Autobauer im Kälteschock

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Offenbar versuchen die Autobauer, still und leise auf HFO-1234yf umzuschwenken. Diese Strategie scheint aber nicht aufzugehen. Mittlerweile haben sich nämlich die Umweltverbände auf das synthetische Kältemittel eingeschossen. Im Oktober 2009 veröffentlichte die Deutsche Umwelthilfe (DUH) Ergebnisse einer von ihr bei der Bundesanstalt für Materialforschung in Auftrag gegebenen Studie. Danach ist HFO-1234yf leicht entflammbar und setzt bei der Verbrennung hochgiftige Flusssäure frei. Das Umweltbundesamt legte im Februar 2010 mit einer ähnlichen Studie nach. VDA-Präsident Wissmann stehe vor einem "Scherbenhaufen seiner Glaubwürdigkeit", kommentiert DUH-Geschäftsführer Jürgen Resch. Die Autohersteller schweigen dazu, lediglich Honeywell äußert sich auf Anfrage zu den Vorwürfen: Die in den Versuchen gemachten Annahmen seien unrealistisch, und mit dem chemisch ähnlichen R134a sei es nie zu Problemen gekommen, sagt Honeywell-Sprecherin Sabine Chmielewski. Honeywells eigenes Produktblatt zu HFO-1234yf bezeichnet den Stoff allerdings auch als "hochentzündlich".

Wie gefährlich die Substanz nun tatsächlich ist, lässt sich schwer abschätzen, denn die Debatte dreht sich mittlerweile um verschiedene Unfallszenarien, Stoffkonzentrationen und die Interaktion mit anderen Kohlenwasserstoffen. Hans-Jochen Luhmann, Leiter der Forschungsgruppe für zukünftige Energie- und Mobilitätsstrukturen am Wuppertal Institut für Klima, Umwelt, Energie, stört sich aber an einem ganzen anderen Aspekt: Da Klimaanlagen, die für HFO-1234yf entwickelt wurden, auch mit R134a funktionieren, könnten sie außerhalb der EU weiterhin mit dem preiswerteren, aber weit klimaschädlicheren Kältemittel befüllt werden.

"Wir provozieren sehenden Auges Emissionen außerhalb der EU", schimpft Luhmann. "Das bekommen wir von der Dritten Welt alles wieder voll zurück." Leidtragende der Irrfahrt des VDA sind auch Zulieferer, die Millionen in die CO2-Systeme investiert haben, aber parallel noch Anlagen für synthetische Kältemittel vorantreiben mussten. "Sie haben mit der CO2-Technik ein echtes Schätzchen entwickelt und warten nun händeringend auf Aufträge", sagt Luhmann. Die Bedeutung der CO2-Anlagen könnte weit über die reine Klimatechnik hinausgehen: Elektroautos müssen ihre Heizung bisher nämlich mit kostbarem Strom betreiben. Abhilfe könnte eine Klimaanlage bieten, die sich bei Bedarf in eine Wärmepumpe umschalten lässt und dann mit der Batterie-Abwärme das Auto heizt. Für solche kombinierten Heiz- und Kälteanlagen eignet sich CO2 deutlich besser als synthetische Kältemittel. Die Kompetenz dazu haben vor allem deutsche Zulieferer entwickelt. Aber ohne einen Markt für CO2-Klimaanlagen dürfte die Technik schnell wieder eingemottet werden.

Doch welche Optionen haben die deutschen Hersteller überhaupt, wenn es international keine Mehrheit für CO2 gibt? "Ich weiß gar nicht, warum alles immer einheitlich sein soll", sagt Luhmann. "Wir leben schließlich in einer Marktwirtschaft." Er bezweifelt, dass sich der Mehrpreis für eine umweltfreundlichere Technik nicht am Markt durchsetzen ließe, wie die Autohersteller argumentieren: "Dahinter steht eine Vorstellung vom Kunden, dass ich nur das Grausen kriege." (bsc)