Bundestagswahl 2021: Wie die Parteien die Digitalisierung meistern wollen

Welche Schwerpunkte legen die Parteien bei Netzpolitik und der digitalen Infrastruktur? heise online startet neunteilige Serie zur Analyse der Wahlprogramme.

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(Bild: roibu/Shutterstock.com)

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Von
  • Stefan Krempl
Inhaltsverzeichnis

Es ist nicht mehr lange hin: Am Sonntag, den 26. September, wird der neue Bundestag gewählt - und damit auch eine neue Bundeskanzlerin oder ein neuer Bundeskanzler, denn Angela Merkel tritt nicht mehr für die CDU/CSU an. In den nächsten Monaten und Jahren stehen entscheidende Weichenstellungen nicht nur für die Zukunft Deutschlands, sondern auch Europas und der Welt insgesamt an. Digitalisierung der Berufswelt und des kompletten Alltags beschäftigen die Menschen; und der Klimawandel - der nicht kommt, sondern längst da ist - erfordert einschneidende Maßnahmen, um nur zwei wichtige Themen zu nennen. heise online untersucht in einer neunteiligen Serie die Wahlprogramme der Parteien anhand der wichtigsten Themenfelder; im Anschluss wird eine Interviewserie mit den für Netzpolitik zuständigen Parteivertretern dies noch vertiefen. Wir starten die Serie mit Digitalisierung und Netzpolitik im Allgemeinen.

Ein schnelles Internet für alle, bürgerfreundliches E-Goverment mit offenen Verwaltungsdaten (Open Data) und Smart Cities – die Große Koalition hat in der auslaufenden Legislaturperiode mal wieder viel versprochen, aber nur wenig verwirklicht. Wie wollen die großen, im Bundestag vertretenen Parteien die offenen Baustellen im Bereich Digital- und Netzpolitik in den kommenden vier Jahren beackern? Wir haben anhand ihrer Wahlprogramme untersucht, worauf sie den Fokus bei der Vernetzung legen wollen.

Damit Deutschland "effizient die digitalen und technologischen Herausforderungen bewältigt und die Modernisierung des Staates zentral koordiniert wird", wollen CDU und CSU ihrem Plan zufolge ein eigenes Bundesministerium für digitale Innovationen und Transformation schaffen. Es soll digitalpolitische Projekte vorantreiben wie etwa die Corona-App oder den elektronischen Personalausweis. Generell müsse künftig "die Digitalisierungstauglichkeit von Gesetzen" am Anfang stehen: "Wir werden einen Digital-TÜV vor die Gesetzesberatung setzen. Die zentrale Koordination dafür wird das neue Digitalministerium übernehmen."

Ziel der Schwesternparteien beim Mobilfunk ist es, "bis spätestens 2024 alle weißen Flecken mit stationären oder mobilen Masten zu beseitigen" und das Prinzip "neue Frequenzen nur gegen flächendeckende Versorgung" gesetzlich festzuschreiben. Die noch recht junge und umstrittene Mobilfunkinfrastrukturgesellschaft soll dafür sorgen, dass bis 2025 ein "flächendeckendes 5G‐Netz in ganz Deutschland" steht. Parallel will die Union insgesamt 15 Milliarden Euro für Gigabitverbindungen auch im Festnetz bereitstellen. Der Netzausbau soll "durch eine unbürokratische, digitale und rasche Genehmigungspraxis" beschleunigt werden.

Die Möglichkeiten für alternative Verlegeverfahren wie Trenching müssten stärker genutzt werden, heißt es weiter. "Wo die Wirtschaftlichkeitsprüfung von Unternehmen zur Installation von Glasfaserleitungen scheitert, werden wir die Kommunen in die Lage versetzen, den Breitbandausbau in Eigenregie voranzutreiben."

