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Fobizz-Gründerin: KI sollte Lerninhalt und auch Lerntechnologie in Schulen sein

Kristina Beer
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(Bild: Gorodenkoff/ Shutterstock.com)

Seit einem halben Jahr können Lehrkräfte via Fobizz auch KI-Tools nutzen. Nicht alle trauen sich an sie heran, Gründerin Diana Knodel wirbt für ihren Einsatz.

Mit Fobizz hat die Informatikerin Dr. Diana Knodel ein Start-up gegründet, das Lehrkräften eine Plattform bereitstellt, über die sie Unterrichtsplanungen austauschen, Weiterbildungen besuchen und nun auch KI-Tools für ihre Tätigkeiten einsetzen können. Seit rund einem halben Jahr bindet das Unternehmen Künstliche Intelligenzen für seine Nutzerschaft ein.

Knodel berichtet im Gespräch mit heise online von ihren bisherigen Erfahrungen mit den KI-Tools im Zusammenspiel mit Lehrkräften und Schülerinnen und Schülern, wofür die Tools eingesetzt werden und wohin der Einsatz von KI im Bildungswesen noch führen könnte. Auch eine Vier-Tage-Woche sei auf lange Sicht möglich.

Frau Knodel, wann haben Sie Fobizz gegründet?


Fobizz haben wir vor fünf Jahren gegründet, damals als Online-Fortbildungsplattform für Lehrkräfte. Die Idee war, dass Lehrerinnen und Lehrer, die schon tollen digitalen Unterricht machen, ihr Wissen in Form von Online-Kursen mit anderen Lehrkräften über unsere Plattform teilen können. Das hat gut funktioniert und während der Pandemie war das eine wichtige Anlaufstelle für viele Lehrkräfte, die sich ganz dringend weiterbilden wollten und auch mussten.

Wir haben das Ganze dann weiterentwickelt und bieten mittlerweile digitale Tools für Lehrkräfte an Schulen an. Ganz neu ist die Fobizz-KI-Assistenz. Die ist nun seit einem halben Jahr für die Lehrkräfte verfügbar. Die KI-Assistenz macht es u.a. möglich, dass Lehrende KI für ihre Unterrichtsgestaltung und Vorbereitung nutzen können. Das ist ein bisschen wie ChatGPT für Lehrkräfte und Schulen, aber DSGVO-konform.

Dr. Diana Knodel

(Bild: 

Rebecca Marshall

)

Dr. Diana Knodel ist Gründerin und Geschäftsführerin von Fobizz. Fobizz bietet Online-Fortbildungen, digitale Tools und KI-Anwendungen für Lehrkräfte an. Die studierte Informatikerin (mit Schwerpunkt Psychologie) arbeitete u.a. als Software-Entwicklerin, Produkt Managerin und Professorin (TU Berlin).


Auf der Fobizz-Seite sieht man ein Siegel, dass das Angebot datenschutzkonform sein soll, ein offizielles Siegel ist das aber nicht. Inwieweit können Sie denn sicherstellen, dass über die API nicht private bzw. sensible Daten etwa auf amerikanischen Servern landen?


Wir nutzen das Sprachmodell von OpenAI, haben aber auch verschiedene [weitere] Sprachmodelle eingebunden: Aleph Alpha und ein Open Source-Modell. Die Lehrkräfte können auswählen, mit welchem Modell sie arbeiten wollen. Und wir haben uns natürlich von einem Datenschutzanwalt beraten lassen und alles entsprechend aufgesetzt.

Unsere Anfragen kommen immer über die API. Das heißt, wenn Sie jetzt eine Anfrage stellen, würde da nicht Kristina Beer stehen, sondern die Anfrage kommt immer von Fobizz. Was aber natürlich ganz wichtig ist, ist, dass Sie nicht eingeben: "Hallo, mein Name ist XY, ich wohne hier und hier und meine Frage ist Folgende. Die Nutzerinnen und Nutzer müssen sensibel sein, wenn sie mit der KI umgehen. Und das müssen natürlich auch die Lehrkräfte mit den SchülerInnen thematisieren.

