Zwang ins Büro: Warum ein Homeoffice-Forscher das für eine semigute Idee hält

Seite 2: Kein Unterschied bei der Produktivität

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Also ist das offenbar kein großer Unterschied. Gleichzeitig sind Arbeitnehmer, die zwangsweise ins Büro zurückgerufen werden, oft frustriert. Warum ist das so?

Dafür gibt es mehrere Gründe. Erstens signalisiert das Mandat, wie ich bereits erwähnt habe, einen Mangel an Vertrauen seitens der Unternehmensleitung. Das schadet der Arbeitsmoral.

Zweitens haben die Mitarbeiter während der Pandemie gelernt, dass sie auch von zu Hause aus produktiv arbeiten können. Außerdem konnten sie sich den oft langen und anstrengenden Arbeitsweg sparen, wenn sie von zu Hause aus arbeiten dürfen. Das hat viele Vorteile. Die Vermeidung des Pendelns ermöglicht den Mitarbeitern eine bessere Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben.

Drittens haben viele Arbeitnehmer Anpassungen im Rahmen ihres Familienlebens vorgenommen, weil sie eben davon ausgingen, dass sie von zu Hause aus arbeiten können. Ein Zwang zurück ins Büro ändert all diese Annahmen und verändert das Leben der Menschen grundlegend.

Es gibt das Klischee, dass die Abwesenheit vom Büro die Karrierechancen einschränkt, obwohl wir über digitale Werkzeuge ja eigentlich ständig miteinander in Kontakt sind.

Das entspricht durchaus der Praxis. Der Computerkonzern Dell zum Beispiel hat seinen Mitarbeitern ausdrücklich mitgeteilt, dass sie nicht befördert würden, wenn sie nicht ins Büro gehen. Dennoch entscheiden sich 50 Prozent der Dell-Mitarbeiter dafür, von zu Hause aus zu arbeiten.

Wie werden diese Menschen reagieren, wenn sie dauerhaft ins Büro zurückgerufen werden? Gehen sie den Unternehmen dann verloren?

Ich denke schon, dass viele Menschen sich dann nach neuen Arbeitsplätzen umsehen werden. Diejenigen, die bleiben oder noch keinen neuen Job gefunden haben, werden gleichzeitig weniger motiviert bei der Arbeit sein.

Die meisten Menschen scheinen gerne von zu Hause aus zu arbeiten, auch wenn dies auf Kosten der Privatsphäre und manchmal auch der Konzentration geht, vor allem, wenn die Familie mit dabei ist. Warum ist das Homeoffice so beliebt?

Es sind die Dinge, die ich bereits erwähnt habe – die Vermeidung langer Pendelwege und eine bessere Work-Life-Balance, die sich dadurch ergibt. Das trägt außerdem dazu bei, Burn-out zu vermeiden.

Sind Menschen, die von zu Hause aus arbeiten, produktiver? Oder diejenigen, die im Büro sitzen?

Die Forschung zeigt, dass es dabei eigentlich keinen Unterschied gibt.

Wir leben in einer Welt der Großraumbüros, in der die Menschen dazu neigen, Kopfhörer zu tragen, um sich konzentrieren zu können. Das war früher nicht so. Das ist dann fast genauso isolierend wie die Arbeit im Homeoffice, oder?

Ja, die Arbeit mit vielen anderen Menschen kann zu vielen Ablenkungen führen – von der Büropolitik ganz abgesehen. Es stimmt also: Die Arbeit von zu Hause aus kann den Mitarbeitern helfen, sich besser auf ihre Aufgaben zu konzentrieren.

Es gibt dieses Argument der "Serendipity" – also jene glücklichen Zufälle, wenn sich Menschen auf dem Flur oder im Aufzug begegnen, die die Firma dann weiter bringen. Ist da etwas dran?

Persönliche Interaktionen sind definitiv von Vorteil. Ich empfehle daher, das Team einfach selbst entscheiden zu lassen, an wie vielen Tagen in der Woche es im Büro arbeiten will.

An diesen Tagen gehen die Leute dann alle gemeinsam an den Firmensitz oder zumindest in ein externes Büro und halten persönliche Besprechungen ab. Und an den anderen Tagen entscheidet jeder für sich, wo er arbeiten möchte. (bsc)