Großer Nachholbedarf bei Ladestationen in den USA

Damit Elektroautos Mainstream werden, braucht es genug öffentliche Infrastruktur. In Nordamerika zeigt sich, dass das nicht einfach wird.

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(Bild: Allie Sullberg)

Lesezeit: 5 Min.
Von
  • Andrew Moseman
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Derzeit gibt es in den Vereinigten Staaten von Amerika landesweit nur 6.000 schnelle öffentliche Ladestationen für Elektroautos. Einige von ihnen erlauben es, mehrere Autos gleichzeitig mit Strom zu versorgen, andere gerade einmal eines oder zwei. Der Traum der Regierung Biden, bis 2030 eine halbe Million Gleichstrom-Ladestationen zu etablieren, klingt da in weite Ferne gerückt. Doch die Absichtserklärung ist immerhin ein Anfang.

Dabei geht es auch darum, wo diese Ladestationen aufgestellt werden – und nicht nur darum, wie viele es gibt. Damit sich Elektroautos in den USA wirklich durchsetzen können, müssen die langen Wege zwischen den Ladestationen, die heute in den weniger besiedelten Gebieten Amerikas üblich sind, unbedingt überbrückt werden.

Zum Vergleich: In den USA gibt es nach aktuellen Stand rund 150.000 Tankstellen, an denen die mit fossilen Brennstoffen betriebene Fahrzeugflotte aufgetankt werden kann. Trotz des rasanten Wachstums von reinen Elektrofahrzeugen in Amerika – im Jahr 2021 wurden 400.000 davon verkauft, 2012 waren es gerade einmal 10.000 – gibt es in den USA bis heute nur 6.000 Gleichstrom-Schnellladestationen, die ein batteriebetriebenes Auto in vertretbarer Wartezeit aufladen können. Zählt man auch die langsameren Charger hinzu, kommt man auf rund 48.000 Stationen.

Ein Blick auf die amerikanische Ladekarte zeigt eine Fülle von Ladewüsten. Das erscheint auf den ersten Blick sinnhaft, da Elektroautos immer noch weniger als drei Prozent der Neuwagenverkäufe ausmachen. Doch auch in Großstädten gibt es zwar eine wachsende Zahl von Schnellladestationen, aber nicht annähernd genug, um den großen Zustrom von E-Fahrzeugen zu bewältigen.

Außerhalb der Städte sind schnelle Ladestationen entlang der Autobahnen inzwischen immerhin dicht genug aufgereiht, um Elektroautos eine sichere Durchfahrt zu ermöglichen, was man etwa Teslas Superchargern zu verdanken hat. Ansonsten gibt es im ländlichen Amerika so gut wie keine Gleichstromlader. Und E-Tankstellen haben ein bekanntes wie grundsätzliches Problem, das Tankstellen nicht haben: "Selbst die schnellste Tesla-Ladestation braucht immer noch 15 Minuten, um das Fahrzeug für ein paar hundert Meilen aufzuladen", sagt Jeremy Michalek, Professor an der Carnegie Mellon University und Leiter der "Vehicle Electrification Group" an der Uni.

Michalek meint, dass die amerikanische Ladeinfrastruktur weit hinter dem zurückbleibt, was für die Umstellung des gesamten Landes auf elektrisches Fahren erforderlich ist. Das relativ Gute daran ist, dass es noch etwas Zeit gibt, hier aufzuholen, denn nicht alle Amerikaner werden sich auf einmal für Elektroautos entscheiden. Die meisten Erstanwender waren diejenigen, die zu Hause in ihrer Garage oder auf ihrem Parkplatz eine Lademöglichkeit zur Verfügung hatten.

Diese Early Adopter wachen morgens mit einer vollen Batterie auf und sind nur dann auf öffentliche Ladestationen angewiesen, wenn sie die Stadt für eine längere Reise verlassen. Doch wenn die Verbreitung von Elektroautos im gesamten Land zunimmt, wird die derzeitige Infrastruktur nicht mehr ausreichen. Deshalb müssen die USA nach Ansicht von Michalek vorrangig die Zahl der Ladestationen an Raststätten entlang viel befahrener Straßen erhöhen, vor allem, weil immer mehr Menschen im Sommer mit Elektroautos unterwegs sind. Das gilt für die bereits gut versorgten Interstate Highways genauso wie für Landesstraßen. "Wenn die Verbreitung von Elektroautos zunimmt und wir nicht genügend Ladestationen für die Nachfragespitzen haben, werden die Wartezeiten reguläre Tankstellen nie schlagen", sagt er.

Und wenn mehr Amerikaner ein Elektroauto in Erwägung ziehen, werden fehlende Ladezonen immer häufiger auftreten. Denn es sind dann neue Zielgruppen: Mieter, die nicht die Möglichkeit haben, zu Hause ein Ladegerät zu installieren, beispielsweise. Sie werden zögern, ein Elektroauto zu fahren, bis sie sicher sein können, dass eine öffentliche Steckdose zur Verfügung steht, wenn sie sie brauchen. Und da immer mehr Haushalte ausschließlich mit Elektrofahrzeugen fahren möchten, wird es von entscheidender Bedeutung sein, dass die Menschen alle Orte erreichen können, die sie erreichen müssen (und wollen).

Das im November 2021 verabschiedete Infrastrukturgesetz sieht 7,5 Milliarden US-Dollar für Präsident Bidens Ziel vor, landesweit 500.000 Ladepunkte (Lademöglichkeiten, nicht einzelne Stationen) zu errichten. Im besten Fall stellt sich Michalek eine öffentlich-private Zusammenarbeit vor, um ein robustes nationales Ladenetz aufzubauen.

Die Regierung Biden hat zugesagt, in ländlichen Gebieten Charger zu installieren, während Unternehmen, die Ladestationen in ganz Amerika errichten, einen starken Anreiz haben werden, die größten Städte und beliebtesten Straßen des Landes zu versorgen. Schließlich stellen Unternehmen wie Electrify America, EVgo und ChargePoint ihren Kunden die verbrauchte Kilowattstunde in Rechnung, ähnlich wie Versorgungsunternehmen – da ist Geld drin.

Neue Elektrofahrzeuge versprechen rund 400 Kilometer mit einer vollen Ladung – diese Reichweite dürfte weiter steigen. Je weiter die Autos ohne Aufladung fahren, desto weniger furchtsame Fahrer werden in Warteschlangen feststecken, bis ein Ladeplatz frei wird. Aber täuschen wir uns nicht, warnt Michalek: Ein Land der Elektroautos braucht eine Fülle von Lademöglichkeiten – und zwar sehr, sehr bald.

(bsc)