Aus diesem Grund finden wir es wichtig, dass Künstliche Intelligenz überhaupt in den Schulen thematisiert wird, damit die Kinder den richtigen Umgang damit lernen – damit sie nicht Daten eingeben, die nicht unbedingt übermittelt werden sollten. Es ist uns ganz wichtig, dass ein begleiteter Einsatz stattfindet von Lehrkräften in der Schule, weil die Kinder es so oder so nutzen. Und sie nutzen heute auch ChatGPT direkt, wo der Datenschutz doch noch einmal ein bisschen fraglicher ist.

Datenschutz ist immer ein wichtiges Thema. Die Aufklärungsarbeit ist super wichtig.


Sie haben über den Chat-Fenstern mit den KI-Modellen auch Hinweise angebracht, dass die Sprachmodelle nicht immer die richtigen Antworten geben werden. Können Lehrkräfte genau diese Oberfläche auch ihren Klassen zur Verfügung stellen?


Ja, als Lehrerin oder Lehrer kann ich Fobizz für meine tägliche Arbeit nutzen. Ich kann Elternbriefe schreiben lassen, Texte differenzieren, Arbeitsblätter erstellen. Aber ich kann eben auch einen virtuellen Klassenraum öffnen und dann können meine Schülerinnen und Schüler über einen QR-Code oder über einen Link, den ich mit den Kindern teile, darauf zugreifen, ohne dass sie sich registrieren müssen. Sie sollen dann irgendeinen ausgedachten Namen eingeben. Die können sich Micky Maus oder Harry Potter nennen und dann mit der KI interagieren.


Ich habe gesehen, dass man bei Ihnen auch mit Harry Potter chatten kann. Was hat es damit auf sich?

Das ist unsere KI-Assistenz für berühmte oder fiktive Personen, so nennen wir das. Die Idee ist, dass die Kinder oder die Jugendlichen zum Beispiel mit Albert Einstein ein wissenschaftliches Gespräch führen können. Auch dort steht natürlich darüber, dass es eine KI ist, die antwortet. Das weiß hoffentlich jeder, weil Albert Einstein längst verstorben ist.

Wir definieren bei ChatGPT die Rollen, welche die KI einnehmen soll. Die KI antwortet dann im Stil von Albert Einstein, Marie Curie oder Beyoncé. Lehrkräfte können auch selbst Rollen anlegen, wenn ihnen eine fehlt.


Die Prompts, die Sie für diese Rollen geschrieben haben, haben Sie auch sichtbar gemacht. Lernen denn auch Lehrkräfte bei Ihnen, so einen Prompt richtig gut zu formulieren? Von guten Prompts hängt ja ganz viel ab.


Absolut. Wir kommen aus der Fortbildungsbranche, dementsprechend haben wir dazu auch passende Online-Fortbildungen für die Lehrkräfte, die sich damit beschäftigen wollen. Das heißt, sie können erst eine Fortbildung machen. Dann lernen, wie das Tool funktioniert, was beachtet werden muss, und dann erst einsetzen. Und wir haben auch Fortbildungen zum Thema Promptcrafting. Diese werden beispielsweise von Lehrerinnen und Lehrern erstellt, die ihr Wissen so mit anderen Personen teilen.

Sie bieten auch den Austausch von erstellten Unterrichtsmaterialien an – insbesondere auch für digital gestützte Lerneinheiten. Diese lassen sich automatisiert remixen. Inwieweit greift dort KI ein?


Da ist die KI noch nicht eingebunden. Das sind die Unterrichtsmaterialien, die von Lehrkräften zu allen möglichen Themen erstellt werden können, nicht nur zum Thema KI, und dann wiederum für andere Lehrkräfte unter einer Open-Educational-Resources-Lizenz (OER) freigegeben werden.

