Ereignisdaten verhindern keine illegalen Rennen, helfen aber, Taten zu beweisen

Tausende illegale Rennen gibt es jährlich in Deutschland. Wenn danach ermittelt wird, steigt das Risiko für die Täter: heute speichern Autos das Fahrverhalten.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 222 Kommentare lesen

In den meisten Neufahrzeugen werden die Daten für die Airbagsteuerung kurz vor, während und nach einer Aktivierung festgehalten. Sie können in Unfallrekonstruktion die klassischen Beweismittel ergänzen, sollten sie aber nie vollkommen ersetzen.

(Bild: Toyota)

Lesezeit: 6 Min.
Von
  • Martin Oversohl
  • dpa
Inhaltsverzeichnis

Begehrte Zeugen für Straftaten, die mit Autos begangen wurden, sind heute die Fahrzeuge selbst. In etlichen Fällen halfen Daten aus der Elektronik eines beschlagnahmten Wagens bereits, Raser und Poser nach fatalen Unfällen und illegalen Autorennen zu verurteilen. Die Autos, die auf den Sicherstellungsgeländen der deutschen Polizeien stehen, sind meist auf dem Stand der Technik. Sie speichern wichtige Daten zu Fahrmanövern und Tempo. Für Staatsanwälte sind sie der sicherste Weg, kriminelle Fahrer zu überführen.

"Das eigene Auto kann durchaus die Täter verpfeifen", sagt Andreas Winkelmann. Er leitet bei der Berliner Amtsanwaltschaft die Abteilung, in der seit 2018 verbotene Rennen gesammelt und verfolgt werden. Neben den klassischen Beweismitteln verfolgt sein Team immer stärker den technischen Ansatz über die fahrzeugeigenen Speicher. "Wichtig sind für uns vor allem digitale Fahrzeugdaten, Navigationsdaten und Videoaufzeichnungen", sagt Winkelmann.

Mit Hilfe des sogenannten EDR (Event Data Recorder) können die letzten fünf Sekunden Fahrt nachvollzogen werden. "So können wir verfolgen, wie tief das Gaspedal vor dem Auslösen des Airbags eingedrückt wurde, wir können das Bremsniveau ablesen und die Radrollgeschwindigkeit." Zum ersten Mal eingesetzt wurde dieses Beweismittel nach Angaben Winkelmanns im spektakulären Fall eines mittlerweile rechtskräftig wegen Mordes verurteilten Berliner Ku'damm-Rasers.

Er schätzt, dass allein in Berlin Rennen oder Rasen in etwa 100 bis 120 Verfahren mit den Daten aus den Speichern nachgewiesen werden konnten. "Ebenso viele Fälle werden es bei Daten außerhalb des Fahrzeugs sein, also bei Daten aus GPS-Systemen aus dem Navi oder bei Daten von den Herstellern", sagt er. Tendenz steigend, denn ab 2022 müssen EDR verbindlich in alle Autos eingebaut werden.

EDR sind Funktionen vorhandener Steuergeräte, meist der für den Airbag. Es handelt sich dabei jedoch nicht um einen eigenständigen und als solchen auch nachrüstbaren Unfalldatenspeicher. EDR müssen ab 2022 vor, während und nach einer Kollision Geschwindigkeit, Verzögerung, Position und Neigung des Fahrzeugs zur Straße, Zustand und Aktivität aller Sicherheitssysteme sowie des e-Call-Systems, Aktivierung der Bremse sowie relevante Eingangsparameter für die Fahrdynamikregelungs- und Unfallverhütungssysteme mit hoher Genauigkeit aufzeichnen.

Seit Oktober 2017 gelten illegale Autorennen nicht mehr als Ordnungswidrigkeit, sondern als Straftat. Seitdem kann schon die Teilnahme an solchen Rennen mit bis zu zwei Jahren Haft geahndet werden. Paragraf 315d im Strafgesetzbuch sieht bis zu zehn Jahre Gefängnis vor, wenn der Tod eines anderen Menschen durch ein "verbotenes Kraftfahrzeugrennen" verursacht wird. Außerdem werden die meist sehr teuren Autos oder Leihwagen an Ort und Stelle eingezogen. Die Fahrerlaubnis verliert ein Raser in vielen Fällen auch gleich.

Die abschreckende Wirkung genügt offenbar noch nicht. Eine bundesweite Statistik zu illegalen Straßenrennen gibt es zwar nicht. Aber aus veröffentlichten Zahlen geht hervor, dass allein in Baden-Württemberg im Jahr 2019 mehr als 250 Fälle erfasst wurden, in Nordrhein-Westfalen waren es sogar über 650. Allein in Berlin sind seit der Verschärfung des sogenannten Raser-Paragrafen 2017 bis Anfang Oktober 2020 mindestens 1560 Verfahren anhängig geworden.