30 Jahre "The Mask": vom Horror-Comic zum Comedy-Hit​
Seite 2: Computergrafik mal ganz anders
Der große Coup von "The Mask" war die plastische Umsetzung von Comic-Gags in einer realistischen Umwelt. Cartoon-Logik in Realfilmen ist grundsätzlich nichts Neues – in den 1950er-Jahren fiel damit insbesondere Frank Tashlin auf, etwa in dieser Szene aus "Maler und Mädchen" ("Artists and Models", 1955). Nicht umsonst hatte Tashlin seine Karriere mit Trickfilmen begonnen. 1988 integrierte Robert Zemeckis in "Falsches Spiel mit Roger Rabbit" (Who Framed Roger Rabbit) äußerst erfolgreich 2D-Cartoonfiguren in reale Umgebungen. Hier blieben die 2D-Figuren aber Strichzeichnungen – in "The Mask" sind die Cartoon-Effekte hingegen plastisch, teils sogar fotorealistisch.
"The Mask": Cartoon-Effekte in 3D (19 Bilder)
(Bild: New Line Entertainment)
Die Umsetzung dieses Konzepts war schwerer, als es aussieht. Der damalige Trend ging dahin, möglichst realistische Computergrafik in Live-Action-Szenen zu integrieren: "Terminator 2" (1992) und "Jurassic Park" (1993) waren hier wesentliche Vorreiter.
Bei "The Mask" sollten die Effekte hingegen nur in Maßen realistisch aussehen; wichtiger war die kongeniale Umsetzung der bizarren Physik alter Cartoons. Hierfür war eine ganz neue Trickkiste nötig. Das Filmstudio beschloss, tief in die Tasche zu greifen und die Könige der Special Effects zu engagieren: ILM. Der Visual Effects Consultant und Animation Supervisor Steve "Spaz" Williams war von Kind auf Zeichentrick-Fan und dadurch sofort auf der richtigen Wellenlänge.
Steve "Spaz" Williams, die Geheimwaffe von ILM
Steve Williams war maĂźgeblich fĂĽr den Quecksilber-Look des T-1000 in "Terminator 2" verantwortlich und hatte den digitalen Dinosauriern von Jurassic Park das Laufen beigebracht. DarĂĽber hinaus verstand Williams den dramaturgischen Aufbau der zitierten Tex-Avery-Cartoons und hatte viele Ideen, um sie in 3D zu transponieren.
Statt sich wie bei "Jurassic Park" an real existierenden Tieren zu orientieren, richten sich die optischen Verzerrungen und das Timing der Bewegungen nach den Zeichentrick-Vorbildern. Insgesamt verbrachte Williams 60 Tage am Set, um Russell beim Filmen der Live-Elemente für die CGI-Sequenzen zu unterstützen. Heute lassen sich Aufnahmen vom Set nachträglich umarbeiten, um die Visual Effects (VFX) unterzubringen. Seinerzeit musste hingegen peinlichst darauf geachtet werden, dass das Timing der "Practical Effects" ausreichend Platz für die später einzufügenden VFX-Elemente ließ.
Über Storyboards wurde koordiniert, in welchem Rhythmus Stehlampen umfielen, Löcher in die Wände gebrochen wurden und Glasscheiben zerbrachen. Das war insbesondere für die Verwandlungsszenen wichtig: Setzt Stanley die Maske auf, kreiselt er in einem Wirbelsturm durch das Set, nach dem Vorbild der Looney-Tunes-Figur "Taz". Die dabei zu Bruch gehenden Gegenstände wurden am Set mit Drähten und Windstößen gesteuert. Das Computergrafik-Element bestand aus Bildern des Schauspielers, die vor einem Greenscreen aufgenommen wurden. Diese wurden auf rotierende CGI-Ringe projiziert, deren Form mit Bewegungsunschärfe kaschiert wurde. Von der Umsetzung her ein relativ einfacher Ansatz – auf die Idee dafür zu kommen, war hingegen überaus clever.
Visual Effects zum Lachen
Anders als bei "Terminator 2" und "Jurassic Park" sollten die in "The Mask" gezeigten Effekte das Publikum nicht beeindrucken, sondern zum Lachen bringen. Immer wieder diskutierten Animation Director Williams und Regisseur Russell, wie echt die Computergrafik aussehen sollte. Was in den Production Paintings von Benton Jew noch lustig aussah, wirkte nach der Umsetzung als Computergrafik eher gruselig. So entschied sich Russell immer wieder bewusst gegen eine realistische Darstellung.
Ein Beispiel: In einer Szene quellen der Maske die Augen aus den Höhlen, nachdem ihm zuvor die Kinnlade wortwörtlich auf die Tischkante gefallen ist, gefolgt von der unteren Zahnreihe. Bei einer realistischeren Darstellung wäre dem Publikum das Popcorn im Hals stecken geblieben. Fehlender Fotorealismus war in "The Mask" also kein Bug, sondern ein Feature.
So konnten sich die ILM-Grafiker nach Lust und Laune austoben: In direkter Anlehnung an den legendären Tex-Avery-Cartoon "Red Hot Riding Hood" verwandelt sich die Maske kurzzeitig in einen Wolf mit Hut, der sich vor lauter Begeisterung mit einem Hammer auf den Kopf klopft, bis Sterne um ihn kreisen. Sieht man sich die Sequenz in Zeitlupe an, zerplatzen Wolfsschädel und Hut bei den Schlägen in ihre Einzelteile, wobei die Augen sogar kurz über die Hutkrempe rollen – eine Hommage an die bizarren "Smear Frames" alter Zeichentrickfilme. Die 3D-Modelle wurden in einer frühen Version von Softimage erstellt und animiert.