Mit einem Remix kann eine Lehrkraft beispielsweise sagen: Es gibt nur eine Unterrichtseinheit zu einem bestimmten Thema, die will ich auch verwenden, also individualisiere ich sie mit einem Remix.

Mit den KI-Tools, die wir ansonsten anbieten, kann man aber auch Unterrichtsstunden gestalten. Wir haben KI zum Beispiel schon in das Arbeitsblatt eingebunden. Das heißt, als Lehrerin kann ich ein digitales Arbeitsblatt erstellen, mir selbst die Aufgaben überlegen oder ich kann sagen: "Liebe KI, hilf mir bitte bei der Formulierung oder der Ideenfindung für bestimmte Aufgaben." Danach entscheide ich als Lehrkraft, ob ich die dann übernehme. Und ob ich die vielleicht noch mal anpasse.


Gibt es KI auch in kollaborativen Tools, wenn Schüler etwa an einem Text zusammenarbeiten sollen?


Ja, das wäre ein kollaboratives Textdokument. Das ist genau wie ein Word-Dokument oder wie so ein Google-Doc, in dem man gemeinsam arbeiten kann; also gemeinsam Texte erstellen, sich gegenseitig Feedback geben, auch unter Schülerinnen. Dort haben wir zusätzlich KI eingebunden.

Die Kinder können sich dort Ideen geben oder auch den Text verbessern lassen, sprachlich, grammatikalisch und so weiter.

Wie entscheiden Sie, was sie alles einbinden?


Seit gut einem halben Jahr haben wir diese Angebote und schauen einfach: Was wünschen sich die Lehrkräfte? Was brauchen die? Wo können wir sie mit bestimmten Tools unterstützen? Wir lernen selbst gerade ganz viel und gucken, was wir noch anpassen müssen.


Wie sieht es denn mit Arbeiten aus, die nicht in einer Lerneinheit erledigt sind, oder Planungen, die nicht sofort abgeschlossen werden können. Wie viel merken sich Ihre Systeme? Wie viel Kontextualisierung lassen Sie durch Datenspeicherung zu, wie viel kann die von Ihnen eingebundene KI leisten?


Seit dem letzten Update von OpenAI haben wir deutlich mehr Kontextinformationen. Ich glaube, das sind jetzt, wenn man es so umrechnet, in etwa 20 DIN-A4-Seiten Text, den wir uns quasi merken können, um immer wieder darauf Bezug zu nehmen.

Mit der Fobizz KI-Assistenz lässt sich dadurch ein richtiges Gespräch führen. Und wir haben mittlerweile Konversationen; das heißt, ich kann meine Anfragen von früher sehen. Ich habe eine Historie und kann die auch immer wieder aufrufen und daran anknüpfen.


Diese Konversationen bleiben also immer mit dem Nutzer-Profil verbunden?

Genau, wenn ich frühere Fragen als Lehrkraft nicht lösche, dann wird meine Konversation gespeichert. Bei den Schülerinnen und Schülern haben wir es so gemacht, dass die Daten automatisch nach entweder 24 Stunden oder acht Tagen gelöscht werden.

Wir empfehlen den Lehrkräften, ChatGPT eigentlich nur kurzzeitig für einen bestimmten Anwendungsfall mit den Kindern zu nutzen, und wollen keinen Freifahrtschein für die Schüler herausgeben. Das hat auch mit Kosten zu tun, die am Ende bei uns liegen – jede Anfrage kostet ja. Unter anderem deswegen ist es für die Schüler und Schülerinnen limitiert und wird auch immer wieder gelöscht.


Welche Kosten fallen für eine Lehrkraft an, die sich Fobizz leisten will und was wäre mit einer Klassenlizenz?

