Gezähmte Zeit

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Die Hoffnung der Atomuhrmacher-Zunft ruht deshalb auf den optischen Chronometern. Auf großen Tischen, direkt neben den offiziellen Produzenten der Zeit, türmen sich in Bauchs Labor bereits zwei Exemplare des neuen Uhrentyps: ein Sammelsurium aus Glaslinsen, Lasern, Kabeln und Messelektronik.

Herzstück des vermeintlichen Durcheinanders ist ein einziges positiv geladenes Teilchen (Ion), das in einer winzigen elektrischen Falle sitzt. "Das Ion dient gewissermaßen als Taktgeber", erläutert Christian Tamm, Konstrukteur der optischen Zeitmesser bei der PTB. "Genau wie die Cäsium- Atome in der Fontäne hilft es uns, den Rhythmus der Uhr einzuregeln." Und genau wie bei den Fontänen wird dieser Rhythmus von einer elektromagnetischen Strahlung getragen.

Allerdings handelt es sich diesmal nicht um Mikrowellen, sondern um sichtbares oder ultraviolettes Laserlicht. Der Vorteil lässt sich leicht einsehen: Weil das Laserlicht eine höhere Schwingfrequenz hat, können die optischen Uhren nun die Zeit wesentlich feiner unterteilen als ihre Cäsium-Konkurrenten und ticken somit präziser. "Das ist wie bei einem Meterstab", sagt Tamm. "Je feiner die Strichelung auf dem Stab, desto exakter sind Längen mit ihm messbar".

Der hektische Uhrenpuls hat aber auch einen Nachteil: Für die üblichen elektronischen Detektoren, die zum Abzählen von Mikrowellenschwingungen ausreichen, ist er zu schnell. Theodor Hänsch und seine Mitarbeiter vom Max-Planck-Institut für Quantenoptik in Garching haben sich daher ein besonderes Zählwerk für optische Uhren ausgedacht. "Früher benötigte man für so eine Anlage mehrere Laborräume und ein Dutzend Doktoranden als Betreuer", sagt Hänsch. "Heute passt die Kiste auf einen Tisch." Ihr Hauptbestandteil ist ein Laser, der extrem kurze Lichtpulse aussendet.

Der Trick dabei: Die Pulse werden fest an die Laserstrahlung gekoppelt, die den Uhrentakt angibt. "So reduzieren wir das Problem, Schwingungen auszulesen, auf das deutlich einfachere Problem, Pulse abzuzählen", erläutert Hänsch. Weiß man etwa, dass der gepulste Laser zu jeder millionsten Schwingung des "Uhren- Lasers" einen Lichtblitz aussendet, ist klar, dass nach zehn Blitzen zehn Millionen Laserschwingungen erfolgt sind. Daraus lässt sich schließlich ableiten, wie viel Zeit vergangen ist.

Welche Ionen-Sorte am besten zu Hänschs Zählwerk passt, ist vorläufig noch offen. Geeignete Kandidaten müssen auf das Licht des Uhren-Lasers reagieren, sollten aber möglichst immun sein gegen Störeffekte durch die elektromagnetischen Felder der Teilchenfalle. Die Sekundendompteure an der PTB testen zurzeit Ytterbium-Ionen auf ihre Uhrentauglichkeit, am Max-Planck-Institut für Quantenoptik setzt man auf Indium und am National Institute of Standards and Technology (NIST) in Boulder experimentieren Zeitspezialisten mit Quecksilber-Ionen. Bislang laufen alle diese Geräte bestenfalls ein paar Stunden am Stück.