Test: VW Golf 1.5 TSI ACT

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Zooauurg! Was zum Henker war das bitte? Beim Einlegen des Rückwärtsganges ertönt ein ganz und gar unfeines Geräusch. Der Golf ist noch keine 200 Meter im Namen der heise/Autos-Redaktion unterwegs und gibt schon Rätsel auf – womit ehrlich gesagt keiner von uns gerechnet hat. Denn eigentlich ist so ein Golf, auch nach der schmalen Überarbeitung im Herbst 2016, eine ziemlich spannungsfreie Sache. Unterwegs zeigt die veränderte Fassung mit dem neuen 1.5 TSI aber doch ein paar Eigenheiten, mit unter eben auch an Stellen, an denen man das nicht erwartet.

Detailverliebt

Damit ist nun nicht unbedingt nur das merkwürdige Geräusch gemeint, das von der Rückfahrkamera, genauer gesagt von deren Ausfahren kommt. VW versteckt die Kamera hinter dem VW-Logo in der Heckklappe, was an sich eine gute Idee ist, denn so bleibt die Linse immer sauber. Das Geräusch der Logo-Bewegung passt allerdings nicht in eine Umgebung, die ansonsten einen gänzlich durchgeplanten Eindruck macht. Zwei Beispiele. Die Anzeige im Kombiinstrument zeigt nicht nur an, welche Tür offen ist – selbst die Türverkleidung ist gezeichnet worden. Das wirkt mindestens ebenso detailverliebt wie die Möglichkeit, den Warnton der Einparkhilfe vorn und hinten mit unterschiedlichen Tonhöhen belegen zu können. Ist vorn und hinten ein Hindernis, kommt bei jüngeren Fahrgästen schon mal die Frage auf, ob auch dieses Auto ein Martinshorn hat.

Klapperfrei

Die Verarbeitung des Testwagens war bis in den hintersten Bereich korrekt, was sich von den vergangenen beiden Autos, die wir von VW hier hatten, nicht sagen ließ. Auch den Anschein, etwas hochwertig wirken zu lassen, hat Volkswagen mittlerweile perfektioniert. Passungen und Materialien erwecken den Eindruck, in einem teuren Auto zu sitzen. Von diesem oberflächlichen Eindruck ist die Konkurrenz zu Teil ein gutes Stück entfernt. Andererseits weckt das auch Erwartungen, denen VW nicht immer gerecht wird – Kunden reagieren in solch einer Umgebung empfindlicher auf Klappergeräusche. Der Testwagen mit knapp 20.000 Kilometern Laufleistung war auch auf miesen Straßen frei davon. Dass Bereiche, die nicht im täglichen Sichtfeld liegen, keine komplette Lackierung mehr bekommen, ist bei einigen Herstellern schon lange so. VW aber treibt es auf die Spitze: Die Kante der Kotflügel, die von der geschlossenen Motorhaube verdeckt sind, haben nur noch eine Art Farbnebel über der Grundierung. Auf mich wirkt das schon arg knickerig.

Kein Dreh möglich

Presseautos sind in der Regel ziemlich komplett ausgestattet. Im Falle des überarbeiteten Golf hat das im Bereich Infotainment viel Kritik gebracht. Denn seit dem Update im November 2016 hat das teuerste Navi keinen Drehregler mehr für die Lautstärke. Dieser Kritik schließe ich mich uneingeschränkt an. Schnell von laut auf leise drehen zu können hat mir gefehlt. Guter Rat ist hier ausnahmsweise einmal billig: Die kleinere Navi-Lösung hat zwei Drehregler für Lautstärke und Kartenzoom, was die Bedienung erleichtert. Ganz nebenbei findet man auch damit sein Ziel. Bei der Berechnung der restlichen Zeit bis zum Ziel lag das teure Navigationssystem immer daneben.

Ich gestehe, dass ich kein Fan von Displays anstelle von klassischen Kombiinstrumenten bin. Zwar reizt auch mich der Spieltrieb, den die zusätzlichen Anzeigemöglichkeiten mit sich bringen. Doch wenn auf den Bildschirmen doch nur wieder Rundinstrumente eingeblendet werden, wirkt das auf mich etwas phantasielos. Oftmals kommt noch hinzu, dass man bei direkter Sonneneinstrahlung auf dem Display nur noch schwer etwas erkennen kann. VW gehört in dieser Hinsicht zu den weniger Schlechten. Dafür nervt das Display an anderer Stelle. Der Tacho ist ab 60 km/h anders skaliert, was besonders dann auffällt, wenn man die kleinere Darstellung wählt. Dann ist der Bereich von 60 bis 100 km/h so groß wie der zwischen 40 und 60 km/h. Nett von VW, dass sie unten die Geschwindigkeit noch einmal in Zahlen einblenden. Mir wäre es aber lieber, wenn man das Ziffernblatt schneller ablesen könnte.

