25 Jahre H-Kennzeichen: Sind Oldtimer noch zeitgemäß?

In der Debatte um nachhaltige Mobilität bleiben Oldtimer meistens außen vor. Zu Recht? Die Antwort darauf liegt nicht allein in der Wahl des Modells.

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BMW M3 E36

Die ersten Exemplare des zweiten BMW M3 bekommen in diesem Jahr ein H-Kennzeichen.

(Bild: BMW)

Lesezeit: 6 Min.
Von
  • Haiko Prengel
Inhaltsverzeichnis

648.403 historische Pkw wurden 2022 in Deutschland gezählt. Damit hat sich der Bestand in den vergangenen zehn Jahren fast verdreifacht. Dazu kommen zahlreiche Youngtimer aus den 1990er- und 2000er-Jahren mit den älteren Abgasnormen Euro 1 bis 4. Sie müssen noch auf das H-Kennzeichen warten, können aber auch schon Kultstatus haben.

Am 1. Juli 1997 wurde sie für das erste Fahrzeug offiziell zugeteilt. Die Oldtimer-Szene hatte lange für die Einführung des Sonderkennzeichens gekämpft: Dieses soll historische Autos, aber auch Motorräder oder Nutzfahrzeuge als besonderes "Kulturgut" schützen. So ist die Kfz-Steuer auf 191 Euro gedeckelt. Besitzer von hubraumstarken Autos profitieren davon stark. Auch Uralt-Diesel können mit dem H weiterfahren, zu den Privilegien gehört die freie Fahrt in die Umweltzonen der Großstädte.

Autofahrer reagieren darauf zunehmend irritiert bis verständnislos – insbesondere seitdem Besitzer von deutlich jüngeren Diesel-Pkw in Innenstädten mit Fahrverboten belegt wurden, damit die Luft weniger mit Schadstoffen wird. Betroffen sind örtlich Diesel bis Abgasnorm Euro 5. Oldtimer ohne Abgasreinigung erfüllen nicht einmal Euro 1.

Der Umgang mit älteren Autos ist wesentlich für Erreichen der Klimaziele, das Gros der über 48 Millionen Pkw im Land sind Verbrenner. Das H-Kennzeichen steht bei der Verkehrspolitik jedoch nicht zur Debatte. Zu diesem Ergebnis kommt eine Umfrage der "Auto Bild Klassik" bei den großen Fraktionen im Bundestag. Danach soll Oldtimern weiterhin eine Sonderstellung auf deutschen Straßen zugutekommen. Für die Vorrechte von Oldtimer-Besitzern setzen sich bundesweit zahlreiche Gruppen und -vereine ein. Messen, Fachwerkstätten, Auktionen, Handel – der anhaltende Hype um altes Blech ist ein Milliardengeschäft. Die Lobby reicht bis in den Bundestag, wo der Parlamentskreis "Automobiles Kulturgut" für die Interessen von Oldtimer-Besitzern kämpft.

Bei allen Bemühungen um eine Verkehrswende: Einige Argumente hat die Oldie-Szene auf ihrer Seite. Denn der Anteil des Alteisens am Pkw-Gesamtbestand ist mit nur rund einem Prozent marginal. Auch die Laufleistung von Klassikern ist oft gering, viele sind Schönwetter- und keine Alltagsautos. Verfechter des automobilen Kulturguts führen an, dass Internet-Streamingdienste größere CO₂-Fußabdrücke hätten als alle Oldtimer in Deutschland zusammen.

Auch sind alte Autos nicht automatisch Säufer. Im Gegenteil: Viele fahren sparsam. Bei Spritmonitor führen zwei Youngtimer die Bestenliste an: der Audi A2 3L und der VW Lupo 3L mit Verbräuchen um die drei Liter. Repräsentativ sind diese Modelle jedoch nicht. In der Masse verbrauchten Autos vor 20, 30 Jahren deutlich mehr Sprit, als dies aktuelle Neuwagen tun. Der CO₂-Flottenverbrauch von Pkw in der Europäischen Union ist drastisch gesunken.

