zurück zum Artikel

20 Jahre UMTS-Auktion: 100 Milliarden für ein paar Megahertz

Volker Briegleb
20 Jahre UMTS-Auktion: 100 Milliarden für ein paar Megahertz

Er hatte gut lachen: Matthias Kurth, damals Chef der RegTP, nimmt die Rundenzeit bei der UMTS-Auktion 2000.

(Bild: dpa)

Mobiles Internet war die Zukunft und UMTS sollte sie bringen. Das war den Netzbetreibern fast 100 Milliarden Mark wert - und schmerzt sie noch heute.

Am Ende fehlten nur ein paar Milliönchen: Bei 99.368.200.000,00 Deutschen Mark endete vor zwanzig Jahren die große Versteigerung der UMTS-Frequenzen. Fast 100 Milliarden Mark legten Netzbetreiber und solche, die es werden wollten, für ein paar Meter Luft auf den Tisch. Finanzminister Hans Eichel (SPD) gefiel das. Die Teilnehmer erinnern sich auch heute nur unter Schmerzen an die teuersten Meter Luft, die sie je gekauft haben.

Aber so war das halt damals: Neues Jahrtausend, Neuer Markt, Neuland. Dieses Internet-Dings beflügelte die Phantasie von Wirtschaftsbossen und Glücksrittern. Zahlreiche Dotcoms, wie man diese neumodischen Netzfirmen nannte, stiegen wie eine Rakete in den Börsenhimmel, um dort sofort wieder zu verglühen. Im Frühjahr 2000 erreichte der Irrsinn seinen Höhepunkt, dann begann die Luft aus der Blase zu entweichen [1].

Immerhin 48 Millionen Menschen in Deutschland besaßen damals ein Handy, doch die wenigsten davon konnten Internet. Das 1999 eingeführte WAP vermochte mit seinen erbarmungswürdigen 9,6 kBit/s auch niemanden hinterm Ofen hervorzulocken. Mit der dritten Mobilfunkgeneration (3G) sollte alles anders werden: Das Universal Mobile Telecommunications System, kurz UMTS, versprach sensationelle 384 kBit/s.

Internet immer und überall – und das sogar viel schneller als ISDN! Unendliche Möglichkeiten! Als sich die Dotcom-Blase blähte, ließ sie nur noch wenig Raum für rationale Entscheidungen. Der deutsche Mobilfunkmarkt galt als attraktiv. Der Zug in die Zukunft fuhr ab und jeder wollte einen Fahrschein lösen. Doch die Tickets hatte der Staat als strenge Limited Edition aufgelegt: Es gab maximal sechs.

20 Jahre UMTS-Auktion (0 Bilder) [2]

[3]

In dieser nervösen Großwetterlage traten ein paar Netzbetreiber mit gut gefüllter Kriegskasse am 31. Juli 2000 bei der Regulierungsbehörde Telekommunikation und Post (RegTP) in Mainz an, um sich ihr Stück Zukunft zu kaufen [4]: ein paar Megahertz im 2,1-GHz-Band. Es wurde ein teures Vergnügen – umgerechnet rund 50 Milliarden Euro spülte die Mega-Auktion in die Staatskasse [5]. Ein paar der Teilnehmer haben sich dabei kräftig verhoben, die Mobilfunk-Zukunft fand ohne sie statt.

Von den ursprünglich elf zur Versteigerung zugelassenen Bietern zogen sich Vivendi, Talkline, MCI Worldcom und die Hutchison-Gruppe noch vor Auktionsbeginn zurück. Neben den deutschen Netzbetreibern T-Mobil, Mannesmann D2, E-Plus und Viag Interkom gingen Debitel, Mobilcom und die Group 3G ins Rennen. Letztere war ein Konsortium großer Netzbetreiber aus Spanien, Frankreich und Finnland: Telefónica, Orange und Sonera.

Symbolbild: Dieser Flyer von 2002 sollte sich als prophetisch erweisen – schon im Oktober ging Quam unter.

Symbolbild: Dieser Flyer von 2002 sollte sich als prophetisch erweisen – schon im Oktober ging Quam baden.

(Bild: Screenshot)

Mit Quam wollten die drei einen weiteren Mobilfunker auf dem deutschen Markt etablieren. Eine UMTS-Lizenz für 16 Milliarden Mark sollte der Schlüssel zum Erfolg sein. Als virtueller Netzbetreiber auf dem E-Plus-Netz gestartet, sollte für Quam mit UMTS ein eigenes Netz aufgebaut werden. Doch musste Quam die Lizenz zurückgeben, weil die vorgegebenen Ausbauziele nicht erfüllt wurden. Die mit viel Tamtam lancierte Marke erwies sich als kolossaler Flop: Im Sommer 2002 zogen die Eltern schon nach einem Jahr den Stecker [6].

Auch Mobilcom hat sich an der UMTS-Geschichte fast übernommen. Die teure Lizenz brachte den Reseller an den Rand der Pleite. Der norddeutsche Mobilfunkprovider hatte sich mit seinem Partner France Télécom überworfen und mit den Netzkosten übernommen. 2002 stand das Unternehmen kurz vor der Insolvenz und zog die Notbremse. Wie Quam gab Mobilcom seine Lizenz zurück. In beiden Fällen gab es noch jahrelange Rechtsstreitigkeiten [7]. Das Spektrum wurde mit der Frequenzauktion im Mai 2010 dann wieder versteigert.