Im Testwagen war das Soundsystem von Dynaudio eingebaut, das deutlich mehr Kraft hat als das System im Seat Leon. Dort leistet der Verstärker maximal 135 Watt, im Golf sind es bis zu 400. Solche Zahlen sind zwar keinesfalls automatisch mit besserem Klang gleichzusetzen, doch wer laut Musik hört spürt, dass das System im Golf mehr Reserven hat. Allerdings gab es eine Besonderheit, die wir uns nicht erklären konnten. Kurz bevor auch dem Golf-Soundsystem die Luft ausging, wurden bei weiterer Erhöhung der Lautstärke die Höhen lauter als tiefe und mittlere Frequenzen. Ich ging erst von einem Fehler im eigenen Hörempfinden aus, doch mehrere Kollegen bestätigten das in einer „Blindverkostung”. Allerdings tritt dieser Effekt auch erst bei einer Lautstärke auf, die mein Kollege Daniel von Techstage zu recht „schmerzhaft” nennt. Eine Anfrage an Dynaudio ist raus, wir reichen die Erklärung umgehend nach.

Keine Sitzraffinesse

An einigen wenigen Details ist freilich zu merken, dass der Golf Nummer sieben langsam in die Jahre kommt. Eine Sitzbelüftung, eine automatische Sitzheizung oder eine Massagefunktion für den Beifahrer gibt es nicht – im Gegensatz zum deutlich jüngeren Opel Astra. Auf dem ErgoActive Sitz ist zumindest der Fahrer jedoch ausgezeichnet untergebracht, wozu auch die Möglichkeit gehört, die Sitzfläche mit einem Handgriff um rund 4 cm zu verlängern. Je nach Ausstattungslinie kostet er zwischen 295 und 655 Euro – nicht gerade billig, es gibt in der langen Aufpreisliste aber ganz sicher eine Menge Möglichkeiten, Geld sinnloser anzulegen.

Leichtes Spiel

Gern hätten wir den neuen Basis-Dreizylinder mit 86 PS ausprobiert, doch die hilfsbereite VW-Presseabteilung hatte schlicht keinen auf Lager. So wählten wir für unsere Ausfahrt den ebenfalls neuen 1.5 TSI mit 150 PS. Der grundsätzliche Aufbau ähnelt stark dem Vorgänger mit 1,4 Litern Hubraum, den wir im Skoda Superb und kürzlich auch im Seat Leon gefahren haben. Im Teillastbetrieb wird ein Teil der Nockenwelle so verschoben, dass die Ventile der beiden mittleren Zylinder nicht mehr öffnen. Zuvor werden die Zylinder mit Frischluft gefüllt. Die beiden äußeren Zylinder arbeiten so unter höherer Last, was der Effizienz zugute kommen soll. Neu ist ein auf maximal immerhin 350 bar angehobener Einspritzdruck.

Der Zahnriemen hat ein Wechselintervall von 240.000 Kilometern – mehr als einen wird der Wagen also kaum erleben. Etwas ungünstig ist ein Teil der Ansauganlage verlegt. Die muss zum Teil erst abgebaut werden, um die Zündkerzen wechseln zu können.

Neuer Motor filterlos

Einen Partikelfilter hat die brandneue Maschine noch nicht – schade, gerade Volkswagen täte gut daran, in seiner augenblicklichen Lage mit gutem Beispiel voranzugehen. Warum man es nicht macht, liegt auf der Hand: Dass direkteinspritzende Benziner jede Menge Feinstaub produzieren, ist in der medialen Öffentlichkeit noch kein Thema. Doch das wird sich rasch ändern. Manch gut informierter Kunde würde wohl selbst einen Aufpreis akzeptieren, um mit einem aktuellen Neuwagen nicht im nächsten Jahr am Pranger zu stehen. Immerhin bescheinigt der ADAC dem Golf 1.5 TSI ACT im Vergleich zum direkten Vorgänger im Ecotest einen geringeren Feinstaubanteil im Abgas. [Update 3.Juni 2017:] Volkswagen bestätigte uns auf Nachfrage, dass der Golf mit dem neuen Modelljahr im Frühsommer (meist ist das in der KW 22) 2018 mittels Ottopartikelfilter auf die Anforderung für die Abgasnorm Euro 6c umgestellt werden soll. (Bis dahin erfüllt er die Abgasnorm Euro 6 ZD). [/Update]

Etwas rauer ...

