Über Drehstrom-Ladegeräte in Elektroautos

Warum wieder nur 7,4 kW?

Mittlerweile gibt es eine gute Auswahl zumindest virtueller Elektroautos. Bei vielen Modellen, die gut passen, gibt es AC-Ladung nur bis 7,4 kW. Das liegt daran, dass bei einphasig mit 32 Ampere laden derzeit meistens Schluss ist. Dreiphasig wäre gut, aber teuer

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 1478 Kommentare lesen
alternative Antriebe 8 Bilder

Lesezeit: 10 Min.
Von
  • Clemens Gleich
Inhaltsverzeichnis

Bei jedem neuen Elektroauto hoffen Deutsche darauf, dass der Hersteller 11 oder besser 22 kW AC-Ladung anbietet. Häufig sind es jedoch nur 7,2 bis 7,4 kW – je nachdem, wie der technische Redakteur den Wert angibt. Um zu verstehen, warum das so ist, müssen wir die reinen elektrischen Leistungsangaben verlassen und zurück in die Welt von Tesla vs. Edison gehen: Wechselstrom vs. Gleichstrom. Denn an Ladestationen kommen beide Arten von Stromversorgung vor.

Die Traktionsbatterie eines Elektroautos nimmt Gleichstrom („direct current”, DC) an. Wenn Sie an einer DC-Ladestation stehen, verhandelt die Batteriesteuerung mit der Ladestation über die Leistung, die zur Verfügung gestellt werden soll. Danach schaltet sie die DC-Kontakte der Station auf jene der Batterie: Es wird geladen. Die erforderliche hohe Leistung nimmt die Station meistens aus dem Mittelspannungsnetz. Es soll am Schnelllader ja schnell gehen. Diese Art der Ladung umgeht das Onboard-Ladegerät, das in jedem Elektroauto erheblich Platz wegnimmt. Doch wozu ist dieser Onboard-Lader dann überhaupt da?

Eigentlich könnte alle Technik im Onboard-Lader komplett in die Ladestation wandern. Das Gerät wandelt nämlich Wechselspannung in Gleichstrom zur Ladung der Batterie um. Vielleicht wird das in ferner Zukunft passieren, um Elektroautos günstiger und leichter zu machen. Doch aktuell lohnt es sich noch, ein eigenes Ladegerät spazieren zu fahren, weil es einfach so viele Wechselstrom-Quellen gibt („alternating current“, AC), die der Onboard-Lader nutzen können sollte.

Schukostecker-Laden

Für Elektroautos vom Anfang dieses Jahrhunderts war der ganz normale Haushaltsstecker eine benutzbare AC-Stromquelle. In Deutschland und Europa liegt eine 50-Hz-Wechselspannung am Phasenleiter der Standardstecker an, den der Verbraucher gegen einen Neutralleiter (auch: „Nullleiter“) legt, um eine Spannung von 230 V zu erhalten. Eine normale Mehrfachsteckdose erlaubt in Deutschland bis 16 A Stromstärke. Da die Dinger jedoch nicht dafür gebaut werden, das zehn Stunden und mehr zu tun, begrenzten wie heute auch die meisten Vorladegeräte ("Ladeziegel") auf 10 A. Mit den entsprechenden 2,3 kW konntest du einen Nissan Leaf der ersten Generation (Batterie: 24 kWh) in zehn Stunden von fast null aufladen. Die Wallbox zog (wie entsprechende Ladegeräte) 16 A, was bei 230 V zur altbekannten Ladeleistung von rund 3,7 kW brutto führt. Damit wurde ein Leaf über Nacht voll, genauso wie andere Elektrofahrzeuge der ersten Generation.

Schon damals zeigte jedoch der Tesla Roadster mit 56 kWh Kapazität, dass hier der letzte Satz noch nicht gesprochen war. Der Wagen zog von einer Phase 32 A (kam also auf 7,4 kW brutto), damit die Batterie in maximal rund 10 Stunden voll war (für die Nachrechner: Teslas Ladegerät im Roadster hatte noch rund 20 Prozent Verlustleistung). Bei einphasig mit 32 A ist es seitdem bei vielen außereuropäischen Herstellern geblieben, obwohl Tesla, BMW, Smart und Renault früh dreiphasige Ladegeräte anboten.