Für Lehrkräfte, die es sich individuell kaufen, liegen die Kosten tatsächlich bei circa 10 Euro im Monat. Damit haben sie Zugriff auf alle Tools, ob nun KI-spezifisch oder nicht. Sie können damit Arbeitsplätze erstellen, Pinnwände, Biz-Textdokument und so weiter. Im Rahmen ihrer Lizenz können sie auch mit ihren Schülerinnen und Schülern arbeiten. Das kostet nicht extra. Wir versuchen aber, über Landes- oder Schullizenzen andere Nutzungswege anzubieten, damit Lehrkräfte nicht individuell bezahlen müssen.


Gibt es schon Bundesländer, mit denen Sie näher in Kontakt sind und wo auch tatsächlich Schullizenzen verteilt werden?


Für die Fortbildungen haben wir das schon. In Mecklenburg-Vorpommern und Sachsen können sich alle Lehrkräfte kostenfrei über Fobizz weiterbilden.

Nun können die Gespräche mit Ländern etwas länger dauern, da die Einbindung von KI noch relativ neu ist. Da muss natürlich auch der Datenschutz eingebunden werden und so weiter. Deswegen haben wir in dem Angebotsbereich noch keine Landeslizenz vergeben können. Aber es werden zurzeit tatsächlich einige Gespräche geführt und ich hoffe sehr, dass wir zeitnah auch den ersten Bundesländern die KI-Assistenz zur Verfügung stellen können.


Wenn Lehrkräfte mit ihrer Klasse mit Fobizz arbeiten wollen, werden auch Eltern Fragen haben. Ist das sicher? Was passiert mit den Daten meiner Kinder? Wie sichern Sie sich in dieser Hinsicht ab oder wie können sich die Lehrkräfte bei Ihnen absichern?

Das ist eine gute Frage. Ich weiß von einigen Lehrkräften, dass sie Elternbriefe herausgeben, um die Eltern zu informieren. Und ansonsten haben wir natürlich auch eine Informationsseite, wo alles genau beschrieben ist, wie das Ganze funktioniert, auch bezüglich Datenschutz.

Es ist wichtig, die Eltern einzubinden und passend zu informieren. Wir haben bereits einen digitalen Elternabend zum Thema ChatGPT und KI angeboten und es gab dazu so unglaublich viele Anmeldungen; mittlerweile haben sich über 8000 Eltern für unsere digitalen Elternabende zum Thema KI angemeldet.

Das können wir natürlich gar nicht in einer Sitzung schaffen, deshalb haben wir jetzt erst einmal einige der Eltern auf drei Termine verteilt und dazu noch eine Warteliste. Wir planen, im neuen Schuljahr weitere Angebote für Eltern zu machen, weil es uns ganz wichtig ist, sich mit dem Thema auseinanderzusetzen.

Es gibt natürlich viele Ängste in der Bevölkerung zu dem Thema, weil unklar ist, was KI nun verändert. Man liest in den Medien solche und solche Sachen. Man hört von den Risiken und von den Gefahren. Deswegen ist es uns sehr wichtig, dass alle die Chance bekommen, KI-Tools auszuprobieren und mit anderen Personen darüber zu sprechen.

Wir sehen, dass wir mit den digitalen Elternabenden Ängste abbauen können. Es gibt Risiken und ich glaube, keiner von uns kann jetzt genau vorhersagen, wie sich KI verändern, also entwickeln wird und was in ein, zwei, drei Jahren sein wird oder auch in zehn Jahren. Aber wichtig ist, dass wir uns damit beschäftigen.


Geben Sie denn eigene Dokumente zu diesen Gefahren und Risiken heraus und wie die Entwicklung ethisch einzuschätzen ist? Wie es etwa mit Bias in den Trainingsdaten aussieht?


Ja, das ist genau das, was wir in Fortbildungen und Webinaren thematisieren. Es werden zum Beispiel Stereotype reproduziert, aber ich sage immer: Das liegt nicht an der KI, sondern das liegt an der Gesellschaft. Das sind Stereotype, die durch die KI sichtbar werden, und die vermutlich in vielen von uns ohnehin drinstecken.

