Giganten in Zugzwang

Inhaltsverzeichnis

In Ländern wie Schweden und den Niederlanden sind auf bestimmten Strecken bereits deutlich größere und auch schwerere Trucks als in Deutschland unterwegs, die "EuroCombi" oder "Gigaliner". Bei einer Länge von bis zu 25,25 Metern dürfen sie ein Gesamtgewicht von bis zu 60 Tonnen haben statt der hierzulande erlaubten 40 Tonnen. Zwei dieser XXL-Laster können dieselbe Fracht befördern wie drei 40-Tonner. Allerdings gibt es auch kritische Stimmen: So befürchtet der ADAC, dass die EuroCombis die Straßen schädigen und tiefe Spurrillen in die Fahrbahndecken fräsen, die teuer wieder beseitigt werden müssten. Außerdem würden die XXL-Trucks Brücken und Tunnel belasten und die Sicherheit des Verkehrs gefährden. Und schließlich gäbe es auf den Raststätten kaum eine Parkmöglichkeit für die EuroCombis, also fänden deren Fahrer nur schwer einen Ruheplatz.

Ein weiteres Gegenargument kommt aus dem Fraunhofer-Institut für System- und Innovationsforschung in Karlsruhe: Die Wirtschaftsingenieure dort glauben, dass durch die Riesenlaster künftig noch mehr Güter von der Bahn auf die Straße verlagert würden – mit negativen Folgen für die Umwelt. Dennoch hat die schwarz-gelbe Koalition einen bundesweiten Feldversuch mit den überlangen Lkws beschlossen. Er soll Anfang 2011 beginnen und bis zu eineinhalb Jahre dauern. Allerdings ist das Höchstgewicht der 25-Meter-Trucks auf 44 Tonnen beschränkt.

Kaum bestritten dagegen ist, dass Telematik – eine Kombination aus drahtloser Datenübertragung und gewiefter Software – den Gütertransport effizienter machen kann. Das Ziel dieser intelligenten Logistik: Leerfahrten vermeiden, Standzeiten und Werkstattaufenthalte minimieren, Ladeflächen optimal ausnutzen, Kraftstoff sparen. Um das zu erreichen, muss beispielsweise ein Spediteur zu jedem Zeitpunkt möglichst viele und genaue Daten über seinen Fuhrpark zur Hand haben.

Die ersten Schritte hat die Branche bereits gemacht. So stattet MAN einen Teil seiner Laster ab Werk mit einer Telematikeinheit aus. Sie erfasst automatisch die relevanten Fahrzeugdaten, darunter Geschwindigkeit, Kraftstoffverbrauch, Fahrzeit, Schaltverhalten des Fahrers und die am Lkw hängende Last. Das Telematikmodul sendet die Daten per Mobilfunk an die Zentrale des Spediteurs, ein GPS-System verrät den augenblicklichen Standort. In der Speditionszentrale wertet eine Software die Daten des Fuhrparks aus und berechnet zeitgleich die optimale Route für die Trucks. Unter anderem berücksichtigt sie die aktuelle Stausituation und ändert die Reihenfolge der Be- und Entladungen so, dass die Fahrer dem Stau aus dem Weg gehen können. Alternativ kann das Programm zumindest bei Warenabholung entscheiden, ein anderes Fahrzeug zum Kunden zu schicken. Ferner analysiert die Leitstelle den aktuellen Beladungszustand der einzelnen Laster und versucht deren Routen so zu optimieren, dass keine überflüssigen Leerfahrten zustande kommen.

Außerdem kann die Telematik das Fahrverhalten einzelner Fahrer dokumentieren: Schaltet er frühzeitig in einen höheren Gang, wie aggressiv fährt er? "Das Fahrverhalten hat einen wesentlichen Einfluss auf den Kraftstoffverbrauch", sagt Heinz Egeler vom MAN-Partner T-Systems. "Bei Bedarf kann man einem Fahrer ein gezieltes Training anbieten, bei dem er lernt, ökonomischer zu fahren."

Bislang hat MAN rund 5000 seiner Trucks mit einem Telematikmodul ausgerüstet. "In der Flotte etwa eines Spediteurs lässt sich der Kraftstoffverbrauch um bis zu 20 Prozent senken", sagt Egeler. "Als Nächstes streben wir die Echtzeitverbindung von Fahrzeug, Transportgut und Produktion an." Dabei sollen die Computer der Spedition mit denen ihrer Kunden vernetzt werden, etwa einer Fabrik. Diese würde zum Beispiel vermelden, wann sie wie viele Vorprodukte eines Zulieferers benötigt, und die Logistiksoftware könnte darauf die Routen für die Lkw-Flotte entsprechend effizienter planen.

Eine ähnliche Richtung verfolgt das "SmartTruck"-Projekt von DHL, dem Paket- und Kurierdienst der Deutschen Post. Herzstück ist eine dynamische Tourenplanung. Zwar fertigt DHL Express die Aufträge schon seit geraumer Zeit per Computer ab. Bislang aber wird jeder Postleitzahl einfach eine feste Tour zugewiesen, unabhängig von der tatsächlichen Auslastung. "Dieses System haben wir komplett aufgeknackt", sagt DHL-Projektleiter Boris Paul. "Bei SmartTruck gibt es keine starre Zuordnung mehr." Stattdessen rechnet morgens eine Software aus, wie viele Touren und Autos benötigt werden, um alle Aufträge abwickeln zu können. Die Folge: Bei geringem Auftragsaufkommen können einige Fahrzeuge im Depot bleiben, und so manche Fahrt würde vermieden.

Dabei muss das Programm die unterschiedlichsten Randbedingungen berücksichtigen: Verkehrslage, Zeitfenster für Fußgängerzonen, Umweltzonen, die Auslieferung besonders eiliger Sendungen, im Tagesverlauf hereinkommende Abholaufträge. Eine Telematikeinheit, integriert in den Standardscanner des Paketboten, sowie ein GPS-Empfänger kommunizieren mit der Zentrale. Diese trifft quasi aus der Vogelperspektive die Entscheidungen und fahndet für jedes Fahrzeug nach der optimalen Route. Entschied bisher der Fahrer über die Reihenfolge seiner Stopps, folgt er nun dem via Navigationssystem vorgegebenen Plan des Zentralrechners. Seit April 2009 läuft in Berlin ein Versuch mit mehreren DHL-Fahrzeugen. "Die Ergebnisse haben uns positiv überrascht", sagt Paul. "Unsere Erwartungen wurden übertroffen." Konkret: SmartTruck konnte die Zahl der Tourenkilometer um bis zu 15 Prozent und die Dauer der Touren um durchschnittlich acht Prozent senken.

Alles in allem ließe sich der Lkw-Verkehr der Zukunft also deutlich effektiver gestalten: Würde man neue Antriebsverfahren und bessere Aerodynamik kombinieren mit intelligenter Telematik und schlauer Routenplanung, ließen sich Waren um bis zu 40 Prozent energieeffizienter befördern als heute. (bsc)