In der Praxis fielen im Testwagen gleich zwei Besonderheiten auf. Zum einen ist der Motorlauf etwas rauer als im Vorgänger, was gerade nach einem Kaltstart auffällt. Das ist nun wirklich klagen auf hohem Niveau, denn die Maschine ist gut gedämmt und der Golf insgesamt leise. Auch das trägt übrigens zum oberflächlichen Eindruck bei, in einem hochwertigen Auto zu sitzen. Doch ganz so fein wie der 1.4 TSI ACT schien die Laufkultur mit dem neuen Motor eben nicht.

... und zögerlicher

Auch am Ansprechverhalten gab es von einigen Fahrern Kritik. Aus sehr niedrigen Drehzahlen heraus brauchte der Motor im Testwagen einen Moment, um nachdrücklich an Tempo zuzulegen. Das lässt sich auch mit Hilfe der Ladedruckanzeige nachvollziehen. Minimal werden dort 0,4 bar angezeigt, maximal sind es deutlich mehr als zwei. An den Fahrleistungen selbst hatten auch die Redaktionsfraktion „schwerer Fuß” nichts auszusetzen. 150 PS und 250 Nm haben mit rund 1300 Kilogramm Leergewicht leichtes Spiel, der Golf wirkt damit sehr gut ausgestattet, auch wenn der Elan oberhalb von 5000/min etwas nachlässt. Subjektiv wirkt er agiler als der Astra mit 150 PS, objektiv trennt sie nicht viel. Um ganz nebenbei wieder einmal einen Blick zurück zu werfen: Der stärkste Golf 3 GTI hatte ebenfalls 150 PS, bleibt in den Fahrleistungen aber, trotz rund 150 Kilogramm weniger Gewicht, zurück – ein Turbomotor hat eben über einen viel breiteren Drehzahlbereich Leistung.

Auch in einem anderen Bereich liegt der aktuelle Golf uneinholbar vorn. Wer es darauf anlegt, kann den Verbrauch auf unter fünf Liter drücken. Auf meinem täglichen Arbeitsweg über Land sind Werte um 5,5 Liter möglich, ohne ganz bewusst auf eine besonders sparsame Fahrweise umzuschalten. Selbst die Eiligen in der Redaktion kamen nur auf knappe 8 Liter, wobei ehrlicherweise eine längere Autobahnfahrt mit hohem Tempo nicht enthalten war. Insgesamt kamen wir auf 6,2 Liter, was in etwa dem entspricht, was wir kürzlich auch mit einem Seat Leon 1.4 TSI ACT verbraucht haben. Der hatte allerdings ein DSG eingebaut, der Golf war mit einem Schaltgetriebe ausgestattet. Fortschritte hat VW mit der neuen Maschine in diesem Punkt also nicht gemacht.

Feines Fahrwerk

Im Testwagen war ein adaptives Fahrwerk eingebaut. Die Spreizung zwischen Komfort und Sport ist nicht riesig, aber durchaus spürbar. Mir wäre das keine 1045 Euro wert, zumal die Standardabstimmung einen guten Kompromiss zwischen Nachgeben und Rückmeldung bietet. Die Dämpfung spricht sensibel an, was ihn zusammen mit dem geringen Geräuschniveau zu einem angenehmen Begleiter auf langen Strecken macht. Selbst im Sportmodus mit straffer Kennlinie fällt dieses feine Ansprechen der Dämpfer auf: Der Golf wird damit nicht einfach nur hart, sondern filtert kleine Unebenheiten raus und vermeldet erst größere Verwerfungen. Wer das bevorzugt, kann ein Sportfahrwerk für 215 Euro wählen.

Flexibilität spart Geld

Ein Schnäppchen war so ein Golf noch nie. Der umfangreich ausstaffierte Testwagen kam auf einen Listenpreis von mehr als 38.000 Euro, wobei zur absoluten Vollausstattung nicht mehr viel fehlte. Den 150-PS-Golf gibt es ab 24.350 Euro, doch schon mit Wünschen wie vier Türen, Metallic-Lack, Sitzheizung, LED-Scheinwerfern und der kleinen Navi-Lösung nähert man sich rasch der 30.000-Euro-Grenze, ohne luxuriöse Dinge wie Standheizung, Schiebedach oder Ledersitze in der Kalkulation zu haben. Doch wie so oft im Leben hilft eine gewisse Flexibilität: Im Netz werden neue Gölfe mit 150 PS ab rund 21.000 Euro angeboten. Wer den motorischen Überfluss dieser Maschine nicht braucht, liegt nochmals deutlich darunter. Das scheint uns angemessen für dieses gute Gesamtpaket.

Die Kosten für die Überführung des Testwagens hat VW übernommen, jene für Kraftstoff der Autor.