Finanz-Analyse: Warum Musks Twitter-Kauf so ein Desaster ist

Seite 3: Verzweiflungstaten auf Kosten anderer

Inhaltsverzeichnis

Was zur Frage führt, woher das Geld für die Zinszahlungen kommen soll, und die Panik Musks erklärt. Der Mann versucht, mit allen Mitteln Geld in der Firmenkasse zu halten. Selbst, wenn das bedeuten mag, bestehende Verträge und rechtliche Verpflichtungen zu brechen. Die Mühlen der Justiz mahlen ja langsam. Offensichtlich kann der Multimilliardär damit leben, dass seine Brachialmethode auch Familien trifft, die es nicht dicke haben.

Sogar beim Hauptquartier in San Francisco hat Twitter inzwischen Mietschulden in mehrfacher Millionenhöhe. Gerichte dort und in mehreren anderen Städten haben daher Mehrarbeit. Wie gut Aufsichtsbehörden in aller Welt damit leben können, dass Twitter jene Mitarbeiter gefeuert hat, die für die Einhaltung rechtlicher Verpflichtungen gesorgt haben, wird sich zeigen.

Schräg war Musks Versuch im Dezember, seine Co-Investoren dazu zu bringen, frisches Geld in Twitter zu pumpen. Das "Angebot": Sie könnten neue Aktien zum bekannten Übernahmepreis von 54,20 US-Dollar zeichnen. Weil das neue Aktien sind, würden sie den pro Aktie verbrieften Unternehmensanteil aller Aktien verkleinern – ein gleich gebliebener Stückpreis bedeutete also eine Preiserhöhung. Musks Angebot mutete absurd an, weil der Vogel schon heftig trudelte und Musk selbst einen Bankrott für möglich erklärt hatte.

Einer von Musks Co-Investoren war die Investmentbank Fidelity Investments (respektive deren Kunden). Fidelity hat ihren Fehler schon im November erkannt und das Twitter-Investment um 56 Prozent abgeschrieben. Da ist es wahrlich keine Überraschung, dass es im Dezember keinen Run auf Musks Angebot frischer Aktien zu 54,20 Dollar gegeben hat.

Der Kaufpreis lag von Anfang an deutlich über dem Firmenwert. Allerdings musste Musk deutlich über dem Börsenkurs bieten, sonst hätte der Twitter-Aufsichtsrat die feindliche Übernahme zu verhindern gesucht. Die Rechnung hätte dennoch aufgehen können, durch Kostensenkung und erhebliche Umsatzsteigerung. Letzteres hat Musk nicht geschafft, im Gegenteil.

Laut einer Schätzung von Marktbeobachter Pathmatics haben 14 der 30 größten Twitter-Kunden ihre Reklamebuchungen seit Musks Übernahme komplett eingestellt, vier weitere haben 92 bis 99 Prozent weniger gebucht. Nur sechs der Top 30 hätten mehr ausgegeben, glaubt Pathmatics, darunter Apple und Amazon – doch Amazon hat das gegenüber Reuters als inkorrekt bezeichnet.

Normalerweise würde das kreditgebende Bankenkonsortium – angeführt von den Finanzinstituten Morgan Stanley, Bank of America, Barclays und Mitsubishi – die Twitter gewährten Kredite an andere Investoren weiterverkaufen. Das geht in diesem Fall natürlich nicht, jedenfalls nicht ohne erhebliche Verluste, also bleiben die Banken erst einmal auf dem Kreditrisiko sitzen.

Musk versucht, mit nie dagewesenen Rabatten auf Werbetarife und der Wiedereinführung politischer Werbung den Umsatz anzukurbeln. Das hilft sicher ein bisschen, und erklärt, wie Twitter immer noch mehr als eine Milliarde Dollar Quartalsumsatz geschafft hat. (Das erste Drittel des Jahresschlussquartals lag noch vor der Übernahme, Anmerkung.) Der heftige Preisnachlass setzt allerdings einen Preisanker, der die Werbepreise auf dem Sozialen Netzwerk langfristig drücken könnte.

Gleichzeitig vermietet Musk die einst begehrten blauen Häkchen für "verifizierte" Twitter-Konten. Sogar von Taliban-Führern nimmt Musk die acht Dollar pro Monat, womit sich diese mit dem Haken schmücken dürfen. Diese "Einnahmequelle" ist in erster Linie ein Unterhaltungsangebot, das Twitter im Gespräch hält. Finanziell sind diese Einnahmen nicht mehr als der sprichwörtliche Tropfen auf den heißen Stein. Bedeutung für Twitters finanziellen Überlebenskampf haben sie keine.