CDU und CSU geloben zudem, "einen Rechtsanspruch auf eine digitale Bürgeridentität (eID)" zu schaffen. Diese soll vorhandene Zuordnungen wie die Steuer-ID und die Sozialversicherungsnummer zusammenführen sowie "auf allen Ebenen staatlicher Verwaltung genutzt werden können". Datenschützer kritisierten aber bereits den Schritt von Schwarz-Rot scharf, die Steuer-ID als übergreifendes Personenkennzeichen im Rahmen der Registermodernisierung zu verwenden. Diese will die Union trotzdem "mit Nachdruck" umsetzen. So könnten etwa nach der Geburt eines Kindes Verwaltungsprozesse, für die die Bürger heute noch verschiedene Anträge stellen oder mehrfach Informationen bereitstellen müssen, "in automatisierter Abfolge geschehen".

"Wir wollen die persönliche Brieftasche für alle Verwaltungsvorgänge, für jeden auf dem eigenen Smartphone", ist dem Programm zu entnehmen. Prinzipiell soll es von September an bereits nach einem Beschluss des Bundestags möglich sein, die eID aus dem Personalausweis auf einzelne Mobiltelefone zu bringen. "Diese Lösung muss europaweit skaliert werden", fordern die zwei Parteien.

Bund, Länder und Kommunen sollen stärker zusammenarbeiten und gemeinsam offene Standards und Schnittstellen als Basis für eine Verwaltungsinfrastruktur schaffen, damit Behörden besser miteinander kommunizieren können: "Alles, was digital werden kann, soll digital werden." Analoge, papiergebundene Prozesse seien als Ausnahmefälle zu gestalten, alle Schriftformerfordernisse würden beseitigt.

Wahlkampf digital:
Wahlen

Ganz ohne politisches Getöse, rhetorisches Säbelrasseln und tollkühne Zukunftsversprechen wird der Bundestagswahlkampf 2021 nicht vorübergehen, auch wenn Bratwurst, Freibier und Stimmungsreden als Stilmittel der Mobilisierung zu großen Teilen ausfallen. Als Alternative bleiben das Netz und die digitalen Kommunikationsmöglichkeiten. Ein Blick auf einen Wahlkampf in Digitalien:

Teil der avisierten E-Government-Initiative ist ein App-Store für die Verwaltung mit digitalen Lösungen für Aufgaben, die von der digitalen Reisekostenabrechnung bis zur Chatbot-Software reichen. Der digitale Staat solle Treiber von offenen Standards auch in der Wirtschaft sein. Man stehe zum Konzept des offenen Regierungs- und Verwaltungshandelns (Open Government) und wolle – wo immer möglich – offene Daten (Open Data) und quelloffene Lösungen zum Einsatz bringen. Offene Standards und allgemeine Schnittstellen würden deshalb "als Vergabekriterien bei öffentlichen Ausschreibungen stärker berücksichtigt".

Weiteres Anliegen von CDU und CSU ist es, die digitale Souveränität sicherzustellen. Diese dürfe aber nicht Abschottung bedeuten, sondern müsse "die Risiken der digitalen Abhängigkeit beherrschbar" machen: "Wir setzen uns dabei für einen vitalen Marktort Europa ein, der seine globale Stärke nutzt, um technologische Weltstandards zu setzen und unsere digitalen Leistungen zu befördern". Um selbstbestimmt handlungsfähig zu bleiben, brauche die EU auch wieder "eigene Hard- und Softwarehersteller, die weltweit wettbewerbsfähig sind". Anbietervielfalt sei entscheidend.

Für große Online-Plattformen müssten Vorgaben für Interoperabilität oder zum Teilen von Daten mit kleineren Wettbewerbern geprüft werden, schreibt das Duo. Digitale Ökosysteme, in denen Politik, Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft für die Entwicklung und Finanzierung neuer digitaler Produkte für Zukunftstechnologien zusammenarbeiteten, sollten auch in der EU etabliert werden. Letztere müsse eine "echte Digital- und Datenunion" werden.

