Das neue Edelholz

Holz wird durchsichtig, elektrisch leitend, magnetisch: Wer in dem Material nur einen Rohstoff für Bodenbelag und Möbel sieht, ist auf dem Holzweg.

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Das neue Edelholz

(Bild: Woodoo)

Lesezeit: 12 Min.
Von
  • Wolfgang Richter
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Mahagoni glitzert mit tausend Sternchen, Tanne glänzt wie Perlmutt, Eiche erinnert an den Panzer eines Insekts. Wenn der junge Architekt und Materialforscher Timothée Boitouzet seine Proben gegen die Sonne hält, erkennt man bei manchen gar nicht, dass es sich um Holz handelt. Es ist allerdings auch kein gewöhnliches Holz, denn Boitouzet hat es durchsichtig gemacht, es schimmert wie Eis. Sein Pariser Start-up Woodoo entfernt dazu einen lichtundurchlässigen Bestandteil des Holzes – das Lignin – und ersetzt es durch einen biobasierten, durchsichtigen Kunststoff. Die natürliche Struktur des Holzes wird dabei nicht verändert. Obwohl Woodoo erst seit zwei Jahren existiert, hat es mit seiner Methode bereits 24 Innovationspreise eingeheimst.

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Das liegt zum einen sicher daran, dass die mehrere Millimeter dicken Paneele extrem ästhetisch wirken und dafür prädestiniert sind, in Luxusautos, Jachten und Penthäusern effektvoll von hinten ausgeleuchtet zu werden. Nach eigenen Angaben hat Woodoo bereits Verträge mit dem französischen Luxuskonzern LVMH abgeschlossen – Inhalt allerdings streng geheim. Boitouzet aber hat eigentlich etwas anderes im Sinn. "Durch das Polymer wird das Holz bis zu zehnmal stärker", sagt er. Denn es nähme nicht nur den Platz des Lignins ein, sondern würde auch in die von Natur aus vorhandenen luftgefüllten Zwischenräume eindringen. "Damit wird das Holz auch unempfindlicher gegenüber Wasser und feuerfester." Dicke Bohlen aus jeweils senkrecht zueinander verleimten Lagen des neuen Materials sollen so zur Grundlage des Bauens werden. "Das 19. war das Jahrhundert des Stahls, das 20. das des Betons. Das 21. Jahrhundert wird das des Holzes werden", ist sich Boitouzet sicher.

Tatsächlich hat die Holzforschung gerade in den letzten Jahren erstaunliche Erfolge erzielt. Die Entwicklung läuft dabei in zwei gegensätzliche Richtungen. Einerseits versuchen Wissenschaftler, die Eigenschaften von Holz so zu verbessern, dass es immer mehr Funktionen erfüllen kann. Sie machen Holz antimikrobiell, wasserfest oder durch eingelagerten Kalk feuersicher, stellen sogar magnetisches oder elektrisch leitendes Holz her. Auf der anderen Seite zerlegen Forscher das Holz in seine Bestandteile und produzieren aus diesen gänzlich neue Materialien, die Produkte aus Erdöl ersetzen können.

Um die vielen unterschiedlichen Konzepte zu verstehen, ist ein Crashkurs in Holzkunde unumgänglich: Das Gerüst für die Zellwände eines Baums liefert die Zellulose, ein Polymer, das aus vielen Tausend Glukosemolekülen besteht. Etwa hundert dieser Stränge lagern sich zu einer "Elementarfibrille" zusammen, stabilisiert von den Anziehungskräften zwischen ihren Wasserstoffatomen. Jeweils etwa 20 dieser Elementarfibrillen bilden gemeinsam eine Mikrofibrille mit einem Durchmesser von 10 bis 30 Nanometern und einer Länge von mehreren Mikrometern. Diese Mikrofibrillen wiederum bündelt der Baum zu Makrofibrillen mit einem Durchmesser von mindestens 500 Nanometern, wobei sich Zwischenräume von einigen zehn Nanometern bilden. Diese sind teilweise mit Lignin ausgefüllt. Während die Fibrillen für die Zugfestigkeit des Holzes verantwortlich sind, sorgt der Füllstoff Lignin für die notwendige Druckfestigkeit. Den Kontakt zwischen beiden vermitteln die sogenannten Hemizellulosen – sie bestehen nicht aus Glukose, sondern aus anderen Zuckersorten, und ihre Polymerstränge sind nur einige Hundert Moleküle lang.