OpenAI ist vor allem aus dem englischen, amerikanischen Raum, was ja noch relativ nah an unserer Kultur ist. Von chinesischen Sprachmodellen würden wir vermutlich ganz andere Antworten erhalten oder ganz andere Sichtweisen zurückgespielt bekommen. Deshalb brauchen wir aus meiner Sicht unbedingt europäische Sprachmodelle.

Einige sind da ja schon dran: unter anderem Aleph Alpha. Und es gab gerade eine ganz große Finanzierungsrunde für ein anderes europäisches Sprachmodell, das gestartet werden soll. Wir sind nun aber trotzdem schon ein bisschen hinten dran im Vergleich zu den Amerikanern und den Chinesen.


Würden Sie denn eher zu einem europäischen Modell wechseln, wenn Sie das dann könnten?


Ich würde gerne den Lehrkräften die Wahl überlassen, so wie wir es gerade auch machen. Wir bieten alles an.


Gibt es bei Ihnen momentan ein Anfrage-Limit? Jede Anfrage kostet ja etwas, wie Sie selbst schon erwähnt haben.


Wir haben tatsächlich ein Limit für die Lehrkräfte eingebaut, die das Angebot nur mal ausprobieren wollen. Für die bezahlenden Lehrkräfte haben wir bislang kein Limit. Im Blick behalten müssen wir aber tatsächlich, ob es Personen gibt, die das massiv nutzen oder auch missbrauchen. Manche Limits sind dann aber ohnehin durch die API und durch OpenAI vorgegeben.

Sie möchten aber gerne zu GPT-4 wechseln?


Wir bekommen teilweise von den Nutzerinnen und Nutzern Anfragen dazu. Meine persönliche Meinung ist aktuell, dass GPT-3.5 schon ziemlich gut und für die meisten Fälle absolut ausreichend ist. Es gibt aber bestimmte Fälle, wo GPT-4 sicherlich noch mal mehr kann.

Wir starten gerade mit einigen Nutzern, um die Einbindung zu testen, ohne dass unser jetziges System zusammenbricht, die Rate Limits gesprengt werden oder die Kosten zu hoch sind. Wir werden einfach ausprobieren und experimentieren müssen.


Wie viele Lehrkräfte nutzen Fobizz derzeit?


Insgesamt auf Fobizz geschaut, also mit dem Fortbildungs-Bereich und nicht nur dem KI-Angebot, sind es 250.000.

Und wie viele von denen nutzen tatsächlich schon ChatGPT über ihr Angebot? Können Sie das beziffern?


Das sind so um die 40.000.


Okay, also ein eher kleinerer Teil versucht sich schon daran. Woran könnte es liegen, dass von den insgesamt 250.000 noch nicht so viele mit den KI-Angeboten gearbeitet haben? Haben Sie dafür Erklärungen?


Na ja, das ist ja ein relativ neues Produkt. Einige probieren es nur aus, andere nutzen es dann wirklich regelmäßig. Ich glaube, dass es nach und nach mehr Nutzende werden. Denn es ist eine Technologie, vor der einige vielleicht auch etwas Angst haben.

Was wir aber auch sehen: Der Lehrkräftemangel, die Zusatzaufgaben durch geflüchtete Kinder; das verlangsamt die Digitalisierung allgemein. Die Lehrkräfte müssen sich um so viele andere Dinge kümmern, dass KI nur eines von vielen Themen ist.

Was wir auch feststellen: Wir bekommen vermehrt Anfragen von Grundschulen. Dort ist noch nicht ganz klar, wie KI ihnen helfen oder wie sie sie mit ihren Kindern nutzen könnten. Dazu werden wir deshalb bald eine Fortbildung aufsetzen.

Ich denke, dass KI auch Grundschullehrkräften wunderbar helfen könnte.