"Wir starten in der nächsten Legislaturperiode eine Investitionsoffensive" für "schnelles Internet, überall", geloben die Grünen. Eine ausreichend schnelle Breitband- und Mobilfunkversorgung gehört für sie zur Daseinsvorsorge. "Schnelles, kostengünstiges und zuverlässiges Glasfaserinternet (FTTB)" müsse in jedes Haus. Fördergelder sollen "unbürokratisch dort ankommen, wo sie am nötigsten gebraucht werden". Wichtig sei auch ein offener Zugang zu bestehender Glasfaser. Der entsprechende Ausbau müsse "auch im Rahmen von Betreibermodellen vorangetrieben und langfristig gesichert werden".

Um den Menschen auch kurzfristig schnellere Internetzugänge zu ermöglichen, wollen die Grünen den prinzipiell bereits geschaffenen Rechtsanspruch auf eine schnelle Online-Grundversorgung so ausgestalten, "dass er unbürokratisch und leicht durchsetzbar wird". Festzuschreiben sind laut dem Programm Mindestbandbreiten, "die sich an den Nutzungsgewohnheiten der Menschen orientieren". So sei es möglich, die weißen Flecken zügig zu schließen.

Die Netzneutralität wollen die Grünen "weiter absichern und konsequent durchsetzen". Sie versprechen, Schluss zu machen "mit der Bandbreiten-Schummelei: Wenn Telekommunikationsunternehmen nicht die versprochenen Download-Geschwindigkeiten liefern, soll es unkomplizierten pauschalierten Schadensersatz und hohe Bußgelder geben."

Beim Mobilfunkausbau gelte es, eine flächendeckende Versorgung sicherzustellen, "egal in welchem Netz man surft". Wo die Anbieter keine Kooperationsvereinbarungen treffen, um Funklöcher zu schließen, "muss notfalls lokales Roaming angeordnet werden, natürlich mit entsprechender Vergütung". Bei künftigen Frequenzversteigerungen sollen die Versorgungsauflagen für die Fläche so angepasst werden, dass sie mit dem steigenden Bedarf Schritt halten. Dabei seien insbesondere Bahnstrecken und Straßen im Blick zu behalten.

Die Verwaltung wollen die Grünen – ähnlich wie CDU und CSU – mit barrierefreien E-Government-Dienstleistungen, sicheren digitalen Beteiligungsformaten und Open Government modernisieren. Unnötige Bürokratie wie Schriftformerfordernisse soll weg. Verwaltungsverfahren denkt die Partei "stets digital", entsprechende Leistungen will sie über einen zentralen Zugang bündeln. Gleichzeitig müsse gewährleistet sein, "dass die Türen des Staates auch für den persönlichen Kontakt" geöffnet bleiben.

Der Austausch von Unterlagen unter den Behörden soll "nach Zustimmung und unter Beachtung des Datenschutzes möglich sein". Die Verwaltung selbst müsse flächendeckend mit der modernsten Technik ausgestattet werden, vom Gesundheits- bis zum Bürgeramt. Behördengänge sollen im besten Fall "einfach mit dem Smartphone" über eine Wallet-App erledigt werden können. Interoperable digitale Identitäten sollen EU-weit zu einer Basisinfrastruktur des digitalen Gemeinwesens werden. Für die Kommunikation mit der öffentlichen Hand wollen die Grünen "ein offenes System schaffen, das einen Ende-zu-Ende-verschlüsselten Austausch von Nachrichten ermöglicht".

"Durch die Vorlage eines Bundestransparenzgesetzes werden wir staatliche Datenbestände der Allgemeinheit nach den Prinzipien der Open Data zur Verfügung stellen", kündigt die Partei an. Zur Sicherung umfassender, gleichberechtigter Teilhabe und einer souveränen Verwaltung sollen möglichst offene Standards, Schnittstellen und Software genutzt werden. So entstehende Programme müssten unter freier Lizenz veröffentlicht und dieses Prinzip als Standard in die Vergabe- und Vertragsordnungen für öffentliche Gelder aufgenommen werden. Zudem wollen die Grünen ein öffentliches Institut einrichten, um Grundsatzfragen zur besseren Verfügbarmachung oder Anonymisierung von Daten zu behandeln und Standards sowie Lizenzmodelle voranzutreiben.

