Abgas-Skandal: Gab es Beihilfe zum Abgasbetrug durch Zulieferer?

Razzia bei Conti: Der Abgasbetrug trägt zwar das Markenzeichen "VW", eine Beihilfe zum Betrug durch Zulieferer der Motor-Software steht aber bis heute im Raum.

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Conti, Bosch & Co. welche Rolle spielten Zulieferer beim VW-Abgasbetrug?

Zulieferer steuern die Komponenten zur Motor-Peripherie bei, auf denen bei Volkswagen die kriminelle Software lief. Das Bild zeigt einen Fahrzeugcomputer von Continental.

(Bild: Continental)

Lesezeit: 4 Min.
Von
  • Jan Petermann
  • Nico Esch
Inhaltsverzeichnis

Die Ermittler im Abgasbetrug müssen tief in die Akten und weit in der Zeit zurück blicken: Bis ins Jahr 2006 reichen die Vorwürfe, die gestern (1. Juli 2020) zu einer neuen Razzia in der Branche bei Continental, Volkswagen und weiteren Firmen in mehreren Bundesländern geführt haben.

Ehemalige und teils auch noch aktive Beschäftigte der einstigen Siemens-Autotechnik-Tochter VDO könnten nach Darstellung der Staatsanwaltschaft Hannover demnach in Teile der Betrugsaffäre verwickelt sein.

Continental wies eine mögliche Mitverantwortung bei der Entwicklung illegaler Technik zurück und bekräftigte seine Position aus früheren Prüfungen: "Wir haben an keinen unserer Kunden Software zum Zweck der Manipulation von Abgastestwerten geliefert." Vielmehr hätten sich die jeweils gültigen Grenzwerte "grundsätzlich einhalten lassen". Man wolle die Lage gemeinsam mit den Behörden aufklären.

Die Strafverfolger bewerten das Thema – jedenfalls zum jetzigen Zeitpunkt – skeptischer. Denn die Vorwürfe beziehen sich keineswegs auf ein Kavaliersdelikt: Es geht um Beihilfe zum Betrug gegen sieben Ingenieure und zwei Projektleiter. Dazu kommen Ermittlungen wegen mittelbarer Falschbeurkundung. Quelle des Ganzen ist das schon länger laufende Verfahren im benachbarten Braunschweig. Dort sind neben dem früheren Volkswagen-Chef Martin Winterkorn zahlreiche weitere Mitarbeiter angeklagt, über einen Prozessbeginn wurde allerdings noch nicht entschieden.

Kern der Untersuchungen im Fall Continental laut Staatsanwaltschaft Hannover: Man prüfe, ob Mitarbeiter von Siemens VDO den Auftrag für die Steuerung des Motors EA 189 annahmen. Siemens VDO ist von Conti 2007 für einen zweistelligen Milliardenbetrag übernommen worden.

Chronologie des Abgas-Skandals (78 Bilder)

Mitte September 2015:  Die US-Umweltschutzbehörde EPA beschuldigt den Volkswagen-Konzern, Diesel-PKWs der Baujahre 2009 bis 2015 mit einer Software ausgestattet zu haben, die die Prüfungen auf US-amerikanische Umweltbestimmungen austrickst. Zu ähnlichen Untersuchungsergebnissen ist auch das California Air Resources Board (CARB) gekommen. Beide Behörden schicken Beschwerden an VW. (Im Bild: Zentrale der EPA in Washington D.C.)
(Bild: EPA
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Es werde überdies Hinweisen nachgegangen, dass die Dokumentation der Software beeinflusst wurde. So ergibt sich der Anfangsverdacht: Beschäftigte der heutigen Sparte "Conti-Automotive" könnten "Wünschen von VW entsprochen" haben, eine verbotene Abschalteinrichtung herzustellen. Sichergestelltes Material müsse nun ausgewertet werden, so ein Staatsanwalt: "Wir stehen da noch am Anfang."