Halbleiter: Wie Siliziumkarbid einen Boost bekommt

Seite 2: "Siliziumkarbid ermöglicht mehr Reichweite"

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Auch bei Fahrzeugen können SiC-Umrichter Energie sparen. Tesla gilt mit dem Model 3 als Pionier. "Siliziumkarbid ermöglicht mehr Reichweite, leichtere Akkus, schnelleres Laden", schwärmt Peter Friedrichs, der sich beim Chiphersteller Infineon seit rund 20 Jahren mit Siliziumkarbid beschäftigt. Jetzt ziehen weitere Hersteller nach. "Für unsere kommende batterieelektrische Kompaktwagen-Generation setzen wir auf ein 800-Volt-Bordnetz und SiC-Leistungselektronik", sagt ein Sprecher von Mercedes-Benz.

SiC-Chips sind so gefragt, dass die Hersteller bis weit ins nächste Jahr ausgebucht sind und ihre Kapazitäten erweitern. Neben Infineon zählen Bosch, STMicroelectronics und das US-Unternehmen Wolfspeed dazu. Wolfspeed und der Autozulieferer ZF wollen nun sogar gemeinsam ein Werk zur Produktion von SiC-Halbleitern auf 200 mm großen Wafern aufbauen. Entstehen soll es in Ensdorf im Saarland.

Im 600 Milliarden Dollar schweren Halbleitermarkt ist SiC mit rund einer Milliarde Dollar Jahresumsatz zwar noch eine Nische, aber eine mit Potenzial: Bis 2027 soll der Markt auf 6,3 Milliarden Dollar wachsen, prognostiziert die Beratungsagentur Yole.

Allerdings ist die Herstellung der SiC-Bauteile hochkomplex. SiC kommt zwar in der Natur als Karborund vor, ist aber zu unrein. Also müssen die Kristalle, genau wie bei Silizium, gezüchtet werden. Während Siliziumkristalle bei etwa 1500 Grad binnen zwei Tagen auf einen Meter Länge wachsen, braucht Siliziumkarbid bei 2400 Grad bis zu zwei Wochen für einen höchstens zehn Zentimeter langen Rohkristall, Puck genannt. Im nächsten Schritt wird dieser Puck mit feinen Diamantseilen in hauchdünne Wafer geschnitten. "Beim Sägen und Schleifen geht rund die Hälfte des Materials verloren", so Infineon-Ingenieur Friedrichs.

Doch die Lösung ist in Sicht: Infineon arbeitet mit einer Trenntechnologie namens "Cold Split". Ein Laser erzeugt eine "Defektschicht", auf die ein Polymer aufgetragen wird. Wird das Ganze abgekühlt, dehnen sich Halbleiter und das damit verbundene Polymer unterschiedlich aus. Das verursacht eine mechanische Spannung, die zur Abspaltung eines Wafers führt. Das Verfahren gibt es schon länger, aber kommerziell attraktiv wurde es erst durch Siliziumkarbid.

"Bei den Leistungshalbleitern sind die Europäer weltweit führend", sagt Sven Baumann vom Verband der Elektro- und Digitalindustrie (ZVEI). Damit das so bleibt, arbeiten 34 Unternehmen, Universitäten und Forschungseinrichtungen aus sieben europäischen Staaten im Projekt "Trusted European SiC Value Chain for a greener Economy" an resilienten Lieferketten. Die EU unterstützt das Vorhaben mit 89 Millionen Euro.

Und SiC ist noch nicht der letzte Trumpf der Halbleiterbranche. Forscher arbeiten bereits an einem neuen Wundermaterial: Galliumnitrid (GaN). Es ermöglicht noch höhere Schaltgeschwindigkeiten als SiC. GaN-Wafer lassen sich zudem einfacher und günstiger herstellen. "Das Potenzial von Galliumnitrid ist noch größer als von Siliziumkarbid", sagt ISE-Forscher Reichert. Für hohe Leistungen sei GaN aber noch im Forschungsstadium.

(grh)