"Bei IT-Beschaffungen des Bundes müssen Faktoren wie Herstellerabhängigkeit, Folgebeschaffung, technische Offenheit, Sicherheit, Datenschutz, Reparaturfähigkeit, Nachhaltigkeit und soziale Kriterien zwingend in die Bewertungen einfließen und Zertifizierungen wie der Blaue Engel für IT-Produkte zum Standard werden", verlangt die Partei. "Wir wollen alle Rechen- und Datencenter des Bundes nachhaltig umstellen, mit erneuerbarer Energie betreiben und zertifizierte umweltfreundliche Hardware einsetzen." Es seien Anreize nötig, um den Stromverbrauch von Rechenzentren zu reduzieren und CO2-neutral zu machen.

Die Grünen wollen auch eine spezielle Strategie "Frauen in der Digitalisierung" vorlegen und umsetzen. Mädchen sollen schon in der Grundschule für Digitalthemen begeistert werden und ohne Technik-Genderstereotype aufwachsen. Der Partei schwebt eine öffentliche Förderstiftung vor, "die gesellschaftlich relevante, freie und offene Software fördert, deren Ergebnisse Gesellschaft, Wissenschaft, Schulen, Wirtschaft und Verwaltung zur Verfügung stehen und barrierefrei zugänglich sind". Sie will ferner die "Multi-Stakeholder-Governance des Internets" stärken, also alle Interessengruppen bei der Online-Regulierung beteiligen.

"Deutschland soll 2030 über eine digitale Infrastruktur auf Weltniveau verfügen, über eine vollständig und durchgängig digitalisierte Verwaltung und ein Bildungssystem, in dem für das Leben in einer digitalen Welt gelernt werden kann", schreibt die SPD in ihrem "Zukunftsprogramm". Eigentlich hätte sie in den vergangenen acht Jahren mit ihrer Regierungsbeteiligung bereits dafür sorgen können, diese Marke deutlich früher zu erreichen. Doch künftig soll nun wirklich was draus werden, auch wenn bis dahin noch fast zehn Jahre vergehen.

Leitbild der Sozialdemokraten sind die "Selbstbestimmung und digitale Mündigkeit" der Bürger, damit die technische Vernetzung allen zugutekommen kann. Ein "schneller, sicherer und bezahlbarer Internetzugang" sei dafür unverzichtbar. In den 2020er Jahren müsse Deutschland zur "Gigabit-Gesellschaft" werden. Daher will die Partei die Versorgung aller Haushalte und Unternehmen mit einer Bandbreite von mindestens 1 GBit/s "durch konkrete, gesetzlich festgelegte Ausbau- und Versorgungsverpflichtungen" garantieren. Hier sieht die SPD "auch die Netzbetreiber in der Verantwortung".

Für Bürger mit geringem Einkommen, für Schüler und Studierende soll es einen Sozialtarif für den Netzzugang geben. Zur digitalen Teilhabe gehöre zudem die Barrierefreiheit.

Einen modernen, bürgernahen Staat sieht die Partei in der Pflicht, allen einen einfachen, digitalen Zugang zu seinen Dienstleistungen zu bieten. Jeder Bürger soll "ohne Zusatzkosten und Extrageräte" die Möglichkeit haben, diese Services freiwillig und datenschutzkonform mit einer digitalen Identität zu nutzen. Wer Anspruch auf eine Leistung habe, müsse diese möglichst "automatisch, ohne Antrag erhalten" oder "mit einem Klick" bestellen können.

Bürger sollen entlang einer digitalen Lebenskette Berechtigungen selbst vergeben, wieder löschen und so kontrollieren können, wer wann auf ihre Daten zugreift. Wie der bisherige Koalitionspartner und die Grünen sind die Sozialdemokraten dafür, dass staatlich finanzierte Software möglichst als Open Source "transparent entwickelt und öffentlich zugänglich gemacht" wird.