Für die anderen wurde UMTS durchaus eine Erfolgsgeschichte, allerdings später als erwartet und nach einem schweren Kater [8]. "Im Nachhinein muss man sagen, war es ein massiv zu teuer erkaufter Sieg, da die teils hoch verschuldeten Firmen anschließend nicht mehr genug Geld für einen umfassenden Netzausbau hatten", meint der Telekommunikationsexperte Torsten Gerpott. "Funklöcher von damals bestehen mancherorts noch heute."

In Zeiten, als Mobilfunk noch nach Minuten und verschiedenen Tageszeittarifen abgerechnet wurde, war UMTS ein Luxusgut. Ab 2004 gab es die ersten UMTS-Tarife. Eine PCMCIA-Karte für Laptop kostete bei Vodafone 360 Euro – gebündelt mit einem Laufzeit-Datentarif, versteht sich. Und die hatten es bei allen Anbietern in sich: Eine "Flat" mit 500 Megabyte Verkehrsvolumen kostete bei T-Mobile zur Einführung 110 Euro im Monat.

Erst zum Ende des ersten Jahrzehnts steigen die Nutzerzahlen auf signifikante Werte. 2010 ging jedes fünfte der über 100 Millionen Handys im Land regelmäßig ins Internet; 65 Millionen Gigabyte flossen durch die Mobilfunknetze. Weitere zehn Jahre später zählt die RegTP, inzwischen längst zu Bundesnetzagentur umfirmiert [9], über 140 Millionen Mobilfunkanschlüsse im Land, die fast alle "online" sind.

Inzwischen hat die vierte Mobilfunkgeneration LTE [10] das Versprechen von UMTS eingelöst. Die Netzbetreiber von damals gibt es immer noch, nur heißen sie jetzt anders. T-Mobil ist wieder die Telekom und aus Mannesmann wurde Vodafone. Viag Interkom wurde erst in O2 umfirmiert und dann von Telefónica übernommen [11], die so Jahre nach dem Quam-Desaster doch noch zu einer deutschen Tochter kamen und 2014 auch E-Plus schluckten [12].

Die teuersten Lizenzen der deutschen Mobilfunkgeschichte laufen Ende des Jahres ab. Das Spektrum wurde mit anderen Frequenzen im 3,6-GHz-Band bereits im vergangenen Jahr neu verteilt: Mit 6,5 Milliarden war das Gesamtpaket vergleichsweise günstig [13] zu haben. Die Frequenzen sollen jetzt dem Aufbau der nächsten Mobilfunkgeneration 5G dienen. Damit läuft die Zeit für UMTS nach zwanzig Jahren ab. Alle drei Netzbetreiber wollen UMTS in ein bis zwei Jahren abschalten.

Empfohlener redaktioneller Inhalt

Mit Ihrer Zustimmmung wird hier eine externe Umfrage (Opinary GmbH) geladen.

Ich bin damit einverstanden, dass mir externe Inhalte angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen (Opinary GmbH) übermittelt werden. Mehr dazu in unserer Datenschutzerklärung [14].

(vbr [15])


URL dieses Artikels:
https://www.heise.de/-4872513

Links in diesem Artikel:
[1] https://www.heise.de/news/Zehn-Jahre-Dotcom-Bust-Als-die-Blase-platzte-951796.html
[2] https://www.heise.de/bilderstrecke/bilderstrecke_4872511.html?back=4872513;back=4872513
[3] https://www.heise.de/bilderstrecke/bilderstrecke_4872511.html?back=4872513;back=4872513
[4] https://www.heise.de/news/Hintergrund-Telekomriesen-feilschen-um-UMTS-Lizenzen-34117.html
[5] https://www.heise.de/news/Auch-2-Runde-der-UMTS-Auktion-ist-beendet-28290.html
[6] https://www.heise.de/news/Quam-bestaetigt-Ende-des-Geschaeftsbetriebs-67695.html
[7] https://www.heise.de/news/Gericht-Widerruf-von-Quams-UMTS-Lizenz-rechtmaessig-188068.html
[8] https://www.heise.de/news/Katerstimmung-bei-UMTS-Gewinnern-28830.html
[9] https://www.heise.de/news/20-Jahre-Bundesnetzagentur-Die-Infrastrukturbehoerde-feiert-4060287.html
[10] https://www.heise.de/news/10-Jahre-LTE-Die-4-Mobilfunkgeneration-ist-lange-noch-nicht-obsolet-4725009.html
[11] https://www.heise.de/hintergrund/25-Jahre-O2-Am-Anfang-war-Viag-Interkom-4848200.html
[12] https://www.heise.de/news/Telefonica-Bruessel-winkt-E-Plus-Uebernahme-endgueltig-durch-2304918.html
[13] https://www.heise.de/news/5G-Frequenzauktion-beendet-4445365.html
[14] https://www.heise.de/Datenschutzerklaerung-der-Heise-Medien-GmbH-Co-KG-4860.html
[15] mailto:vbr@heise.de