ChatGPT kann tatsächlich sehr schnell etwa eine Struktur für Elternabende ausspucken oder erste Ideen für Klassenfahrten zusammentragen. Müsste man so ein Potenzial genauer erklären?


Ja, man darf das Tool nicht einfach herausgeben und die Lehrkräfte dann damit alleine lassen. Sondern man muss ganz konkrete Anwendungsfälle zeigen, mit Beispiel-Prompts und Ergebnissen. Das sollte auch für einzelne Fachbereiche gemacht werden.

Ein Thema, was wir noch angehen, ist das der Korrekturen, da diese sehr viel Zeit in Anspruch nehmen. Wir wollen mit Lehrkräften ausarbeiten, wie ein Formular gestaltet sein muss, damit man gute Korrektur-Empfehlungen erhält. Eine KI könnte zum Beispiel die Texte von Kindern erfassen und automatisiert feststellen, ob die Grammatik oder Rechtschreibung stimmt.

Meinen Sie, dass auch schon die Struktur des Textes eingeschätzt werden könnte?

Ja. Aber die Lehrkräfte müssten jeweils entscheiden, was die KI machen und korrigieren soll. Zuallererst muss aber ohnehin geklärt werden, ob der Text schon als digitaler Text vorliegt oder erst noch abgeschrieben oder digital erfasst werden muss. Mit diesen Ideen stehen wir aber noch ganz am Anfang.

Lehrkräfte haben auf jeden Fall ein solches Tool gewünscht und wir versuchen gemeinsam mit ihnen, ein Produkt zu entwickeln, das dann am Ende hoffentlich gut funktioniert und von den Lehrkräften genutzt wird.


Allerdings müssten Sie bei so einem Anwendungsfall genau aufpassen, dass keine sensiblen Daten der Kinder weitergegeben und sehr viele Daten über die Kinder und ihre Fähigkeiten erfasst werden.


Ja, das ist aber Aufgabe der Lehrerin oder des Lehrers, das dann zu beachten. Und da gehe ich auch davon aus, dass sie das tun. Das ist für mich ein Teil der Medienkompetenz, die von den Lehrkräften erwartet wird, genauso wie sie die von ihren Schülerinnen und Schülern erwarten.


Wie schätzen Sie das denn ein? Wie gut ist die Medienkompetenz der Lehrkräfte heutzutage?


Ich sage mal so: Die Lehrkräfte, mit denen wir jetzt gerade im Bereich KI arbeiten, das sind natürlich die, die schon sehr weit sind. Das sind quasi die, die auch im Twitter-Lehrerzimmer unterwegs sind – die First Movers in dem Bereich. Und jetzt geht es darum, auch die abzuholen, die das Thema noch nicht für sich entdeckt haben. Und ich glaube, das ist die größere Herausforderung.

Es gibt einige Lehrkräfte, die machen heute schon wunderbaren digitalen Unterricht und nutzen digitale Tools sinnvoll und sinnstiftend, was ja auch das Ziel ist. Und dann gibt es aber auch die, die noch ganz klassischen Unterricht machen, der ja nicht unbedingt schlecht sein muss. Aber es gibt, wie gesagt, diese Spannbreite "von bis".


Kommen aufgrund ihres Fortbildungsangebots für Lehrkräfte auch Medienbildungszentren auf Sie zu, um mit Ihnen zusammenzuarbeiten?


Auch das, genau. Teilweise kommen Medienzentren auf uns zu und buchen auch Lizenzen beispielsweise für die Lehrkräfte, für die sie verantwortlich sind. Schulträger, Bundesländer, verschiedene Zielgruppen wenden sich an uns.



Bevor wir miteinander gesprochen haben, bekam ich eine Pressemitteilung von Ihnen. In dieser hieß es, dass Fobizz auch dazu beitragen könne, dass Lehrkräfte auf die viel diskutierte Vier-Tage-Woche umsteigen könnten – auch, weil der Fachkräftemangel das erzwingen könnte. Wie genau würde das funktionieren?


