Corona in Schulen: Luftfilter, Lüften oder Maske?

Mit Schulbeginn wächst die Furcht vor steigenden Infektionszahlen bei den Kleinen. Welche Technik schützt im Klassenzimmer und hilft Lüftung Marke Eigenbau?

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(Bild: Rido/Shutterstock.com)

Lesezeit: 7 Min.
Von
  • Jan Oliver Löfken
Inhaltsverzeichnis

In den ersten Bundesländern neigen sich die Sommerferien ihrem Ende zu. Nun wird sich zeigen, welche Konzepte für eine möglichst hohe Präsenzquote in den Schulen umgesetzt und vor allem auch greifen werden. Mobile Luftfilter stehen ganz oben auf der Wunschliste von Lehrenden, Eltern und auch Schülerinnen und Schülern. Doch was bringen sie tatsächlich und muss es wirklich das High-End-Gerät mit Filter, UV-Strahlungen und Plasmaentladung sein?

Artikelserie "Schule digital II"

Wie sollte die Digitalisierung in unseren Schulen umgesetzt werden? Wie beeinflusst die Coronavirus-Pandemie das Geschehen? Was wurde im Schuljahr 2020/2021 erreicht - wie ging es 2021/2022 weiter? Das möchte unsere Artikelserie beleuchten.

Wer Luftfilter effektiv einsetzen will, sollte vorab auch Kenntnisse zur Übertragung von Corona-Viren und das Infektionsrisiko haben. Dieses Grundwissen vermittelt etwa die Deutsche Forschungsgemeinschaft DFG in einem aktuellen Positionspapier. Denn „bislang wissen jedoch noch immer nur circa 70 Prozent der Bevölkerung ausreichend über infektiöse Aerosole Bescheid.“ Und wer weniger wisse, schütze sich auch weniger. Aerosole als die Träger von infektiösen Coronaviren sind eben nicht nur die spürbaren Tröpfchen bei einer feuchten Aussprache. Auch wenige Mikrometer kleine Schwebeteilchen können die Viren übertragen. Die Crux dabei: Sie schweben in geschlossenen Räumen teils Stunden in der Luft und erhöhen das Infektionsrisiko selbst dann, wenn eine infizierte Person den Raum längst verlassen hat.

Aerosolforscher unterscheiden daher zwischen zwei Infektionswegen. Es ist zum einen der schnelle direkte Weg, wenn man also einer infizierten Person direkt gegenüber steht und beim Atmen, Sprechen, Husten oder Niesen einer hohen Virenlast ausgesetzt ist. Zum anderen ist es der indirekte Weg, bei dem infektiöse Aerosolpartikel, die sich über mehrere Stunden in Innenräumen anreichern, aufgenommen werden. Bei ausreichender Virenlast und hinreichend langen Verweilzeiten in den Räumen von mehr als 15 Minuten können so selbst unter Einhaltung der Abstandsregeln Infektionen erfolgen.

Mobile Luftfilter zielen ebenso wie das empfohlene Stoßlüften darauf ab, das Risiko über den indirekten Infektionsweg zu verringern. „Wenn sie richtig eingesetzt werden, dann sind diese Geräte sehr hilfreich“, sagt Aerosolforscher Gerhard Scheuch in einem Interview mit der Hamburger Morgenpost. Dazu müsste man die richtigen Geräte wählen. Diese sollten die Raumluft mindestens vier- bis sechsmal pro Stunde umwälzen können. Und man müsse sie auf der höchsten Stufe laufen lassen. Auch die DFG gibt ganz ähnliche Empfehlungen: Räume zwischen 60 und 100 Quadratmetern sollten mit Luftfiltern ausgestattet sein, die mindestens das Sechsfache des Raumvolumens pro Stunde filtern. Bei kleineren Räumen – wie in der Schule – sollten aufgrund des geringeren Raumvolumens höhere Luftwechselraten angestrebt werden, bei großen Räumen – Kirchen, großen Geschäften, Empfangshallen – sind geringere Raten ausreichend.

Als wirksame Filter werden die Spezifikationsklassen H13 oder H14 empfohlen, auch HEPA-Filter für „High-Efficiency Particulate Air/Arrestance“ genannt. „Wobei H14 wirklich schon ein High-End-Filter ist, das ist für eine Schulklasse fast überdimensioniert“, so Scheuch in dem Interview. Die H13-Filter reichten vollkommen aus, weil sie 99,99 Prozent statt 99,9975 Prozent (H14-Filter) aller Aerosolpartikel aus der Luft herausfilterten. Darüber hinaus gibt es Filtergeräte, die die Viren etwa mit zusätzlicher UV-Strahlung, einem Plasma aus elektrisch geladenen Ionen oder mit Ozon abtöten und die Luft noch reiner machen. Doch für normale Räume abseits von Laboren mit sehr viel höheren Anforderungen sei dies laut Scheuch nicht nötig.