"Wir brauchen in Europa eine selbstbestimmte Entwicklung und Herstellung der notwendigen Komponenten und Bauteile, damit nicht ausschließlich US- und chinesische Hersteller über den Erfolg und die Netzwerksicherheit digitaler Infrastrukturen in Europa entscheiden", wirbt die SPD auch für mehr technologische Souveränität. Dafür sei ein "gemeinsamer Kraftakt" mit langem Atem erforderlich.

Die Partei will sich so "für eine gezielte und koordinierte Unterstützung der deutschen und europäischen Digitalwirtschaft auf allen Technologie-Ebenen und entlang der gesamten Wertschöpfungsketten" starkmachen: "von der Halbleiter-Fertigung und der Quantentechnologie über die Cloud und Künstliche Intelligenz und Edge-Computing bis zur Cyber-Sicherheit, sicherer und vertrauenswürdiger Hard- und Software sowie Netzwerktechnik und datenbasierten Geschäftsmodellen".

Den bisher von vielen Ausnahmen eingeschränkten Anspruch auf Informationsfreiheit will die SPD "zu einem wirksamen Transparenzrecht weiterentwickeln und ausbauen". Der Staat müsse beim Datenteilen mit gutem Beispiel vorangehen und einen breiten Datenzugang im Sinne von Open Data ermöglichen. Die Netzneutralität soll gewahrt bleiben. Smart Citys tauchen in dem Dokument nicht auf.

Neu ausrichten wollen die Liberalen die Digitalpolitik und Tempo machen, damit Deutschland seine Chancen auf Fortschritt nicht verspielt. Die Freien Demokraten fordern ein Ministerium für digitale Transformation, das sie eng mit den anderen Ressorts verknüpfen wollen. Bei der Infrastruktur wollen sie für eine flächendeckende und hochleistungsfähige Mobilfunkabdeckung durch echten Wettbewerb auf dem Markt sorgen: "Bis zum Jahr 2025 ist der bundesweite Aufbau von 5G-Netzen abzuschließen." Dies soll bei der Frequenzvergabe mit "einem effizienten Auktionsdesign" sowie einem "starken und zeitnahen Controlling durch den Bund" erreicht werden.

Um das Glasfasernetz voranzubringen, will die FDP Gigabit-Gutscheine an Privathaushalte sowie kleine und mittlere Unternehmen vergeben. Diese sollen einen Teil der anfallenden Anschlusskosten decken sowie den Ausbau "nachfrageorientiert und kosteneffizient" beschleunigen.

Zur Netzneutralität bekennen sich die Liberalen: "Alle Datenpakete im Internet müssen gleichberechtigt sein. So ist sichergestellt, dass keine Meinung diskriminiert wird und neue Unternehmungen Marktzugang erhalten." Diese Chancengleichheit sieht die FDP aber nicht im Widerspruch zu neuen "qualitätsgesicherten Diensten" etwa per "Network Slicing" bei 5G für zeitkritische Anwendungen wie "medizinische Teleoperationen oder autonomes Fahren".

Sämtliche Bürgerservices online erledigen statt vor dem Amt Schlange stehen – das darf laut dem gelben Programm keine Utopie bleiben. Die FPD will Behörden "konsequent zu One-Stop-Shops ausbauen". Daten würden so einmalig an die Verwaltung weitergegeben und dann an entsprechender Stelle verarbeitet ("Once-only-Prinzip"). Alle Pläne für Bürgerkonten oder Cockpits sollen zu einer einheitlichen digitalen Plattform zusammenwachsen: "dem Deutschlandportal". Dieses gewährt den Bürgern Einblick in alle sie betreffenden personenbezogenen Daten, die der Staat gespeichert hat.

