Vorstellung: Honda GL 1800 Gold Wing

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Es gibt Motorräder und es gibt Ikonen auf zwei Rädern. Die Honda Gold Wing gehört definitiv zur letzteren Kategorie. Seit 1975 verwöhnt sie Motorradfahrer mit viel Luxus und gediegenem Fahrkomfort. Auf einer Gold Wing fährt man nicht einfach, man gleitet über den Highway. Bei ihrem Debüt wurde sie noch von einem Vierzylinder-Boxer angetrieben, inzwischen ist sie längst zum samtweich laufenden Sechszylinder-Boxer gewachsen und gehört zur absoluten Upper-Class des Tourensegments. Zum Entsetzen der Fans nahm Honda die Gold Wing Ende 2016 aus dem Programm. Doch die Gerüchteküche brodelte, dass bald eine Nachfolgerin erscheinen sollte. Es wäre die erste wirklich neue Gold Wing seit 2001.

Runderneuert

Die Fans des gehobenen Tourens harrten voller Ungeduld auf die zukünftige Generation ihrer Goldschwinge, jetzt hat Honda sie auf der Tokyo Motor Show endlich enthüllt. Auch wenn sie der Vorgängerin immer noch ähnlich sieht, haben die Entwickler kaum ein Detail unangetastet gelassen. Die GL 1800 Gold Wing zeigt sich technisch wie optisch runderneuert. Laut Projektleiter Yutaka Nakanishi hat das Entwicklungsteam sogar mit einem weißen Blatt Papier angefangen, um die Gold Wing kompakter und leichter zu machen, hat aber alle modernen technischen Features hinzugefügt. Der Hintergrund war, dass Honda gerne auch jüngere Fahrergenerationen ansprechen wollte, die mit dem Vorgängermodell nicht soviel anfangen konnten. Man wollte weg vom Image des schweren Langstrecken-Tourers und die Gold Wing auch für den urbanen Einsatz präparieren. Ob das wirklich gelungen ist, kann natürlich erst ein Test klären. Denn auch, wenn das Leergewicht um 48 kg gesunken sein soll, bringt die neue Gold Wing immer noch mindestens 365 kg auf die Waage.

Üppige Drehkraft

Dass die Gold Wing des Modelljahres 2018 an Qualität und Luxus kaum zu überbieten sein wird, steht außer Frage, schließlich betrachtet Honda selber sie als Flaggschiff der Marke. Schon der 1833-cm3-Sechszylinder-Boxermotor dürfte ein Musterbeispiel an Laufruhe sein. Mit einem quadratischen Bohrung-Hub-Verhältnis von je 76 mm und Vierventil-Zylinderköpfen – bislang hatte die Gold Wing Zweiventil-Zylinderköpfe – versehen, ist der Motor deutlich kompakter geraten und die Entwickler verweisen stolz auf 6,2 kg eingespartem Gewicht. Die Unicam-Zylinderköpfe sind pro Zylinderbank mit je einer Nockenwelle bestückt. Die Einlassventile werden über Gabel-Schlepphebel betätigt, die Auslassventile über Rollen-Kipphebel. Der Sechszylinder leistet 126 PS bei 5500/min, noch viel interessanter ist aber das maximale Drehmoment: Honda gibt 170 Nm bei 4500/min an. Damit dürften sich Schaltvorgänge auf ein Minimum reduzieren und beim Durchzug keine Wünsche offen bleiben.

Sofa-Komfort

Die Optik der neuen Gold Wing lehnt sich zwar eng an das vorherige Modell, dennoch ist sie komplett neu gestaltet. Eine riesige, aerodynamisch überarbeitete Verkleidung samt einer ausfahrbaren und im Neigungswinkel einstellbaren Scheibe schützt Fahrer und Sozius vor Wind und Wetter. Optional können eine noch größere Scheibe und einstellbare Windabweiser für Arme und Beine geordert werden, das Heat-Management ist bei der Honda inklusive. Die Sitzbank gleicht mehr einem Sofa und der hintere Platz hat in der Version Gold Wing Tour etwas von einem Ohrensessel. Komfortabler kann man auf zwei Rädern nicht reisen.

Der Tank wurde von 25 auf 21 Liter verkleinert. Angeblich soll der neue Motor sparsamer sein und so die gewohnte Reichweite von 350 km erreichen. Die Gold Wing ist rundum mit LED-Technik bestückt. Im oberen Teil des LED-Frontscheinwerfers sorgen fünf optische Linsen für Lichtbündelung der Leuchtdioden. Ein Tempomat findet sich genauso serienmäßig an der Honda wie ein Smart-Key-System für die Zündung und den Stauraum sowie eine Bluetooth-Verbindung zum Smartphone bzw. Headset.

Weniger Stauraum

Gepäck kann zwar immer noch reichlich an Bord verstaut werden. Zwei voluminöse Koffer sind serienmäßig und in der Variante Tour zusätzlich eine Top-Box, in der zwei Helme Platz finden. Insgesamt aber ist es etwas weniger Stauraum als bei der Vorgängerin. Umfragen hatten ergeben, dass der Gold Wing-Besitzer am häufigsten für zwei bis drei Tage auf Tour geht, daher hat Honda den Stauraum darauf ausgerichtet.

