Das ferne Dröhnen der Motoren

Seite 2: Das ferne Dröhnen der Motoren

Inhaltsverzeichnis

Das wichtigste dabei ist, dass der Geist sich immer eine Million Meilen entfernt von der eigentlichen Situation befindet. Man setzt den Kaffee beim Kunden ab und das Gehirn löscht diesen Teil der Bestellung. Der Sandwich-Mann gibt einem zwei Wachspapier-Vierecke und einen Teller mit dem B.T. Man gibt es dem Kunden und nun wird auch der Rest der Bestellung im Gehirn getilgt. Es ist weg, aufgebraucht und die ganze Zeit über war der mir wichtige Teil des Geistes Millionen Meilen entfernt gewesen.

Ich hörte, wie die Trucks den Hügel hochfuhren. Pittsburgh, Scranton, Philadelphia, Washington, Baltimore, Camden, Newark... Ein Diesel fuhr vorbei, ein Sattelschlepper mit Stahlträgern, während ich dem Mann den letzten Teil, den er mir gesagt hatte, wiederholte.

"Das ist richtig Lenny, ganz genau!"

Davon war auszugehen. In einem Diner muss man alle Bestellungen essen, die daneben gehen.

"Noch mehr heute?", fragte ich ihn.

"Nein, nein, das reicht. Ich werde mich jetzt etwas ausruhen. Schlaf jetzt. Danke."

"Kein Problem."

"Nein, sei nicht so lässig. Du tust hier eine große Sache für mich. Es ist wichtig für mich, diese Dinge an Euch weiterzugeben. Ich werde nicht mehr lange durchhalten."

"Natürlich wirst Du."

"Nein, Lenny."

"Ach komm."

"Nein, ich hatte Feuer gefangen, als ich fiel. Erinnerst Du dich an die veränderte Wurzel in der Gleichung, die ich Dir in der ersten Nacht durchgegeben hatte? Das Feld wurde durch die Sonne verzerrt und der Generator restrukturierte die..." Er sprach weiter, aber ich erinnere mich nicht mehr daran. Ich hätte mich an die Originalgleichung erinnern müssen, damit seine Sätze irgendeinen Sinn gemacht hätten, aber selbst wenn ich mich erinnert hätte, hätte ich sie erst einmal verstehen müssen. Diese Fähigkeit, ihm die Gleichungen zu wiederholen, war nämlich auch ein Trick. Wer will sich denn bitte daran erinnern, wie viele gegrillte Käse-Sandwichs zum Mitnehmen man jeden Tag verkauft hat? Ich hatte mal jemanden, der bestellte enorm viel Zeug. Ich wiederholte ihm gegenüber alles wie ein Tonbandgerät. Dabei hatte ich nicht einmal zugehört.

"Genau deshalb, Lenny, werde ich nicht überleben. Ein Mann in meinem Zustand würde nicht einmal in meiner Zeit und in meiner Welt überleben."

"Da hast Du unrecht, mein Freund. Die werden Dich hier schon durchbringen. Die wissen in diesem Krankenhaus, was sie tun."

"Denkst Du das wirklich, Lenny?" Er wisperte seinen Satz mit einem traurigen Lachen.

"Natürlich", sagte ich, während ich einem Tanker aus dem Norden zuhörte, wie er die Straße heraufkam. Ich konnte seine Antistatik-Kette hören.

Sie hatten den Mann im Bett neben mir aus einem Feuer gezogen, das sie nach einigem hin und her als sehr schlimmes Unglück mit einem Privatflugzeug identifiziert hatten. Sie sagten, dass ein Farmer ihn in freiem Fall gesehen hätte, als ob er ohne Fallschirm abgesprungen sei.

Sie hatten ihn bislang weder identifizieren noch sein Flugzeug finden können, einen Namen wollte er nicht nennen. Die ersten zwei Nächte hatte er kein Wort gesagt. Dann meinte er plötzlich: "Hört jemand zu? Ist da jemand?"

Ich hatte mich gemeldet und er hatte mich ausgefragt – wie ich heiße, was mit mir los sei. Er wollte den Namen der Stadt, den Namen der Nation, in der er sich befand, und das Datum wissen – Tag, Monat und Jahr. Ich nannte ihm alle Daten. Ich hatte ihn tagsüber in seinen Bandagen gesehen und einem Mann in seiner Verfassung schlägt man keinen Wunsch ab, man hilft ihm. Man ist froh darüber, ihm etwas abzunehmen.

Er war außerdem ein kluger Mann. Er sprach neben Englisch zahlreiche Sprachen. Er versuchte es bei mir zunächst ein bisschen mit Ungarisch, konnte es aber viel besser als ich. Es ist lange her, dass ich meine Familie in Chicago verlassen habe.

Ich sagte der Schwester am nächsten Tag, dass er mit mir gesprochen habe. Die Ärzte versuchten, herauszufinden, wer er denn war und wo er her komme, aber er sprach nicht mit ihnen. Er gab ihnen gegenüber vor, dass er wieder in einem Koma lag; sie glaubten mir zuerst nicht, dass er etwas Sinnvolles gesagt hatte. Danach wusste ich, dass ich besser meinen Mund hielt. Wenn er es so wollte, war das sein Recht.