Ja, die Vier-Tage-Woche ist so ein Aufhänger. Für Grundschulen wäre das aus meiner Sicht noch nichts. Das Ganze ist eher vorstellbar für ältere Schülerinnen und Schüler – wenn dann auch diese selbstständig mit einer KI, gerne auch gemeinsam im Team, kollaborativ, so wie wir es auf der Arbeit auch tun, arbeiten. Sie arbeiten sich dann mit Unterstützung in Themen ein.

Wir müssen ja ohnehin überlegen, wie Lernen in der Schule noch Sinn ergibt. Es ist ja so: KI können Aufsätze schreiben oder Hausaufgaben, diese auch zum Teil korrigieren. Da muss überlegt werden: Wie müssen wir zukünftig Hausaufgaben stellen? Vielleicht so, dass KI als Unterstützung genutzt werden darf, aber sie nicht komplett übernehmen? Wir müssen schauen: Welche Kompetenzen braucht es heute in der Welt? Wie können wir heute in der Schule schon auf neue Technik reagieren und unsere Schülerinnen und Schüler vorbereiten, gut damit zu lernen und zu arbeiten?


Die Kultusministerkonferenz der Länder (KMK) hat aufgrund des Lehrkräftemangels selbst schon darauf hingewiesen, dass sich Lehren und Lernen verändern muss, zum Teil auch Technik Lücken füllen soll [1]. Der Grundschulbereich wird in der Hinsicht ausgespart, ältere Schülerinnen und Schüler sollen aber zu mehr Selbstorganisation befähigt werden, um später eher ohne Lehrkraft auszukommen. Das heißt dann ja auch: Eigentlich müssten die Schülerinnen und Schüler ihre Angebote irgendwann so nutzen können, wie es gerade noch die Lehrkräfte tun.


Ja, das geht auch jetzt schon über unseren virtuellen Klassenraum bei Fobizz. Dort können Lehrkräfte Schulklassen für unsere KI-Tools freischalten. Eventuell wird es irgendwann in Richtung persönlicher Coach oder Tutor für jeden Schüler und jede Schülerin gehen. Der begleitet die Schüler:innen dann über längere Zeiträume, auch ganz individualisiert und stellt passende Aufgaben.


Das wäre dann der individualisierte Lernweg, der durch eine KI vorgezeichnet und auch immer wieder unterstützt wird. An sowas arbeiten Sie als Fobizz aber noch nicht, oder?


Sagen wir mal so, wir haben Ideen und überlegen, ob wir da in dem Bereich was anbieten können.


Was sind die nächsten Schritte, die Sie mit KI gehen wollen?


Wir haben in relativ kurzer Zeit viele verschiedene KI-Tools herausgebracht. Jetzt konsolidieren wir gerade und gucken, welche Tools werden wirklich gerne genutzt: Was sind die Anwendungsfälle? Wo müssen wir uns vielleicht noch ein bisschen verbessern?


Fürchten Sie eigentlich eine mögliche Regulierung auf EU-Ebene – dass das Arbeiten mit Kindern, Jugendlichen und KI zum Beispiel auch als risikoreicher eingestuft werden könnte? Und wie stehen Sie dazu, dass Künstliche Intelligenzen für die Bildgenerierung auf bereits vorhandene Kunst zugreifen? In der Hinsicht könnte es auch noch mehr Urheberrechtsstreits geben.


In unseren Webinaren gehen wir auf solche Themen ein. Wir hatten anfangs auch DALL-E ausgeschlossen, weil es da mehr rechtliche Fragen gab. Wir haben dann nur mit Stable Diffusion gearbeitet. Da waren nur teilweise die Ergebnisse nicht so gut. Der Wunsch nach DALL-E kam wieder auf und nun bieten wir es auch wieder an.

