in dem Auto vor allem die Ruhe und habe es selten eilig, würde das Geld also eher in eine bessere Ausstattung stecken.

Die Überführungskosten wurden von Toyota übernommen, die Kosten für Sprit vom Verlag.