Alle Zugriffe auf die Informationen werden in dem Szenario über einen externen Kontroll-Server geloggt, ein behördenseitiger Zugriff löse automatisch eine Benachrichtigung aus. Auch in die nächste technologische Innovation in den Behörden wollen die Liberalen per Künstlicher Intelligenz sowie Virtual beziehungsweise Augmented Reality einsteigen. Die IT-Systeme der öffentlichen Hand sollen stärker als bislang auf Open-Source-Lösungen bauen, um die Abhängigkeit von einzelnen Anbietern proprietärer Software zu verringern.

Smart Cities und Open Data werden nicht erwähnt. Der Bundestag soll aber auf Open-Source-Basis eine digitale Plattform mit einer Vorhabenliste einrichten, die staatliche Stellen verpflichtet, ihre Pläne und Abwägungen "im Sinne echter Informationsfreiheit zu dokumentieren sowie der öffentlichen Kommentierung zugänglich zu machen". Das Netzwerkdurchsetzungsgesetz (NetzDG) will die FDP abschaffen und durch einen Regulierungsmix ersetzen, der den Schutz der Meinungsfreiheit in vollem Umfang gewährleistet.

Die Rechtskonservativen bis Rechtsextremen drängen auf die Förderung regionaler Strukturen beim Glasfaser- und Funknetzausbau nach dem Vorbild des "nationalen Roamings". Der Netzübergang zwischen Betreibern müsse für Nutzer unbemerkt und kostenneutral erfolgen. Der 5G-Netzausbau soll bei künftiger Nutzung höherer Frequenzen "im Hinblick auf gesundheitliche Risiken auch weiterhin durch laufende wissenschaftliche Untersuchungen begleitet" werden. Die Bürger seien über die Ergebnisse umfassend zu informieren.

Die derzeitige Praxis der Frequenzversteigerung könne "zum Hindernis für den flächendeckenden Ausbau und Preistreiber für den Endkunden werden" und müsse deshalb grundlegend überdacht werden, ist in dem Plan zu lesen. Der derzeitige Ausbau des Glasfasernetzes sei von Insellösungen und weißen Flecken in den ländlichen Gebieten und Parallelstrukturen in den Ballungsräumen geprägt: "Eine bessere und flächendeckende Koordination ist hier zwingend erforderlich."

Das Internet müsse als Ort der freien Meinungsäußerung erhalten bleiben, unterstreicht die AfD. Faktenprüfer und Meinungswächter dürften nicht staatlich finanziert werden, Digitalisierung keine totalitären Strukturen befördern. Wie die Liberalen verlangt die Partei das Aus für das NetzDG. Anbieter von sozialen Plattformen will sich verpflichten, einen diskriminierungsfreien Zugang zu ermöglichen und inhaltliche Neutralität zu wahren. Entscheidungen über die Rechtmäßigkeit von Inhalten sollen regelmäßig nicht mehr beim Betreiber liegen. Die Justiz allein habe die Befugnis und die Fähigkeiten, über deren Zulässigkeit zu entscheiden.

Die AfD will digitale Verwaltungsprozesse verschlanken und vereinheitlichen. Das E-Government sei weiter auszubauen, dem Bürger aber eine gleichwertige, niederschwellige, persönliche Kontaktaufnahme zu ermöglichen. Auch die AfD ist für den bevorzugten Einsatz quelloffener Software für digitale Verwaltungsprozesse. Dies gelte zudem für den Betrieb von Servern und Arbeitsplatzrechnern, spricht sie sich etwa für Linux auf dem Desktop aus.

Ein zentrales, bereichsübergreifendes Personenkennzeichen bei der Modernisierung der Verwaltungsregister von Bund und Ländern lehnt die Partei ab, "da es die Erstellung von Persönlichkeitsprofilen zulässt und damit verfassungswidrig ist". Auf Netzneutralität, Smart Citys oder Open Data geht sie nicht ein.

