Elektroauto als Speicher: Bidirektionales Laden nimmt Fahrt auf
Renault und VW zeigen unterschiedliche Konzepte von V2G: Renault nimmt AC, VW setzt auf DC, was effizienter, aber auch erheblich teurer ist.
- Christoph M. Schwarzer
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Von der Ankündigung zur Wirklichkeit dauert es beim bidirektionalen Laden besonders lange. Renault zum Beispiel sagt, dass der elektrische R5 zum Stromspeicher wird. Weil der aber erst Ende 2024 offiziell vorgestellt wird, dürfte eine Ladetechnik, die in beide Richtungen funktioniert, erst 2025 tatsächlich verfügbar sein. Bei Volkswagen ist es nicht besser. Immer wenn die Wolfsburger ein neues Modell der ID-Baureihe vorstellen, ist vom bidirektionalen Laden die Rede. Geliefert wurde bisher nichts. Aber auch Volkswagen kommt in Kürze vom Versprechen ins Machen, heißt es auch Fachkreisen. Renault und Volkswagen sind interessant, weil die Marken für unterschiedliche Konzepte des Vehicle-to-Grid (V2G) stehen. Werfen wir einen Blick darauf.
Der R5 soll ein bidirektionales Ladegerät im Elektroauto selbst bekommen, geht aus einer Renault-Mitteilung hervor. Es beherrscht Vehicle-to-Load (V2L), kann also externe Geräte versorgen. Ein Ansatz, der bei Käufern von Elektroautos der Hyundai Group ziemlich beliebt ist. Zusätzlich wird es die sogenannte Mobilize Powerbox geben, eine zum R5 passende Wallbox, die vom Münchner Systempartner The Mobility House bereitgestellt wird und für die Vermarktung des abgegebenen Stroms ausgelegt ist. Die Leistung dieser Wallbox wird mit sieben bis 22 kW angegeben. Auf Nachfrage bestätigt Renault unsere Annahme, dass es sich um ein dreiphasiges AC-Gerät handelt.
Renaults Elektroautos als Teilnehmer am Strommarkt
Vereinfacht gesagt ist der Renault mit einer Betonung auf dem Elektroauto als Teilnehmer am Strommarkt ausgerüstet, also wirtschaftlich gesteuert. Die Mobilize Powerbox kann an jedem Haus installiert werden. Der R5 und andere zukünftige Elektroautos von Renault können in Abhängigkeit des Marktpreises laden. Die elektrische Energie ist zum Beispiel besonders billig, wenn an einem sommerlichen Wochenende mittags sehr viel Strom aus Fotovoltaikanlagen bereitsteht. Oder auch nachts, wenn die Nachfrage gering ist. Das Laden ist also netzdienlich.
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Mit einem dynamischen Stromtarif geht das aber ohnehin bei jedem Elektroauto. Der R5 kann zusätzlich den Strom entweder ans Hausnetz abgeben oder ins allgemeine Stromnetz verkaufen, wenn der Preis wieder hoch ist. Der Fahrzeughalter bestimmt, wie viel Energie in der Traktionsbatterie bleiben soll. Die Vermarktung für den Überschuss erledigt The Mobility House.
Das Renault-Konzept ist nicht zwangsläufig an eine Fotovoltaikanlage oder einen Pufferspeicher im Haus gekoppelt. Es ist eine Option. Was die Kooperation von Renault und The Mobility House zeigt, ist eine überaus sinnvolle und mutmaßlich kostengünstige Integration des Elektroautos ins Stromnetz und den Stromhandel. Das eigentlich Erstaunliche ist, dass es bis heute kein Großserienprodukt gibt, dass diese Idee einfach und nachvollziehbar verfolgt.
Volkswagen: DC statt AC
Volkswagen will einen etwas anderen Ansatz verfolgen. Einen, der eher auf eine effiziente Integration in ein Haus mit Fotovoltaikanlage ausgelegt ist. Bei Volkswagen wird – und das ist eher die Regel bei den V2G-Forschungsprojekten der Autoindustrie als die Ausnahme – mit Gleichstrom (DC = Direct Current statt AC = Alternating Current) geladen und entladen.
Wer ein Elektroauto aus der ID-Baureihe mit aktueller Software hat, wird feststellen, dass das bidirektionale Laden schon vorgesehen ist. Hier muss der Standard ISO 15118-20 installiert sein, eine gemeinsame Kommunikationslösung, die auch die automatische Identifikation an Ladesäulen (Plug and Charge) ermöglicht. Allerdings ist die ISO 15118-20 vorerst nur fürs bidirektionale DC-Laden implementiert; AC-seitig ist eine Festschreibung in die ISO 15118-20 bis Ende dieses Jahres geplant.
Volkswagen wird V2G zuerst bei den Elektroautos mit der häufig verkauften Traktionsbatterie mit 77 kWh Netto-Energieinhalt implementieren. Maximal 60 Prozent davon werden freigegeben, also 46,2 kWh. Das ist deutlich mehr als bei üblichen stationären Speichern in Einfamilienhäusern. Allerdings ist das DC-Konzept im Regelfall nicht als Ersatz, sondern als Zusatz zum Heimspeicher gedacht. Der Vorteil von Gleichstrom: Sowohl eine Fotovoltaikanlage als auch die Traktionsbatterie sowie die stationäre Batterie arbeiten damit. Es entstehen also keine Umwandlungsverluste von DC auf AC und zurück; das System hat einen hohen inneren Wirkungsgrad. Das Problem wiederum sind die Kosten für die DC-Wallbox. Volkswagen hat noch keinen Preis genannt. Marktgängige DC-Wallboxes sind erheblich teurer als AC-Wallboxes und liegen heute im Regelfall über 5000 Euro.
Deregulieren dringend erforderlich
Trotzdem wird Volkswagen nicht mehr lange mit dem Start eines Angebots auf sich warten lassen. Wir spekulieren, dass eine Präsentation noch im Sommer und der Marktstart in der ersten Jahreshälfte 2024 erfolgt. Wie eine DC-basierte V2G-Hardwarelösung aussehen könnte, hat der bekannte Systemanbieter E3/DC aus der Hager Group skizziert: E3/DC will 2024 die DC-Vehicle-to-X-Wallbox S10M verkaufen. Sowohl für Kunden, die auch andere Produkte von E3/DC haben wollen, als auch für jene, die sich nur die DC-Wallbox interessieren. S10M wird in der Garage ans AC-Netz angeschlossen und kann integraler Bestandteil eines Hausnetzes mit Fotovoltaikanlage und Pufferspeicher sein. Einen Preis nennt das Unternehmen noch nicht.
Die Industrie ist also kurz vor dem Start. Was noch fehlt, ist eine Deregulierung durch das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz: Mobile Speicher – also Traktionsbatterien in Elektroautos – sind anders als Pufferspeicher im Haus nicht von Umlagen und Abgaben befreit. Das ist zwar geplant, aber bisher nicht umgesetzt. Hier sollte das BMWK dringend handeln.
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(mfz)