"Verglichen mit den drei anderen klassischen Baustoffen Stahl, Glas und Beton ist Holz sehr komplex aufgebaut", sagt der Leiter der Holzforschung an der TU München, Klaus Richter. Denn nicht nur die Zellwände eines Baums sind kunstvoll konstruiert. Die Zellen selbst unterscheiden sich je nach ihrer Funktion für den Baum, und ihre hohlen Innenräume sind über ein Netzwerk dünner Kanäle und Ventile miteinander verbunden. Die komplizierte Struktur sei Segen und Fluch zugleich, sagen die Holzforscher. "Holz wurde durch die Evolution in Jahrmillionen optimiert", erklärt Richter. "Das Ziel der Natur war dabei aber, dass ein Baum lange lebt. Nicht, dass er uns schöne Bretter liefert."

Den besonderen Aufbau des Holzes nutzen etwa jene Forscher aus, die es magnetisch machen wollen. Dazu weichen sie das Holz in einer sauren Lösung ein, die Eisenchlorid enthält. Wenn die Flüssigkeit tief eingedrungen ist, legen sie das Brett in eine starke Lauge. Eine sogenannte Fällungsreaktion ist die Folge: Im gesamten Holz schneit es schwarze Nanopartikel aus Eisenoxid. Sie werden besonders an den Zellwänden in die Lücken zwischen den Fibrillen eingebaut. Es ergibt sich eine Vorzugsrichtung entlang der Holzfasern, in der das Brett mithilfe eines äußeren Magnetfeldes magnetisierbar ist. Die so ausgerichteten Partikel sind fest im Holz eingeschlossen und lassen sich nicht abwaschen.

Tatsächlich gibt es schon eine Küche, in der an solch einer magnetischen Holzwand kleine Küchenmesser kleben bleiben. Sie ist Teil einer "Vision Wood" getauften Versuchswohnung der schweizerischen Materialforschungsanstalt Empa in Zürich, eines der weltweit führenden Holzforschungszentren. Dort leben zwei Doktoranden in einer Wohngemeinschaft und dokumentieren ihre Erfahrungen. Zum Beispiel ist dort auch Holz verbaut, das ganz schwer brennt. Hierfür wird ein Brett zunächst mit einer wässrigen Lösung aus Kohlensäuredimethylester (C3H6O3) und Kalziumchlorid (CaCl2) getränkt. Bei anschließender Behandlung mit Natronlauge bildet sich tief in den Zellstrukturen der feuerhemmende Kalk. Die Brennbarkeit des Holzes sinkt auf etwa ein Drittel.

Forscher der Empa haben gemeinsam mit der benachbarten ETH Zürich auch einen dünnen Film aus Kupfer-Nanodrähten auf eine Holzoberfläche aufgebracht und mithilfe von starken Lichtblitzen zusammenschmelzen lassen. Wieder wurden die dabei entstehenden Nanopartikel vorzugsweise entlang der Holzfasern eingebaut – sie ergeben quasi eine elektrische Leitung und würden es so ermöglichen, Holzoberflächen mit elektrischen Funktionen zu verbinden, etwa in Smart Homes oder Autos. "Können wir die gewünschten Partikel in die Holzzellwände integrieren, sind sie dort gut geschützt", erklärt Mark Schubert von der Empa. Doch sei es eben auch aufgrund des komplexen Aufbaus des Holzes enorm schwierig, sie erst mal dorthin zu bekommen. Ein Weg ist, wie beim magnetischen und feuerfesten Holz mit zwei flüssigen Komponenten zu arbeiten, die erst im Holz reagieren und dort den gewünschten Feststoff produzieren.