"Die Digitalisierung kann Chancen eröffnen für ein selbstbestimmtes Arbeiten und Leben, für neue Formen der Demokratie, die Alltag, Arbeit und Wirtschaft einschließen", meint die Linke. Die Bundesregierung habe auf diesem Feld aber private Konzerne milliardenschwer subventioniert. Auf dem neoliberalen Weg werde Digitalisierung "zu mehr prekärer Arbeit führen" und die soziale Spaltung vertiefen. Zugleich würden "Überwachungstechnologien und wachsende Konzernmacht die Demokratie weiter aushöhlen". Die Partei will daher "die Gestaltung der Digitalisierung den Profitinteressen der Konzerne entziehen, um Wohlstandsgewinn für alle Menschen zu nutzen".

Der Netzausbau muss laut dem Programm "am Ziel zuverlässiger Versorgung und am Gemeinwohl orientiert erfolgen". Dazu sollen die Breitband- und Mobilfunknetze in öffentliche Hand. Den Glasfaserausbau will die Linke mit Investitionen von zehn Milliarden Euro jährlich in ganz Deutschland fördern. Alle Wohnungen sollen Fiber to the Home (FTTH) erhalten.

Die Partei ruft nach einem einheitlichen Mobilfunknetz aus einer Hand, "das eine Abdeckung der gesamten Fläche sichert". Eine einzige entsprechende Basisinfrastruktur sei kostengünstiger als parallele Netze und mindere die Strahlenbelastung. Daher soll eine bundeseigene Gesellschaft den öffentlichen Mobilfunk betreiben. Telekommunikationsfirmen könnten ihre Dienstleistungen dann darüber anbieten. Telefonanschluss und Internet dürften zudem auch bei Zahlungsrückstand – wie Strom und Wasser – nicht abgestellt werden.

Die öffentliche Hand nebst zugehöriger Unternehmen soll Ende-zu-Ende verschlüsselte Kommunikationswege via E-Mail und Chat bereitstellen, die anbieterunabhängig betrieben und dezentral genutzt werden können. Es müsse aber immer auch nichtdigitale Arten geben, etwa "eine Karte fürs Schwimmbad und einen Termin beim Amt" zu bekommen. Die Netzneutralität soll "grundgesetzlich gesichert werden".

Die digitale Spaltung der Gesellschaft vertieft laut dem Programm nicht nur die bestehende Armut, "sondern hängt all jene ab, an deren Wohnort das Internet zu langsam ist oder bei denen das Geld nicht für einen guten Anschluss reicht". Alle Bürger, ob in der Stadt oder im ländlichen Raum, hätten aber das Recht auf einen schnellen Internetzugang. Datensouveränität und digitaler Zugang gehörten ebenfalls zu einer staatlich garantierten Grundversorgung und müssten einklagbare soziale Grundrechte werden. Die digitale Teilhabe dürfe die soziale Begegnung ohne Gadgets aber niemals ersetzen.

Für digitale Endgeräte will die Linke gesetzliche Vorgaben zu Mindestlebensdauer, Energieeffizienz, modularem Aufbau, Reparierbarkeit sowie verpflichtenden Software-Updates und zur Ersatzteilverfügbarkeit schaffen. Die Abwärme von Rechenzentren müsse verpflichtend zur Gebäudeheizung eingesetzt werden. Für die Softwareprogrammierung sollen Vorgaben zur energiesparenden Programmierung kommen. Bei Streaming- und Video-on-Demand-Diensten müssten energiesparende Standardeinstellungen greifen.

Neue digitale Beteiligungsformate für demokratische Entscheidungen liegen der Partei am Herzen. Das Informationsfreiheitsgesetz will sie zu einem Transparenzgesetz ausbauen. Mit öffentlichen Mitteln erstellte Informationen müssten im Sinne von Open Data kostenlos öffentlich zugänglich sein. Insbesondere sollen Daten wie Verträge für steuerfinanzierte Aufträge und Plenarprotokolle, die für die demokratische Kontrolle wichtig sind, maschinenlesbar und mit offenen Schnittstellen automatisiert abrufbar sein. Im Rahmen kommerzieller Smart-City-Projekte gesammelte Daten müssten der Allgemeinheit kostenfrei zur Verfügung gestellt werden.

(tiw)