Das neue Bild der Erde

Seite 2: Mehr Sensoren, klarere Bilder

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Doch je mehr Sensoren Daten liefern, umso klarer wird das Bild. Und besonders spannend wird es dann, wenn die verschiedenen Quellen zusammengeführt, wenn die Messungen aus Satelliten und Netzwerken am Boden vereint werden. Eine Forschergruppe unter Beteiligung des Leibniz-Instituts für Zoo- und Wildtierforschung in Berlin hat zum Beispiel gezeigt, dass sich so extrem genaue Biodiversitätskarten erstellen lassen: Die Wissenschaftler brachten Informationen über Vegetation und Landschaftsform einer Region aus Satellitenbildern mit erdgestützten Daten aus Kamera- und Mikrofonfallen sowie DNA-Analysen der Hinterlassenschaften der ortsansässigen Tierwelt zusammen. Daraus konnten sie schließen, welche Tiere in welchen Lebensräumen einer Region vorkommen. Damit werden gezieltere Maßnahmen zum Schutz von Ökosystemen möglich, sind sich die Forscher sicher.

"Auch bei Überwachung und Monitoring von teuren Infrastrukturen wie Brücken, Gebäuden oder Straßen ergibt die Technik Sinn", sagt Albert Heuberger, Leiter des Fraunhofer-Instituts für Integrierte Schaltungen IIS in Erlangen. Die Sensoren können etwa dazu beitragen, Einsturzgefahr und Rissbildung frühzeitig zu erkennen. Dazu gilt es, ihre Daten mit einer neuen weltallgestützten Analysetechnik zu verbinden, der sogenannten Satellitentomografie. Das Verfahren entwickelte die Wissenschaftlerin Xiaoxiang Zhu an der TU München, eine der "Innovatoren unter 35" von Technology Review aus dem Jahr 2015. Mit ihm lassen sich selbst minimalste Bodenabsenkungen von nur einem Millimeter pro Jahr aufspüren. Dazu werden Aufnahmen des deutschen Radarsatelliten TerraSAR-X aus verschiedenen Richtungen zu einem 3D-Bild zusammengeführt. Alle elf Tage wird eine neue Serie geschossen, ein Vergleich der Bilderserien offenbart, ob sich ein Gebäude oder eine Brücke bewegt hat.

In anderen Bereichen, etwa der Landwirtschaft, wird schon lange mit Satellitendaten gearbeitet. So lässt sich der Anbau bestimmter Feldfrüchte, ihr Wachstum, ihr Reifezustand und der Ertrag der Felder überwachen. Allerdings ist es nicht immer einfach, die gewünschten Informationen aus den Rohdaten herauszulesen. Ein Umstand, den sich inzwischen verschiedene Software-Spezialisten zunutze machen. Neben dem US-Startup Orbital Insight hat auch der deutsche SAP-Konzern ein Geschäftsmodell für die Datenanalyse entwickelt. "Wir reichern die frei verfügbaren Satelliten-Rohdaten der Esa über unsere Analyseverfahren mit zusätzlichem Wissen an und bieten diese veredelten Daten dann über die Cloud verschiedenen Interessenten an", erläutert SAP-Manager Carsten Linz. Dazu hat das Unternehmen gerade in Kooperation mit der Esa den SAP Earth Observation Analysis Service aufgebaut, der seit Anfang 2017 verfügbar ist.

Vor allem die Daten der Sentinel-Satelliten aus dem europäischen Erdbeobachtungsprogramm Copernicus böten eine ideale Grundlage für neue Kundenservices, so Linz. Die beiden Sentinel-1-Satelliten liefern Radardaten, das Sentinel-2-Paar ist spezialisiert auf ein Monitoring der Erdoberfläche mittels Multispektralanalysen. Ende des Jahres sollen noch die beiden Sentinel-3-Späher hinzukommen. Sie arbeiten im Duo und steuern Daten von den Ozeanen und der Atmosphäre bei. Mithilfe der Spektrallicht- und Radaraufnahmen lassen sich etwa Lecks in Gaspipelines leichter finden und Naturkatastrophen wie Erdrutsche, Überflutungen oder Waldbrände vorhersagen. Indem man Informationen über Hangneigung, Art der Vegetation und Trockenheitsgrad der Böden in einer Region mit dem aktuellen Wetterbericht abgleicht, ist es möglich, die Wahrscheinlichkeiten für solche Katastrophen zu errechnen. Der Versicherungskonzern Münchner Rück war einer der ersten Kunden von SAP, der von diesen Vorhersagen Gebrauch gemacht hat.

"Als wir den Service vor rund einem Jahr angekündigt haben, wurden wir von Anfragen regelrecht überrannt", erzählt SAP-Manager Linz. Seit die Esa ihre Daten frei zur Verfügung stellt, sei das Interesse an den Aufzeichnungen der Satelliten sprunghaft gestiegen. Hinnerk Gildhoff, der bei SAP die Satellitendaten weiterverarbeitet, geht davon aus, dass sich die Nutzung der Informationen immer mehr zum Mainstream entwickeln wird. "Ähnlich wie wir das heute von hochaufgelösten Karten kennen, werden wir Anwendungen, die Satellitendaten nutzen, zunehmend auf dem Handy darstellen können", sagt Gildhoff. In der Landwirtschaft ist das bereits möglich: Hier bekommen Bauern auf Wunsch automatische Reports, um bei Schädlingsbefall oder Trockenheit schneller reagieren zu können.