Friede, Freude und freie Eierkuchen-Rezepte, Teil 1

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Allerdings darf man dabei nicht übersehen, dass sich diese Formen der stillschweigenden Duldung in einer rechtliche Grauzone abspielen – mit viel Wegsehen auf Seiten der Industrie. Dank der Creative-Commons-Lizenz (CC) und dem Erfolg von Open-Source-Software hat das Bewusstsein über "freie Inhalte" jedoch seinen Weg zu werkschaffenden Musikern und Filmemachern oder Spieleproduzenten gefunden. Es gibt inzwischen einiges an CC-lizenzierten Musikstücken und Filmen, die auch in freien Formaten wie Ogg/Vorbis und Flac für Musik oder Ogg/Theora als Video-Codec vorliegen.

Die Creative-Commons-Lizenz erlaubt das maßgeschneiderte Lizenzieren von Werken, die keine Software darstellen. Um die Lizensierung flexibel zu halten, gibt es verschiedene Varianten der CC, die jeweils in Formulierung und Wortwahl an nationale Rechtsprechung angepasst sind. Um Werkschaffenden die Arbeit zu erleichtern, gibt es auf creativecommons.org eine Art "Klick mir die Lizenz zusammen", die unter anderem folgende Spielarten erlaubt:

  • keinerlei Bedingungen (Public Domain Dedication)
  • Verteilen, kopieren, verändern, kommerziell nutzen mit Nennung des ursprünglichen Autors (CC-Bezeichnung: Attribution, kurz by)
  • Verteilen, kopieren, verändern, kommerziell nutzen mit Nennung des ursprünglichen Autors, aber mit der Pflicht, die gleiche Lizenz zu wählen (GPL-ähnlich; Attribution Share Alike, by-sa)
  • Verteilen, kopieren, verändern, aber keine kommerzielle Nutzung mit Nennung des Autors (Attribution Non-commercial, by-nc)
  • Kopieren, aber nicht verändern mit Nennung des Autors (Attribution No Derivatives, by-nd)

Was man nicht ausschließen kann, ist die Erlaubnis zum Kopieren und Weiterverteilen, denn genau deswegen wurde die CC ja geschaffen. Wer die GNU GPL kennt und schätzt, kann für Texte aber auch die Free Documentation Licence (FDL) wählen.

So kann man sich also dreifach vergewissern: Das Werk, die Einspielung und die Distributionsformate können jeweils unter verschiedene freie Lizenzen gestellt werden. Ein Klavierstück von Bach beispielsweise ist als Werk inzwischen Public Domain oder gemeinfrei: Die Urheberrechte, die in Deutschland für 70 Jahre gewährt werden, sind abgelaufen. Die Einspielung wiederum kann selbständig etwa von einem Uni-Orchester vorgenommen und als CC-lizenzierte Einspielung mit dem Recht zur Weitergabe in GPL-lizensierten Audioformaten vorliegen. Mischformen gibt es beispielsweise bei Hörbüchern: Die Rechte am Werk selbst liegen beim Autor, der aber Zustimmung zu einem unter Creative-Commons-lizenzierten Hörbuch gegeben haben mag.

Wie also freie Unterhaltung ohne rechtliche Konsequenzen finden?

"Sucked into a vortex" – dank intensiver Science-Fiction-Vorbildung kann sich vermutlich fast jeder etwas unter diesem Sound-Sample vorstellen. Freesounds ist die mit Abstand wichtigste Anlaufstelle für die Eigenproduktion von Musik und Klangelementen. Das Projekt ist von der Music Technology Group der Universtität Pompreu Fabra in Barcelona initiiert.

Das Sortiment umfasst über 20.000 Samples verschiedener Länge und Qualität natürlichen und elektronischen Ursprungs, die man dank der freien CC-Lizenz frei remixen und verwenden darf. Von Vogelgezwitscher über Naturgeräusche bis zu im Raum wabernden Aliens im 50er-Jahre-SciFi-Stil ist die Sammlung recht gut bestückt. Leider mangelt es an Samples internationaler Musikintrumente: Alles, was klanglich der arabischen oder indischen Welt zuzuordnen ist, fehlt praktisch komplett – etwas, was Hobbymusiker weltweit problemlos zur Verfügung stellen könnten.

Das wichtigste Schwester-Projekt zu Freesounds ist die Remix-Site ccMixter, wo man Remixes jeder Art aus freien Samples bewundern und selbst wieder remixen kann. Da Sample und Remix jeweils unter Creative-Commons-Lizenz stehen, kann man die meisten Remixes nicht bloß einfach herunterladen und verbreiten, sondern auch auseinanderpflücken und neu remixen. Entsprechend finden sich oft viele Varianten eines Remixes.

Das Faszinierende an freiem Sound ist derzeit allerdings noch eher die Verbreitung und Veränderung von Klangstücken als seine Hitverdächtigkeit. So wie in der Open-Source-Welt guter Wille und freier Code noch keine gute Software machen, entsteht durch den freien Zugang zu Samples nicht automatisch eine neue Missy Elliot, Björk oder Jazzmatazz.

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