Sektor-Abkopplung

Bei der Debatte um Wasserstoff-Autos taucht ein bestimmtes Argument immer wieder auf. Es ist trotzdem fragwürdig.

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Neulich durfte ich dem Vortrag eines renommierten Professors für Verbrennungsmotoren über den Antrieb der Zukunft lauschen. Der Vortrag war durchaus differenziert und sachlich, kam aber zu dem (wenig überraschenden) Ergebnis, dass die batterieelektrische Elektromobilität wohl nur Nische bleiben werde. Deutlich mehr Chancen gab er Wasserstoff und E-Fuels, also synthetisch hergestellten flüssigen Kohlenwasserstoffen. Dabei ist mir ein irriges Argumente aufgefallen, das bei solchen Debatten immer wieder auftaucht.

Es lautet: Windkraftanlagen müssten bekanntlich regelmäßig abgeschaltet werden, weil sie mehr Strom produzieren, als das Netz aufnehmen kann. Also solle man den quasi geschenkten Strom besser zur Erzeugung von Wasserstoff oder E-Fuels nutzen („Power-to-X“). Der schlechte Wirkungsgrad sei in diesem Fall zwar bedauerlich, aber nicht so schlimm. Das Ganze sei doch ein hübscher Beitrag zur Sektorkopplung.

Meine Erwiderung darauf ist: Bevor man sich überlegt, wie man den vermeintlich geschenkten Strom verfrühstücken kann, ist die viel wichtigere Frage doch: Wie ließe es sich denn vermeiden, dass überhaupt so viel Strom verworfen werden muss? Die Ursache liegt im Wesentlichen darin, dass zu viele unflexible Kohlekraftwerke auch dann weiterlaufen, wenn die Erneuerbaren reichlich einspeisen. Dies ließe sich, entsprechenden politischen Willen vorausgesetzt, beispielsweise durch eine CO2-Steuer ändern.

Und selbst wenn sich das politisch nicht durchsetzen lässt, gibt es immer noch gute Gründe gegen Power-to-Sprit. Wie müsste denn ein idealer Antagonist für die Erneuerbaren aussehen? Erstens müsste er flexibel auf das Stromangebot reagieren, zweitens müsste er Strom in Flautenzeiten auch wieder zurückspeisen können.

Beides ist bei Power-to-Sprit nicht der Fall. Ist erst einmal ein großer Teil der Fahrzeugflotte auf E-Fuel umgestellt, muss dieser auch herangeschafft werden, selbst wenn die Erneuerbaren gerade schwächeln. Zur Not müssten dann doch wieder alte Kohlekraftwerke angeworfen werden, was den gesamten Wirkungsgrad ins Bodenlose sinken lassen würde.

Und die Option, E-Fuel bei Bedarf wieder zu verstromen, ist eine eher theoretische. Sicherlich lassen sich mit chemischen Energieträgern einfacher große Energiemengen speichern als mit Batterien. Etwa, wenn Wasserstoff ins Erdgasnetz eingespeist wird. Doch bei der Rückverstromung des wertvollen und aufwendig gewonnenen Wasserstoffs durch ein schnödes Wärmekraftwerk entstehen so hohe Umwandlungsverluste, dass von der eingesetzten Primärenergie kaum noch etwas übrig bleibt. Nein, E-Fuel ist kein Beitrag zur Sektor-Kopplung, sondern eher zur Sektor-Abkopplung.

Wie ginge es besser? Das Fraunhofer ISE hat schon 2015 in einer Studie aufgelistet, mit welchen Maßnahmen positive und negative „Residuallasten“ (allzu zu viel oder zu wenig Strom) am effizientesten aufgefangen werden können (S. 19). Wasserstoff kommt erst auf Platz vier.

(grh)