Wir gucken aber genau: Wo sind vielleicht Grauzonen? Ich glaube auch, dass es in den nächsten, vermutlich nicht Monaten, sondern eher Jahren, noch ganz viel Rechtsprechung passieren wird, weil noch so viele Dinge unklar sind.

Dass der Einsatz von KI in der Arbeit mit Kindern und Jugendlichen eingeschränkt werden könnte, sehe ich gerade nicht. In medizinischen Bereichen, in Hochrisiko-Bereichen, da verstehe ich das und finde es auch total wichtig. Im Bildungsbereich gibt es zwar auch Risiken, aber ich finde es wichtiger, dass Kinder lernen, mit KI umzugehen, damit sie verstehen, ob es Stereotype gibt, Diskriminierung oder eingebauten Rassismus.

In einem begleiteten Rahmen finde ich den Einsatz in der Schule wichtig und ich hoffe sehr, dass es nach wie vor für die Bildung eine gute Möglichkeit gibt, diese KI-Tools zu nutzen: Als Lerninhalt zum einen, zum anderen aber auch als Lerntechnologie.

Aus meinen Gesprächen zum Beispiel mit Kultusministerien gehe ich auch mit einem positiven Gefühl raus – dass das also zugelassen wird.


Ein paar letzte Fragen zu Fobizz: Wie viele Beschäftigte haben Sie gerade?


Wir sind insgesamt 30 Personen und aufgeteilt in ein Content-Team, ein Produktentwicklungsteam, ein Kundenbetreuungsteam und natürlich Operations und Marketing.


Haben Sie auch ehemalige Lehrkräfte bei sich im Team?


Ja, zum Teil auch ehemalige Lehrkräfte.


Wie haben diese Lehrkräfte ihre Motivation erklärt, bei Ihnen anfangen zu wollen?


Leider haben tatsächlich einige gesagt, dass sie nicht mehr in diesem Schulsystem arbeiten wollen. Sie arbeiten gerne mit Kindern und mögen an sich ihren Job, aber das System sehen sie häufig als sehr herausfordernd – und die Arbeitsbedingungen sind so, wie sie sind.Wir kriegen tatsächlich regelmäßig Bewerbungen.


Wie stark könnte Fobizz die Schule von heute nach Ihrer Meinung verändern?


Das Bildungssystem ist sehr träge, das wissen wir alle, Veränderungen brauchen Zeit. Was wir aber sehen und was ich auch ganz schön finde, ist, dass wir bei den einzelnen Personen sehr viel bewirken und verändern können. In dem Bezug bekommen wir auch sehr viel positive Rückmeldung, auch von Lehrkräften, die schon sehr lange im Schuldienst sind und erst einmal Vorbehalte hatten. Sie sind froh, dass sie sich Fortbildungen immer wieder anschauen und das in ihrem eigenen Tempo machen können. Sie haben dann doch gemerkt, dass sie nun etwas Neues kennen und das auch Spaß macht. Solche E-Mails freuen uns am allermeisten.

Ich glaube, das ist so der einzige Weg, den man als, ich sage jetzt mal, ein kleines Ed-Tech-Start-up gehen kann. Man versucht quasi, Kleines zu bewirken, aber einzelne Lehrkräfte erzählen das dann anderen und die erzählen es dann der Schulleitung und dann sagt die Schule: Ok, das probieren wir jetzt alle aus. Irgendwann geht es dann von Schule zu Schule bis zum Bildungsministerium. Auf individueller Ebene können wir ganz viel bewirken und es entwickelt sich dann auch auf höherer Ebene weiter.

Artikelserie "Schule digital II"

Wie sollte die Digitalisierung in unseren Schulen umgesetzt werden? Wie beeinflusst die Coronavirus-Pandemie das Geschehen? Was wurde im Schuljahr 2020/2021 erreicht - wie ging es 2021/2022 weiter? Das möchte unsere Artikelserie beleuchten.

Artikelserie "Schule digital"

(kbe [35])


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