Hinzu kommt, dass sich viele Oldie-Liebhaber keinen Vintage-Schlitten zulegen, weil er so wenig verbraucht. Zuletzt boomten in der Szene klassische SUV und Geländewagen. Auch leistungsstarke Youngtimer sind gefragt, die ehemaligen Top-Modelle erzielen die höchsten Marktwerte: etwa ein BMW 540i (E34) mit bärenstarkem V8 oder ein Mercedes E320 (W124) mit sahnigem Reihensechszylinder. Vergleichbare Motoren werden heute nicht mehr gebaut und haben viele Fans. Sie schlucken aber auch ihre 12 bis 14 Liter, zumindest wenn man die Fahrzeuge normal fährt.

Trotzdem vertreten viele Altauto-Fahrer die Behauptung, dass der Erhalt älterer Verbrenner nachhaltig – ja geradezu umweltfreundlich – sei. Ihre These: Ältere Autos sind längst produziert. Solange sie weiterfahren, müssen keine neuen Autos mit entsprechendem Produktionsaufwand gebaut werden. Dabei zeigen diverse Studien, dass insbesondere Elektroautos gegenüber konventionellen Neuwagen mit Verbrennungsmotor ihren Vorteil bei den Nutzungs-Emissionen nach einer gewissen Verzögerung recht schnell hereinfahren. Dennoch stehen viele Gebrauchtwagenfahrer der Elektromobilität recht skeptisch gegenüber. Ein Großteil fährt ihren Benziner und Diesel weiter. 2022 erhöhte sich das Durchschnittsalter der Gebrauchten auf einen Rekordwert von 10,1 Jahren.

Speerspitze des automobilen Konservatismus ist die 2021 gegründete Gruppe "Langzeitauto". Deren Credo lautet "Ressourcenschonung durch Erhalt und Pflege von Fahrzeugen". Auf der Facebook-Seite tummelten sich zuletzt rund 6000 Mitglieder, Tendenz steigend. Dabei geht es weniger um bereits zugelassene Oldtimer als vielmehr um den Erhalt von Alltagsautos, die noch auf das H-Kennzeichen warten müssen. Für Oldtimer scheine die Zukunft dank guter Arbeit von Interessensgruppen wie des Deuvet-Klassikerverbands und des parlamentarischen Arbeitskreises historische Mobilität im Bundestag recht sicher, für ältere Gebrauchte und Youngtimer "leider (noch) nicht", erklären die Initiatoren von "Langzeitauto". Ihr Ziel: "Wir wollen unsere Autos weiterfahren – am besten klimaneutral mit E-Fuels."

Doch ob synthetische Kraftstoffe für Millionen Altautos die Rettung sein können, ist eher fraglich. Die Herstellung dieses Kraftstoffs ist aufwendig, der Wirkungsgrad von der Quelle bis zum Rad ist niedrig. Eine flächendeckende Einführung an der Tankstelle scheint unwahrscheinlich, auch, weil nicht absehbar ist, dass E-Fuels massenhaft und preiswert zur Verfügung steht. Für Besitzer von Oldtimern könnte der Preis an der Zapfsäule aufgrund der oftmals niedrigen Jahresfahrleistung allerdings eine untergeordnete Rolle spielen. Überspitzt formuliert: Ob man im Jahr 450 oder 600 Euro für - dann etwas weniger umweltschädlichen - Sprit ausgibt, scheint angesichts der sonstigen Kosten für einen Oldtimer-Unterhalt nebensächlich.

Vorerst bleibt der maßgebliche Faktor, der über die Öko-Bilanz eines älteren Autos entscheidet, somit die Laufleistung – und zwar multipliziert mit dem Verbrauch. Wer sein Fahrzeug liebt, und darum geht es beim Oldtimer-Hobby ja vor allem, wird sein Schätzchen lieber schonen und ihm keinen Alltagsbetrieb mehr zumuten wollen. Im Schnitt fallen laut ADAC bei Oldtimern nur 1500 Kilometer pro Jahr und Fahrzeug an. Bei einem Anteil von etwa 1 Prozent am Pkw-Gesamtbestand fällt dies klimatechnisch kaum ins Gewicht. Wenn betagte Verbrenner dagegen im Dauerbetrieb genutzt werden, ist das wenig nachhaltig.

(mfz)