Gewerkschaften: Die Tech-Branche organisiert sich

Seite 3: "Fühlen uns wie digitale Sklaven"

Inhaltsverzeichnis

Im Laufe des letzten Jahres sind ihre Forderungen immer lauter geworden: Sie fordern eine bessere Bezahlung, mehr Sicherheit sowie einen Rechtsweg, wenn sie aus der App eines Unternehmens geworfen werden. Ob in Großbritannien, Südafrika, Hongkong, Kroatien oder in den USA: Überall kämpften die Beschäftigten von Fahr- und Lieferdiensten für bessere Arbeitsbedingungen. "Wir fühlen uns wie digitale Sklaven", sagte etwa ein kroatischer Uber-Fahrer.

Awaad begann 2019 für Uber zu fahren, nachdem er aus seinem vorherigen Job als leitender Angestellter entlassen worden war. "Es war wie bei Charles Dickens", stellte er schnell fest. "Das Ausmaß der Ausbeutung. Das Ausmaß der Entbehrungen. Ich konnte es nicht glauben." Die Fahrer müssten 12 bis 14 Stunden täglich unterwegs sein, um über die Runden zu kommen.

Genauso schnell wurde ihm klar, dass er nicht allein war. Im April 2019 trat er der "United Private Hire Drivers" bei, einem Zweig der "Independent Workers Union of Great Britain". Jetzt ist er gewählter Vorsitzender von etwa 900 Fahrern und hilft unter anderem, Streiks zu organisieren.

Nach seiner Erfahrung verweigern die Unternehmen oft einen offenen Dialog. Dabei hatte der Oberste UK-Gerichtshof kürzlich in einem bahnbrechenden Urteil entschieden, dass Fahrer Anspruch auf Urlaub, Renten und einen Mindestlohn haben. Mehrere Gewerkschaften sind der Meinung, dass Uber diese neuen Verpflichtungen umgangen habe. Aber auch die EU-Kommission ist nun auf das Problem aufmerksam geworden. Sie erließ im Dezember eine Richtlinie zur "Verbesserung der Arbeitsbedingungen in der Plattformarbeit". Das bedeutet: Neue Regeln werden folgen.

Und dann ist da noch das Problem der algorithmischen Diskriminierung – etwa bei der Gesichtserkennung, welche die Identität der Fahrer überprüft. Sie erkennt nicht-weiße Gesichter bekanntermaßen schlechter als weiße. In London ist die Mehrheit der Fahrer schwarz und einige wurden deshalb von den Plattformen ausgesperrt – ohne dagegen Einspruch erheben zu können. Dies war ein Hauptgrund für eine Kundgebung von rund hundert Fahrern im Oktober in London, die Awaad mitorganisiert hat. Seine Gewerkschaft kündigte dort auch eine Diskriminierungsklage wegen der Fehler der Gesichtserkennung an. "Wir erwarten eine harte Strafe für Uber, weil dies auch in anderen Ländern passiert", sagt Awaad.