Finanz-Analyse: Warum Musks Twitter-Kauf so ein Desaster ist

Seite 2: 10 Jahre Operating Cash Flow

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Und dieser Operating Cash Flow war bei Twitter seit 2013 jedes Jahr positiv. Twitters Betrieb hat also jedes Jahr mehr Geld eingenommen, als er Geld gekostet hat. Zwar waren die Beträge lange nicht so schwindelerregend hoch wie bei Facebook/Meta Platforms, Google/Alphabet und einigen anderen Datenkonzernen; aber Twitter war keine dem Untergang geweihte Titanic. Das Unternehmen konnte es sich sogar leisten, eigene Aktien zurückzukaufen.

Frage: Wie kommt es dann, dass Twitter regelmäßig Nettoverlust ausweisen musste? Antwort: Wertpapiere. Genauer gesagt: Twitter-Aktien. Das Unternehmen hat seine Mitarbeiter nur zum Teil in Geld bezahlt, und zum anderen Teil in Aktien beziehungsweise Aktien-Optionen. Die entsprechenden Aktien hat Twitter einfach neu erzeugt. Das ist eine in der US-Tech-Branche anerkannte und weit verbreitete Methode.

Der finanzielle Vorteil für das Unternehmen liegt auf der Hand: Es muss weniger eigenes Geld ausgeben, um seine Belegschaft zu entlohnen. Gleichzeitig – so die Hoffnung – spornen Aktien und Aktienoptionen die Mitarbeiter dazu an, sich bei der Arbeit so einzusetzen, dass der Aktienkurs möglichst steigt. Gleichzeitig sind – im US-Steuersystem – für bestimmte zugeteilte Optionen zwar Einkommensteuern aber keine Sozialabgaben fällig. Außerdem kann es je nach Konstruktion und Kursentwicklung Steuervorteile geben.

Der Nachteil liegt für die Mitarbeiter im unsicheren zukünftigen Wert der Wertpapiere, für Sozialversicherung und Staatskassen in geringeren Einnahmen, und für bestehende Aktionäre darin, dass ihre Aktien jedes Jahr einen kleineren Anteil am Unternehmen darstellen, weil die Firma ja laufend neue Aktien druckt. Sofern es keine Aktienrückkaufprogramme oder andere Sondermaßnahmen gibt. Aber solange die Aktionäre solche Aktienprogramme für die Belegschaft unterstützen, ist rechtlich alles in Butter. (Außerdem könnten Aktienprogramme dazu genutzt werden, Wettbewerbsverbote für Arbeitnehmer durchzusetzen, die nach Staatenrecht in Arbeitsverträgen illegal sind. Dass Twitter das getan hätte, ist dem Autor nicht überliefert.)

Buchhalterisch (nach den Generally Accepted Accounting Principles, GAAP) werden neue Wertpapiere, die Mitarbeitern als Entlohnung zugeteilt werden, als Ausgabe betrachtet und entsprechend gewinnmindernd verbucht. Bei Twitter hat dies dazu geführt, dass auf dem Papier außer in den Jahren 2018 und 2019 immer Nettoverluste entstanden sind, die sich aber nicht in der Form auf den Kassenstand des Unternehmens ausgewirkt haben. Der Cash Flow war ja die letzten zehn Jahre positiv. Durch die Wertpapierzuteilungen ist Vermögen nicht aus Twitters Kasse zu den Mitarbeitern gewandert, sondern von den Eigentümern (Aktionären) zu den Mitarbeitern. Und solange die Aktionäre das bewilligen, hätte das weitergehen können.

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Plötzlich aber ist alles anders. Musk und seine finanzkräftigen Unterstützer haben sich nicht einfach eine Aktienmehrheit gesichert, sondern alle bestehenden Aktien abgelöst und Twitter von der Börse genommen. Der Kaufpreis von 54,20 US-Dollar je Aktie lag 38 Prozent über dem Kurs vom 1. April 2022, dem letzten Handelstag vor der Bekanntgabe von Musks Einstieg als größter Twitter-Aktionär.

Die darauf folgende Gesamtübernahme wurde unter anderem durch ein 13 Milliarden Dollar schweres Kreditpaket gestemmt, das im Namen Twitters aufgenommen wurde. Und dafür muss Twitter nun Zinsen zahlen, in echtem Geld. So viel Cash Flow hatte Twitter aber schon vor der Übernahme nicht, was öffentlich bekannt war. Musks Vertreibung von Kunden und Rausschmiss von Vertriebspersonal hat die Situation nicht gerade entspannt.

Hinzu kommt, dass die Mitarbeiter nun zur Gänze in echtem Geld zu zahlen sind. Einerseits muss Twitter den gefeuerten Mitarbeitern bestimmte zustehende Aktienoptionen zum Preis von je 54,20 Dollar auszahlen. Gleichzeitig erwerben die verbliebenen Mitarbeiter weiterhin Anrecht auf Twitter-Anteile, und diese muss Twitter ebenfalls zum dem Stückpreis ablösen. Auch das ist keine Überraschung, Musk hat sich im Kaufvertrag dazu verpflichtet.

Mit den höheren Personalkosten hätte schon das alte Twitter keine Freude gehabt. 2021 beliefen sich die Wertpapier-Zuteilungen auf 630 Millionen Dollar, ziemlich genau die Höhe des Operating Cash Flows (633 Millionen Dollar nach 766 Millionen Dollar Kosten für die Beilegung einer Sammelklage von Aktionären) und größenordnungsmäßig das Dreifache des Nettoverlusts (221 Millionen Dollar). Jetzt liegen die Barabfindungen der Wertpapier-Zuteilungen Twitter besonders schwer im Magen, weil Musk so viele Werbekunden vertrieben hat.