Illegale Inhalte im Netz: Das NetzDG und die "Kooperation" der Plattformen

Neue Regelungen sind umstritten, Plattformen wehren sich – daher lohnt sich ein Blick darauf, was mit dem NetzDG erreicht wurde, was neu ist und wo es hapert.

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(Bild: Wachiwit/Shutterstock.com)

Lesezeit: 10 Min.
Von
  • Dr. Jonas Kahl
  • Franziskus Horn
Inhaltsverzeichnis

Seit 2017 sehen sich soziale Netzwerke mit dem Netzwerkdurchsetzungsgesetz (NetzDG) konfrontiert. Kern des Gesetzes ist: Bestimmte rechtswidrige Inhalte müssen gesperrt oder gelöscht werden. Nutzern ist ein entsprechendes Beschwerdeformular vorzuhalten. Zuletzt wurden diese Regelungen im Sommer 2021 ergänzt. Von den Netzwerken mussten ein neues Gegenvorstellungsverfahren, nutzerfreundlichere Meldewege und Schlichtungsstellen eingerichtet werden.

Aktuell erregt nun § 3a NetzDG mediales Aufsehen, der am 01.02.2022 in Kraft trat. Die Norm verpflichtet soziale Netzwerke, bestimmte Nutzerinformationen an das Bundeskriminalamt (BKA) zu übermitteln. Die Netzwerke weigern sich bislang aber dem nachzukommen, stattdessen klagen sie jetzt dagegen.

Der Konflikt rührt daher, dass mit § 3a NetzDG der Bogen nun weiter gespannt wird: Ursprünglich sollten Netzwerke rechtswidrige Inhalte nur löschen. Jetzt sollen sie auch die Strafverfolgung ermöglichen. Das ist auch insoweit ein Novum, als es bislang keine allgemeine Pflicht gab, bereits beendete Straftaten anzuzeigen.

Die Meldepflicht ist aber enger gefasst als die Löschpflicht. Es geht um Inhalte, die mittels einer NetzDG-Beschwerde an das Netzwerk gemeldet worden sind und die das Netzwerk gesperrt oder gelöscht hat. Außerdem müssen bei den Inhalten "konkrete Anhaltspunkte" dafür vorliegen, dass bestimmte, abschließend aufgezählte Straftatbestände erfüllt sind. So greift die Meldepflicht unter anderem bei Volksverhetzung und Kinderpornografie, nicht aber bei Beleidigungsdelikten.

Sind diese Voraussetzungen erfüllt, müssen Netzwerke die Inhalte samt Informationen über den veröffentlichenden Nutzer, wie dessen IP-Adresse, an das BKA übermitteln. Dafür stellt das BKA eine Schnittstelle zur Verfügung.


Die Autoren:

Dr. Jonas Kahl, LL.M. ist Rechtsanwalt und Fachanwalt für Urheber- und Medienrecht in der Kanzlei Spirit Legal in Leipzig. Er befasst sich regelmäßig mit Fragen der Meinungsfreiheit und des Social-Media-Rechts.

Franziskus Horn ist wissenschaftlicher Mitarbeiter in der Kanzlei Spirit Legal.


Anschließend soll das BKA ermitteln, welche Behörde für die Gefahrenabwehr- und Strafverfolgung zuständig ist und die Informationen entsprechend weiterleiten. Anhand der übermittelten Daten und insbesondere der IP-Adresse sollen weitere Bestandsdaten ermittelt werden können. Gegen Netzwerke, die ein entsprechendes Verfahren nicht oder nicht richtig vorsehen, können Bußgelder verhängt werden.

Vor Einführung der neuen Meldepflicht haben die Plattformen weitestgehend kooperiert: Zustellungsbevollmächtigte in Deutschland wurden ernannt. Lösch- und Meldeverfahren wurden eingerichtet. Die Zahl der NetzDG-Sperren blieb jedoch wohl unter den Erwartungen, weil Netzwerke in erster Linie nach ihren Nutzungsbedingungen sperren. Diese eigenen Hausregeln sind restriktiver und konnten relativ unproblematisch umgesetzt werden – jedenfalls bis vergangenen Sommer der Bundesgerichtshof (BGH) Verfahrensregeln für dieses Vorgehen etablierte.

Mit der Meldepflicht endet nun die unwidersprochene Kooperation. Unternehmen wie YouTube, Meta (Facebook) und TikTok klagen gegen das NetzDG. In welchem Umfang ist noch nicht klar. Die Klageschriften sind bislang nicht veröffentlicht worden. Zudem sollen sich keine der großen Plattformen an die Schnittstelle des BKA angebunden haben. Das Bundesjustizministerium kündigt an, die Anwendung von § 3a NetzDG vorerst nicht erzwingen zu wollen.

Im Kern dürfte es darum gehen, ob Regelungen des NetzDG verfassungs- bzw. europarechtswidrig sind. Dies wurde in der Vergangenheit immer wieder bezweifelt, eine gerichtliche Entscheidung dazu erging jedoch nicht. Auch die Plattformen hatten bisher keine forciert.

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