Das Informationsangebot im Cockpit ist überwältigend und wohl erst nach intensivem Studium der Bedienungsanleitung auch komplett nutzbar. Ein sieben Zoll großes TFT-Farbdisplay liefert nicht nur alle aktuellen Fahrdaten, sondern bietet auch ein komplettes Infotainment-System inklusive Navigation und Musik. Das Display ist in der Helligkeit justierbar und passt sich in acht Abstufungen automatisch der Umgebungshelligkeit an. Die Gold Wing ist mit Apple CarPlay kompatibel, der Fahrer kann auf die Telefonnummern und die Musikdateien seines Smartphones zurückgreifen.

Der Pilot kann unter den vier Fahrmodi Tour, Sport, Econ und Rain wählen. Abhängig vom gewählten Modus greifen die Traktionskontrolle, die Fahrwerks-Dämpfungscharakteristik und die ABS-Integralbremse in unterschiedlicher Intensität ein. Interessant ist, dass Honda die bisherigen doppelten Drosselklappenkörper gegen ein einzelnes Exemplar getauscht hat. Das Volumen des Ansaugtrakts wurde um zehn Prozent reduziert, um einen schnelleren Gas-Luftgemisch-Durchfluss zu erzielen. Den beiden riesigen Auspuffrohren soll zwar ein gedämpfter, aber eindeutig als Sechszylinder zu identifizierender Sound entfleuchen.

Schaltgetriebe oder DCT

Die neue Gold Wing wird es wahlweise mit einem manuellen Sechsganggetriebe (bislang waren es nur fünf Gänge) oder mit einem Siebengang-Doppelkupplungsgetriebe (DCT) geben. Wie schon bislang wird die GL 1800 mit einem Rückwärtsgang ausgestattet sein, die Version mit DCT sogar mit der Rangierhilfe „Walking Mode“, bei dem das riesige Bike mit 1,8 km/h vorwärts und 1,2 km/h rückwärts fährt. Das DCT verfügt außerdem über eine Start-Stopp-Automatik, bei dem der Motor nach drei Sekunden im Leerlauf abgestellt wird. Ein kurzer Dreh am Gasgriff reicht, um den Boxer wieder zu starten. Bei über sieben Zentnern Leergewicht ist der Fahrer froh, wenn die Berganfahrhilfe serienmäßig an Bord ist, so dass ein Abwürgen in der Steigung kaum noch möglich ist.

Nach vorn gerückt

Honda konstruierte einen neuen Aluminiumrahmen als Rückgrat für sein Flaggschiff. Rahmen und Schwinge zusammen wiegen zwei Kilogramm weniger als beim Vormodell. Der Sechszylindermotor konnte 40 Millimeter weiter vorne positioniert werden wie auch die Sitzposition des Fahrers um 36 Millimeter weiter nach vorne rückte, was der Handlichkeit zugute kommt. Das Vorderrad wird von Doppel-Querlenkern geführt und soll sich beim Einfedern weniger in Richtung Motorblock bewegen und feinfühliger ansprechen als bisher. Die Lenkbefehle werden über ein vom Federbein getrenntes Gelenk übertragen, was die Lenkkräfte um 40 Prozent reduzieren soll. Honda setzt weiterhin auf das Integralbremssystem D-CBS. Ebenfalls eine völlige Neukonstruktion ist die Schwinge. Das von Honda patentierte Gelenkhebel-Konstrukt stützt sich links gegen den Rahmen ab, während die rechte Seite für Wartungsarbeiten offen ist.

Königin des gediegenen Reisens

Doch der Gold Wing-Besitzer erwartet nicht nur einen seidenweich laufenden Motor mit Bullenkräften und ein sänftenartiges Fahrwerk, sondern auch eine Top-Ausstattung mit den modernsten Features und Spielereien. Schließlich hat Honda einen exzellenten Ruf zu verteidigen, den vielleicht gediegensten Luxus-Tourer der Welt zu bauen. BMW kratzt zwar seit geraumer Zeit mit der K 1600 GTL, die einen Sechszylinder-Reihenmotor trägt, gewaltig am Thron der Gold Wing, dennoch muss sich die Bayerin den über Jahrzehnte gewachsenen Kult-Status der Honda mit dem goldenen Flügel auf dem Tank erst erarbeiten.

Die Gold Wing wird in drei Modellen angeboten: Neben der Basisvariante GL 1800 Gold Wing in Matte Majestic Silver wird es die GL 1800 Gold Wing Tour in Candy Ardent Red oder Pearl Glare White und schließlich die GL 1800 Gold Wing Tour mit DCT & Airbag in Candy Ardent Red/Darkness Black oder Darkness Black metallic geben. Über die Preise hat Honda noch nichts verlautbaren lassen. Da die letzte Gold Wing 2016 bei 31.900 Euro startete, ist es unwahrscheinlich, dass die Nachfolgerin günstiger zu haben sein wird.