Geringe Strafe für Betrugskampagne zur Abschaffung der US-Netzneutralität
Seite 2: Der US-Kampf um Netzneutralität
Ursprünglich stellte die FCC 2004 allgemeine Leitlinien zur Sicherung des Prinzips des offenen Internets auf. Diese sicherten Nutzern unter anderem Rechte auf Zugang zu legalen Inhalten, zur Nutzung entsprechender Anwendungen und Dienste sowie zum Anschluss eigener Geräte an ein Netzwerk zu. Zugleich soll damit der Wettbewerb zwischen Netz-, Dienste-, Programm- und Inhalteanbietern gefördert werden. 2005 wurden die Regeln modifiziert, waren aber noch nicht verpflichtend.
2007 wurde Comcast dabei erwischt, das BitTorrent-Protokoll auszubremsen und teilweise komplett zu blockieren. 2008 erließ die FCC daher einen Bescheid gegen Comcast: Strafe gab es keine, aber Comcast solle sein Netzwerkmanagement offenlegen und BitTorrent nicht länger stören. Comcast ging zu Gericht, das den FCC-Bescheid kassierte, weil die Behörde keine Kompetenz dazu habe.
Ende 2010 erließ die FCC dann erstmals eine allgemeingültige Verordnung für ein offenes Internet. Doch auch diese wurde von einem Bundesgericht aufgehoben: Es erkannte einen Formfehler, erklärte der FCC aber, wie es die Netzneutralität korrekt verordnen könne.
Die 3 Gebote der Netzneutralität
2015 beschloss die Regulierungsbehörde schließlich die drei Gebote der Netzneutralität. Im Zentrum standen drei fundamentale Verbote für im Einzelhandel (Retail) angebotene Breitband-Internetzugänge:
- Keine Websperren für rechtmäßige Inhalte, Anwendungen, Dienste oder unschädliche Geräte.
- Keine Tempobremsen (Throttling) für "legalen Internetverkehr" auf Basis rechtmäßiger Inhalte, Anwendungen, Dienste oder unschädlicher Geräte.
- Keine Bevorzugung legalen Internetverkehrs gegenĂĽber anderem legalen Internetverkehr im Austausch gegen Zuwendungen jeglicher Art. Auch eigene Inhalte und Dienste dĂĽrfen die Breitbandanbieter nicht bevorzugen.
Illegales und Schädliches durfte also gesperrt oder gebremst werden. Und Bevorzugungen waren nicht gänzlich ausgeschlossen. So blieb beispielsweise das sogenannte Zero Rating erlaubt. Zusätzlich galt eine allgemeine Wohlverhaltensregel: "unvernünftige" (unreasonable) Eingriffe oder Benachteiligungen wurden untersagt, und zwar in die Auswahl, den Zugriff und die Nutzung legaler Inhalte, Anwendungen, Dienste oder Geräte durch Verbraucher. Auch andere Netzbetreiber (edge provider) sind geschützt: Die Breitband-ISPs durften legale Angebote von Inhalten, Anwendungen, Diensten und Geräten anderer Provider nicht in unvernünftiger Weise benachteiligen oder in diese eingreifen.
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Wieder klagten ISP gegen die Netzneutralität, doch diesmal war alles korrekt. 2016 wies ein Bundesberufungsgericht die Klage gegen die Netzneutralität ab.
Trumps Kommissare heben die Netzneutralität auf
Also setzten die Konzerne auf politische Entscheidungsträger. Nachdem Donald Trump Anfang 2017 US-Präsident wurde, änderte sich die politische Mehrheit in der FCC. Sie beschlossen Ende 2017 die Abschaffung der Netzneutralität per 11. Juni 2018, entzog sich selbst die Zuständigkeit und verbot Staaten und Kommunen, eigene Netzneutralitätsregeln zu erlassen.
Im Mai 2018 stimmte der US-Senat mit 52 zu 47 Stimmen für die Beibehaltung der Netzneutralität; dabei unterstützten auch drei republikanische Senatoren die Netzneutralität. Allerdings verhinderte der republikanische Vorsitzende des Unterhauses eine Abstimmung in dieser Kammer, womit der FCC-Beschluss zur Abschaffung der Netzneutralität bis heute Bestand hat.
Nach den Wahlen vom Herbst 2018 gab es im Unterhaus eine Demokratenmehrheit. Im April 2019 verabschiedeten 231 Demokraten und ein Republikaner gegen 190 Gegenstimmen einen Gesetzesentwurf namens "Save the Internet Act" für Netzneutralität. Diesmal gab es im Senat einen republikanischen Vorsitzenden, der die Abstimmung über den Save the Internet Act zu verhindern wusste.
Kalifornien beschließt eigene Netzneutralität, Lobbying dagegen läuft
Auf Bundesebene gibt es bis heute keine Netzneutralität in den USA. Allerdings haben einzelne Bundesstaaten Variationen von Netzneutralitätsbestimmungen erlassen. In manchen Staaten können sich nur netzneutrale ISP um staatliche Verträge oder Subventionen bewerben. Kalifornien verabschiedete 2018 ein Netzneutralitätsgesetz, dass sich sehr an den drei Geboten der Netzneutralität der FCC orientiert.
Auch dagegen schritten ISP, diesmal mit Unterstützung der Regierung Trump, zu Gericht: Sie verwiesen darauf, dass die FCC solche staatlichen Regeln untersagt hatte. Damit kamen sie aber nicht durch: Wenn die FCC nicht zuständig ist, kann sie anderen auch nichts verbieten, befand das angerufene Bundesgericht. Die Regierung Biden hat sich aus dem Verfahren zurückgezogen, die Provider ihre Klage gegen die Netzneutralität aufgegeben – nach deutlichen Niederlagen beim Bundesberufungsgericht. Damit gilt in Kalifornien die Netzneutralität. Unterdessen versuchen die Netzbetreiber durch Lobbying auf Bundesebene, einen Weg zu finden, Bundesstaaten die Netzneutralität zu verbieten.
2021 befahl US-Präsident Joe Biden den Bundesbehörden, Wettbewerb stärker zu fördern und Kartelle stärker zu bekämpfen. Die FCC ruft er dabei auf, die Netzneutralität wieder einzuführen. Befehlen kann er das nicht, weil die FCC als unabhängige Behörde gilt.
- Untersuchungsbericht des New Yorker Justizministeriums zu den gefälschten Stellungnahmen zur Netzneutralität
- Vereinbarungen des New Yorker Justizministeriusm mit LXC, Lead ID und Ifficient , Assurance No. 22-077, 22-052 und 22-085
(ds)