Missing Link: 75 Jahre DEFA – die Science-Fiction-Filme aus der DDR

Seite 5: Hollywood im DDR-Kino

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Einige große Science-Fiction-Filme aus Hollywood laufen auch im DDR-Kino, etwa "Unheimliche Begegnung der dritten Art", "E.T. – Der Außerirdische", "Star Trek – Der Film" und "Blue Thunder – Das fliegende Auge". "Star Wars" hingegen bleibt ein Tabu, ist es doch zugleich der Spitzname für die amerikanischen Weltraum-Kriegspläne. Auch die französischen Komödien "Brust oder Keule" und "Louis' unheimliche Begegnung mit den Außerirdischen" mit dem in der DDR sehr beliebten Louis de Funès mit ihren futuristischen Elementen werden gezeigt.

Fantasy wird ebenfalls akzeptiert, sofern sie sich an klassischen Mythen orientiert. Zumal der mit Abstand erfolgreichste DEFA-Film ein Märchen mit fantastischen Elementen ist: "Der kleine Muck" von 1953. Vor allem die "Sindbad"-Filme mit der aufwendigen Tricktechnik von Ray Harryhausen laufen im DDR-Kino rauf und runter; das Fünfklingenschwert aus dem Abenteuerfilm "Krull" findet sich gar als Waffe im Spiel "Fine Young Animals" für den Heimcomputer KC 85 wieder.

Realistische Filme rund um den Computer sind rar. 1969 thematisieren zwei Spielfilme die Einführung des Computers in Betriebe, "Im Spannungsfeld" und "Zeit zu leben" (der in Sömmerda handelt). Auch der Zweiteiler "Kippenberg" von 1980 hat ein Computer-Projekt zum Thema, das aber dramaturgisch nur eine Nebenrolle spielt.

Kurz vor dem Ende der DDR erscheint die Komödie "Zwei schräge Vögel" um zwei Informatiker, die von der Universität Leipzig in die Provinz abgeschoben werden, zum VEB Stirnräder im fiktiven Finsterberg-Dodeleben in Thüringen. Dort schreiben sie heimlich die Software für eine bisher ungenutzte CNC-Maschine, was sie am Ende rehabilitiert. Im Film zu sehen sind typische Robotron-Bürorechner wie K 1630 und ein A 7100; erfahrenen Programmierern fällt auf, dass es sich bei der Software für die Diplomarbeit "Das einheitliche System der Fehlersuche und Fehlerkorrektur für Software", die über den Bildschirm scrollt, eigentlich um ein Kartenspiel in BASIC handelt.

Verlockender ist freilich das Westfernsehen. Dort schaut man Serien wie "Raumschiff Enterprise", "Captain Future", "Knight Rider" (mit dem sprechenden Computer-Auto K.I.T.T.) und "Trio mit vier Fäusten" (mit einem Computer-Freak als Dritten im Bunde). Und begeistert sich für Spielfilme wie "Tron", "Wargames – Kriegsspiele" und "Kampfstern Galactica". Heute fast vergessen: der Hacker-Dreiteiler "Bastard", der seit seiner Erstaufführung 1989 in der ARD nicht wieder gezeigt wird. Und der Hochhaus-Thriller "Zoning" mit Dieter Meier von Yello und der Musik von Tangerine Dream, der auch im Kino der DDR läuft.

In der Regel ist man auf das Kino und die wenigen Fernsehsender angewiesen. Erst im Wendeherbst 1989 erscheint der erste Videorekorder aus DDR-Produktion. Vereinzelt erwirbt man Geräte in Intershop-Geschäften (die in der DDR Westsachen für Westgeld anbieten) oder lässt sie sich mitbringen. Gar nicht so unüblich ist es, nur den Ton von Filmen und Serien mit einem Kassettenrekorder aufzuzeichnen.

Die DDR hat die Originale aller DEFA-Filme sorgfältig aufbewahrt, auch die, die zunächst im Giftschrank landen und erst nach 1989 bekannt werden. 1998 wird der Filmbestand der DEFA in eine Stiftung übertragen. Sie vergibt exklusiv die Verwertungsrechte an die damals frisch gegründete Icestorm GmbH. Die hat sie bis heute inne; nahezu alle DEFA-Filme auf DVD und Blu-ray stammen von Icestorm. Ein zweischneidiges Schwert. Einerseits hat Icestorm Hunderte von Filmen und Serien veröffentlicht und damit verfügbar gemacht. Andererseits müssen Liebhaber von DEFA-Sendungen für jeden Film und jede Serie zahlen. Freilich sind dazu alle Sendungen zunächst mühsam zu digitalisieren; auch um dem Verfall des Zelluloids entgegenzuwirken. Man reinigt die Filmrollen mit Alkohol, scannt sie Bild für Bild ein und bearbeitet sie. Retuschiert etwa Beschädigungen oder sorgt für kräftigere Farben. "Um die Digitalisierungen zu finanzieren, ist die DEFA-Stiftung auf Einnahmen angewiesen, die durch Erlöse aus TV-Ausstrahlungen und DVD-Verkäufen erzielt werden", heißt es von der DEFA-Stiftung.

Nur dann und wann hat man Glück und kann einen Film oder eine Serie nach der Ausstrahlung im öffentlich-rechtlichen Fernsehen aus der Mediathek laden. Im Moment, wegen des DEFA-Geburtstags, ziemlich viele. Zumindest eine kleine Auswahl von Sendungen bietet Icestorm seit einiger Zeit auf dem YouTube-Kanal DEFA Filmwelt an. Immer mehr Bibliotheken schließen sich dem Streaming-Angebot Filmfriend an, das ohne zusätzlichen Kosten Zugriff auf einige tausend Filme bietet; darunter im Moment eine DEFA-Rückschau. Für den Spätsommer 2021 hat Icestorm eine große DVD-Box mit 18 Science-Fiction-Klassikern aus der DDR, aus Polen und der Sowjetunion angekündigt.

(tiw)