Das Ladegerät im Auto wird uns auch deshalb noch länger begleiten, weil mehr Übernacht-Lader mit niedriger Leistung allen weiterhelfen (Teslaspeak: „destination charger“). Diese Kistchen kann ein Hotel mit vergleichsweise geringem Aufwand anbieten, solange die Gäste ihre AC/DC-Wandler selber im Auto mitbringen. Wenn die Investoren an den Destinations ihre Lader mit Wandler aufstellen müssten, gäbe es kostenbedingt deutlich weniger davon. Der Elektroautofahrer fördert also indirekt den Ausbau der Infrastruktur finanziell, zumindest den der AC-Langsamlader.

Alles einphasig

Warum aber kommt ein neues Elektroauto wie Opels Ampera e (Test) oder Kias e-Niro mit einem Ladegerät, das (bei zugegenermaßen geringeren Verlusten als damals im Tesla Roadster) nur 7,4 kW zieht? Geht da nicht mehr? Doch, da geht mehr. An einem deutschen Hausanschluss liegt Drehstrom an: drei Leiter, die jeweils gegen Neutral 230 V Spannung liefern. Die Phasen der drei Anschlüsse sind dabei in ihren Phasenwinkeln gegeneinander um 120 Grad verschoben („Drehstrom“). Nimmt man nun die Spannung nicht zwischen einem Leiter und Neutral ab, sondern zwischen zwei Leitern, erhält man rund 400 V. Damit erreicht man bei den meistens problemlos möglichen 16 A schon 11 kW Ladeleistung und bei den in Deutschland erstaunlich häufig möglichen 32 A 22 kW Ladeleistung an der Wallbox (sprechen Sie mal mit Ihrem E-Werk). Da diese Anschlüsse überall im Niederspannungsnetz liegen, gibt es in diesem Leistungsbereich auch die meisten öffentlichen Ladestationen. Doch ach: Das neue Elektroauto kann keine 22 kW nutzen!

Das liegt dann daran, dass der Onboard-Lader im Auto nur einen einphasigen AC-DC-Wandler hat. Warum? Wie immer liegt es am Geld, in zweifacher Hinsicht: Wenn der Onboard-Lader dreiphasig statt einphasig wandeln soll, braucht er dreimal die entsprechende Gleichrichter-Leistungselektronik statt einmal. Die Kostenerhöhung für den Kunden liegt dabei bei rund 1000 Euro. „Na und?“, denken Sie jetzt vielleicht, „dann sollen sie das halt in die Aufpreisliste schreiben.“ Das tat ja BMW mit dem i3 (Test). Doch häufig gibt es keine Dreiphasenlader, nicht für Geld und gute Worte – vor allem bei den Asiaten. Es schaut nämlich schlicht bei den Hausanschlüssen nicht überall so üppig aus wie in Deutschland. Wenn ein Hersteller ein „Weltauto“ baut, sind ihm die Belange der gut ausgestatteten Länder egal genug, dass er sich den Entwicklungsaufwand der Integration eines Dreiphasenladers spart. Die Argumentation ist immer dieselbe: Wer mehr will als 7,4 kW, der soll halt DC laden. Das hat zu absurden Fahrzeugen wie Jaguars I-Pace geführt, dessen 90 kWh-Batterie daheim oder an „Destination Chargern“ über Nacht nicht voll wird, Besitzer die Reichweite also nur mit Schnelllader täglich nutzen können.

In Zukunft

Gerade hat der Zulieferer BorgWarner einen neuen Onboard-Lader vorgestellt. Das Gerät soll nur 5 Prozent Verlustleistung haben. Aktuell messen wir um die 10 Prozent. Die erste Version können Fahrzeughersteller 2021 kaufen. Rechnen Sie frühestens ab 2025 mit Serienfahrzeugen, die damit ausgestattet sind. Und raten Sie mal: Es bietet wieder nur einphasige Ladung mit maximal 7,4 kW an. Erst die bis 2023 folgenden, teureren Varianten gibt es auch mit dreiphasiger AC-DC-Wandlung. Wir Deutschen werden uns also auch im Jahr 2025 noch fragen, wieso der neue Forpel seine 120-kWh-Batterie mit 7,4 kW laden will.