Hilfreich bei der Auswahl der je nach Raum passenden Filtergeräte – mehr als 20 Hersteller bieten dutzende Modelle an – ist der Luftfilter-Rechner, den Anna Rohlfing-Bastian von der Goethe-Universität Frankfurt und Gunter Glenk von der Universität Mannheim entwickelt haben. In dem Online-Rechner werden alle Ausgaben, die bei Anschaffung und Betrieb über die Nutzungsdauer der Geräte anfallen, berücksichtigt. Gleichzeitig wird eine effektive Filterleistung pro Kubikmeter Luft pro Stunde im Klassenraum sichergestellt, damit ein zuvor festgelegtes Infektionsrisiko nicht überschritten wird.

Die Berechnungen basieren auf Veröffentlichungen von Forschenden der Universität Frankfurt und der RWTH Aachen sowie auf Angaben der Hersteller mobiler Raumluftfilter. „Für etwa 50 Euro pro Person und Jahr“, sagt Rohlfing-Bastian, „sollte es beispielsweise einer Grundschule möglich sein, Luftfiltergeräte anzuschaffen, sodass regulärer Unterricht stattfinden kann.“ Tragen alle Personen im Raum Masken, reduziere dies die Kosten um die Hälfte.

Eine wirksame Alternative zu kommerziellen Luftfilter-Anlagen haben indes Forscher vom Max-Planck-Institut für Chemie in Mainz entwickelt und evaluiert. Ihr Ergebnis: Ein mit Ventilatoren unterstütztes Fensterlüften könnte sogar wirksamer gegen die Aerosolübertragung von COVID-19 sein und zur Verbesserung der Luftqualität in Schulklassen beitragen als aufwändigere Lüftungs- und Luftreinigungsgeräte.

Ihr Konzept einer Selbstbau-Anlage kombiniert die Abluft sammelnde Baldachine im Klassenraum mit schlichten Ventilatoren, die den Austausch mit frischer Außenluft beschleunigen. „In der Stadt Mainz sind solche einfachen Systeme bereits in mehr als 450 Klassenräumen installiert und erfolgreich in Betrieb“, sagt Frank Helleis, Leiter der Instrumentenentwicklung am MPI für Chemie. Alle Arbeiten wurden in Zusammenarbeit von Eltern, Lehrern und der Gebäudewirtschaft Mainz durchgeführt. Deutschlandweit liege nach Angaben des Instituts die Anzahl ausgerüsteter Klassenräume geschätzt bei über 1000. Bauplan und Studien zu ihrer Low-Cost-Abluftanlage stellen Helleis und Kollegen frei zur Verfügung.

(Bild: (c) A. Koppenburg / MPI für Chemie)

Doch selbst falls eine Schule weder ein Filtergerät rechtzeitig erhält noch einen engagierten Eigenbau leistet, sind Schülerinnen und Schüler einer möglichen Virenlast nicht hilflos ausgeliefert. Allerdings bleibt dann häufiges Stoß- und Querlüften unerlässlich, das nicht in jedem Raum möglich ist. Alternativ wären dicht sitzende FFP2-Masken eine gute, wenn auch für ein leichtes Atmen unangenehme Lösung. Wenn bei vollen Klassen auch der Mindestabstand nicht eingehalten werden kann, bleiben trotz Filteranlagen zumindest OP-Masken im Unterricht wie auf Fluren sowieso notwendig. Damit sollen die direkten Infektionswege abgeschnitten werden. „Wir dürfen die Fehler aus dem vergangenen Sommer nicht wiederholen: Alles aufreißen, alle Maßnahmen zurückdrehen und die Maskenpflicht in Schulen oder Hochschulen abschaffen. Das würde nach hinten losgehen“, sagt Ralf Reintjes, Professor für Epidemiologie und Gesundheitsberichterstattung an der Hochschule für Angewandte Wissenschaften Hamburg.

Und abseits aller Lüftungs- und Filtermaßnahmen bleibt ein Punkt wichtig – gerade vor einer noch nicht erfolgten Impfempfehlung für Jugendliche über zwölf Jahren von der Ständigen Impfkommission Stiko: „Entscheidend ist eine möglichst vollständige Durchimpfung der Erwachsenen. Hier besteht eine Verantwortung der Erwachsenen gegenüber Kindern und Jugendlichen, die in den zurückliegenden Monaten durch ihre Beteiligung an den Schutzmaßnahmen Erwachsene mit geschützt haben“, sagt Jörg Dötsch, Direktor der Klinik für Kinder- und Jugendmedizin der Universität Köln.

(bsc)