Emissionen der Luftfahrt: Wie die Netto-Null erreicht werden kann

Dass Flugreisen eines Tages klimafreundlich werden, scheint möglich. Doch es ist eher unwahrscheinlich, dass es mit der nötigen Schnelligkeit passiert.

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(Bild: aapsky/Shutterstock.com)

Lesezeit: 6 Min.
Von
  • Hanns-J. Neubert
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Der Flugverkehr lässt sich wie auch die Schifffahrt besonders schwer auf Klimaneutralität umstellen. Alle Versprechungen, seine Emissionen auf die Pariser Klimaziele auszurichten, reichen bei weitem nicht aus. Vor einem Jahr prangerte der Weltklimarat IPCC in seinem sechsten Sachstandsbericht dies deutlich an. Es werde darauf ankommen, Langstreckenflüge zu vermeiden und Kurzstreckenflüge durch den Ausbau des Zugverkehrs überflüssig zu machen. Allein damit ließen sich bis zu 40 Prozent der Flugemissionen vermeiden.

Forscher aus den USA und Deutschland um Candelaria Bergero von der Abteilung für Erdsystemwissenschaften der Universität von Kalifornien nahmen sich jetzt der Sache genauer an und untersuchten, wie es gelingen könnte, die Flugemissionen bis 2050 auf Netto-Null zu drücken.

Immerhin sind Flugzeuge für 3,1 Prozent der weltweiten Äquivalente von CO2-Emissionen (CO2äq) verantwortlich, also aller klimawirksamen Effekte, die durch die Verbrennung von fossilem Kerosin entstehen. Denn neben dem CO2 lassen sich zwei Drittel dieser Effekte auf Rußpartikel, Stickoxide und Wasserdampf aus den Düsen zurückführen.

Aber allein zwischen 2010 und 2019 nahm der Flugverkehr in jedem Jahr um etwa drei Prozent zu. Nach der Pause durch die Corona-Beschränkungen dürfte sich das Wachstum wieder unvermindert fortsetzen, worauf fast alle Prognosen hindeuten.

Allein durch weniger Flüge, so die Bilanz der Wissenschaftler, ließen sich 61 Prozent der Emissionen einsparen, durch eine bessere Effizienz der Flugzeuge zusätzlich noch einmal 27 Prozent, verglichen mit Szenarien heutiger Flugzeugnutzung.

Dass weniger Flüge möglich sind, bewies sich während der Corona-Pandemie, als die Personenbeförderung mit Flugzeugen um 65 Prozent einbrachen, die Weltwirtschaft aber dennoch nicht kollabierte.

Auch die Energieeffizienz der Flugzeuge scheint noch nicht ausgereizt. Sie stieg seit 1970 zwar um rund ein Prozent pro Jahr, könnte aber deutlich schneller steigen, wie die Forscher herausfanden. Größter Bremsklotz ist jedoch, dass die Maschinen bis zu 25 Jahre fliegen müssen, bevor sie sich betriebswirtschaftlich amortisieren und durch modernere, effizientere Flugzeuge ersetzt werden können.

Die Forscher analysierten Daten aus zahlreichen Quellen, um abwägen zu können, wie sich Flugaufkommen, Energieverbrauch und CO2äq-Ausstoß künftig entwickeln könnten. Darüber hinaus analysierten sie das Potenzial alternativer nicht-fossiler Treibstoffe, um das fossile Kerosin zu ersetzen. Da sie davon ausgingen, dass sich nicht alle Klimawirkungen von Flügen verhindern ließen, berechneten sie auch, wie viele der nicht vermeidbaren Emissionen sich durch negative Emissionstechnologien (Carbon Dioxide Removal CDR) kompensieren lassen könnten.

Das Ergebnis: Weniger fliegen, kürzere Strecken fliegen, effizientere Flugzeuge bauen, die mit alternativen Treibstoffen fliegen. Nur so könne letztlich nur ein Rest von höchstens 3,4 Gigatonnen CO2äq pro Jahr übrig bleiben, der aktiv aus der Atmosphäre entfernt werden müsse.

Immerhin begannen einige Fluggesellschaften in den letzten Jahren dem fossilen Kerosin bereits biobasierten Düsenkraftstoff beizumischen. Allein die Akzeptanz hält sich in Grenzen, denn die Kosten sind einfach noch zu hoch. 2019 wurden weniger als ein Prozent Biokerosin produziert.

Selbst wenn zunehmend mehr Biokraftstoff oder auch die so genannten E-Fuels aus Luft-CO2 und erneuerbarer Energie in die Tanks kommen, würde es schlussendlich unumgänglich sein, große Mengen an CO2äq aktiv aus der Atmosphäre zu entfernen, um nicht nur die verbleibenden 12 Prozent CO2, sondern auch Nicht-CO2-Effekte zu kompensieren, wie Kondensstreifen (sie tragen etwa zur Wolkenbildung bei) oder Stickoxide. Davon geht auch das Umweltbundesamt aus, das 2019 ein umfassendes Konzept zur umweltschonenden Gestaltung des Luftverkehrs erstellt und mit Maßnahmen hinterlegt hatte.

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Immerhin gehen die Forscher, wie auch die Internationale Energieagentur IEA davon aus, dass bis 2050 etwa 75 Prozent der Flugtreibstoffe nachhaltig sein könnten. Außerdem könnten Wasserstoff- oder batterieelektrischen Flugzeuge die Kurzstrecken bedienen.

Anthony Patt vom Departement Umweltsystemwissenschaften der Eidgenössische Technische Hochschule Zürich sieht die Studie jedoch kritisch. Die Autoren würden davon ausgehen, dass nachhaltige Flugtreibstoffe die gleichen Nicht-CO2-Effekte haben wie fossile. "Jüngste Arbeiten deuten aber darauf hin, dass es möglich sein könnte, viele der Nicht-CO2-Effekte zu einem sehr großen Teil – möglicherweise bis zu 90 Prozent – zu reduzieren, indem die Flugrouten unter Berücksichtigung der atmosphärischen Bedingungen und der Zirruswolkenbildung festgelegt werden", sagte er in einem Statement gegenüber dem Science Media Center Deutschland.

Stefan Gössling von den Universitäten Lund und Kalmar in Schweden findet die Studienergebnisse viel zu hypothetisch. Sie lägen zu weit in der Zukunft, zumal es ja nicht einmal eine funktionierende Wasserstofftechnologie gebe. Er betont, dass Lösungen nötig sind, die genau jetzt die Emissionen reduzieren. Dazu brauche es den entsprechenden politischen Druck, sie auch einzuführen. Außerdem seien für all die Vorschläge ganz neue Infrastrukturen nötig. "Der Fokus liegt zu sehr auf der Entnahme von CO2 aus der Atmosphäre – das ist teuer und technisch äußerst unsicher. Diese Vorschläge verschieben die Lösung in die Zukunft – ohne dass wir wissen, ob es diese Lösungen geben wird", sagte er.

Wie die Studienautoren geht auch Jakob Graichen vom Öko-Institut in Berlin davon aus, dass ohne striktere Regulierung das globale Luftverkehrsaufkommen weiterhin kontinuierlich steigen werde. Er fordert ein Ende der Subventionen des Luftverkehrs: "Insbesondere die Befreiung von der Kerosinsteuer und Mehrwertsteuer auf internationalen Strecken würde sofort die Emissionen senken. Auch eine Verknappung von Slots an Flughäfen, zum Beispiel durch Nachtflugverbote, die diesen Namen wirklich verdienen, würde den Luftverkehr reduzieren."

(jle)