Die Entwicklung der Onboard-Lader hängt unter anderem am Ausbau des Stromnetzes. Vor allem in den Städten muss massiv nachgerüstet werden, wenn die Bewohner abends heimkommen und ihre E-Autos anstecken, die ja selbst bei 7,4 kW über Stunden fast das Doppelte des Durchschnitts-Haushaltsverbrauchs ziehen. Hier führt wahrscheinlich nichts an einem intelligenteren Stromnetz vorbei, das Autos zur Verbrauchs-Hochzeit am Abend nur wenig Leistung gibt, in der ruhigen Phase nachts dafür umso mehr. Doch gerade für diesen Einsatz muss die maximale Ladeleistung höher sein. Hamburg investiert in ein moderneres Stromnetz gerade einen „mehrstelligen Millionenbetrag“, und dabei ist Bidirektionalität noch gar nicht berücksichtigt. Nissans Idee der Traktionsbatterie als Puffer war gar nicht so schlecht. Doch so richtig durchgesetzt hat sie sich auf Autoseite nicht, sodass sie jetzt auch auf Infrastrukturseite wenig Beachtung findet.

Die Idee, eigene Infrastruktur, also einen AC-DC-Wandler in der eigenen Garage aufzustellen, scheitert meistens am Preis: Aktuelle Geräte sind für öffentliche Ladepunkte gedacht und kosten selbst bei Anschluss ans Niederspannungsnetz im Haus ab 10.000 Euro aufwärts. Wenn wir wirklich viel elektrisch fahren wollen, könnten sich aber Wohnkomplexe damit von der Konkurrenz abheben, dass sie ihre Tiefgarage wie einen Tesla-Ladepark betreiben (alle teilen sich eine Maximalleistung) – am besten mit einer stationären Pufferbatterie, die sich zu Zeiten niedriger Nachfrage füllt.

Schiefes im Hintergrund

Im Hintergrund fanden in den letzten Jahren schon enorme Verbesserungen der Strom-Infrastruktur statt, eher wegen der erneuerbaren Energien als wegen Elektroautos. In Deutschland zum Beispiel begrenzt eine Regelung die sogenannte "Schieflast", die ein Hausanschluss ziehen darf: mehr als 20 Ampere Unterschied zwischen den Leitern sollen es nicht sein. Deshalb verteilt der Elektriker die Phasen im Haus auf eine möglichst gleichmäßige Last. Wenn zu viel Schieflast auf die alten Transformatoren kam, konnten diese beschädigt werden. Volkswagen verwendet deshalb zum Beispiel in der zweiten Generation des E-Golf (Test) zum Laden zwei Phasen gegeneinander statt eine Phase gegen den Nullleiter, um auf sozialverträglichere 7,4 kW zu kommen. Es ist aber erstaunlich selten ein Problem, einphasig schief 32 A zu ziehen, wenn man den Stromanbieter fragt, denn allzu viele der alten Trafos gibt es gar nicht mehr. Besitzer älterer Häuser sollten zudem überlegen, ob das Objekt früher die zweifelhaften Segnungen einer Nachtspeicherheizung genoss, denn dann liegt häufig trotz des Alters eine stabile Zuleitung.

Schwer vorherzusagen, wie sich das entwickelt. Vielleicht setzt sich für Fahrzeuge wie Jaguars I-Pace (Test) doch durch, dass Besitzer einen vierstelligen Aufpreis ihrer Wallbox daheim in Kauf nehmen, damit dort dreiphasig AC in DC gewandelt wird. Dann könnten sie ihr Auto mit 22 kW minus die Ladegerät-Verluste laden – ein großer Fortschritt gegenüber der Serie. Das löst jedoch nicht das Problem der bestehenden AC-Lader, an denen solche Autos über Nacht nicht voll werden. Eines steht fest: AC-Ladung mit 7,4 kW wird uns noch eine Weile begleiten. Europäer sollten also beim Kauf darauf achten, ob das Traumauto Drehstrom-Ladung anbietet, wenn sonst die Batterie in der typischen Standzeit nicht voll wird. Smart (Test), Tesla, BMW und Renault bieten es an. Ich glaube, das Ladegerät hat trotz seiner technischen Probleme mitgeholfen, dass Renaults Zoe (Test) Europas bestverkauftes E-Auto wurde. Hyundais Kona EV (Test) soll Dreiphasenladung anbieten, wenn er ab 2020 in Tschechien gebaut wird. Jaguar will zum Modellupdate des I-Pace Drehstromladung als Option in die Aufpreisliste schreiben. Lassen Sie Ihren Geldbeutel sprechen.