Kommentar: Renaturierung vs. CCS - schützt das Moor für eine bessere Klimabilanz!

Die Idee, Kohlendioxid mit großen Anlagen aus Abgasen zu fischen und einzulagern, hat gerade wieder Konjunktur. Dabei gibt es eine ganz natürliche Lösung.

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Kommentar:

Torfabbau im Venner Moor.

(Bild: Wikipedia / Basotxerri / cc by-sa 4.0)

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Dem Klimakabinett steht das Kohlendioxid offenbar bis zum Hals. Nur so ist es zu erklären, dass es jetzt eine Idee wieder hervorkramt, die politisch schon seit mindestens zehn Jahren tot ist: Carbon Capture and Storage (CCS), zu deutsch: Abscheidung und Speicherung von Kohlendioxid. Umweltministerin Svenja Schulze und Kanzlerin Angela Merkel glauben, nur so könne man den CO2-Anstieg in der Atmosphäre begrenzen.

Ein Kommentar von Gregor Honsel

Gregor Honsel ist seit 2006 TR-Redakteur. Er glaubt, dass viele komplexe Probleme einfache, leichtverständliche, aber falsche Lösungen haben.


Beim CCS wird Kohlendioxid typischerweise aus der Luft oder dem Abgas eines fossilen Kraftwerks gewaschen und in unterirdische Kavernen gepresst. Die Technik dafür existiert, allerdings hat sich RWE bereits 2009 aus entsprechenden Projekten zurückgezogen. Vattenfall folgte zwei Jahre später.

TR 7/2019

Technology Review Juli 2019

(Bild: 

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Kritiker halten CO2-Speicher für geologische Zeitbomben. Das mag etwas übertrieben sein – bei Erdgas funktioniert das Prinzip ja auch. Ein gravierenderer Einwand ist aber die Energiebilanz: Etwa ein Viertel des Stroms, den ein fossiles Kraftwerk produziert, geht für die CO2-Wäsche drauf – ohne Transport und Verpressung. Will man das CO2 nicht aus dem Kraftwerk, sondern aus der Atmosphäre holen, wird die Bilanz noch schlechter.

Warum die Idee trotzdem nicht totzukriegen ist? Offenbar, weil sie verheißt, dass sich niemand umstellen oder einschränken muss – die Ingenieure werden sich schon was einfallen lassen. Und wahrscheinlich auch, weil großindustrielle Technik involviert ist. So etwas gefällt der Bundesregierung.

Dabei gäbe es eine viel einfachere und elegantere Lösung: der Schutz beziehungsweise das Wiedervernässen von Mooren. Laut WWF speichert ein Hektar Moor so viel Kohlenstoff wie vier Hektar Regenwald. Wird es trockengelegt, entweichen die Treibhausgase wieder – laut Bundesumweltministerium (BMU) allein in Deutschland rund 45 Millionen Tonnen im Jahr. Das entspricht rund fünf Prozent der gesamten CO2-Emissionen.

Hierzulande ist der Torfabbau nur auf Flächen erlaubt, die bereits vor vielen Jahren trockengelegt wurden. Neue Abbaulizenzen werden nicht mehr vergeben, so das BMU. Aber im Baltikum droht noch vielen Hektar der Abbau.

Solche Flächen zu renaturieren kostet natürlich. Der Staat muss etwa Flächen pachten, Landwirten einen Ausgleich zahlen, es sind Bäume zu roden und Gräben zuzuschütten. Die Fragen sind also: Kostet das mehr als die aufwendige CCS-Technologie? Und wäre es einfacher durchzusetzen?

"Eine verstärkte Einbindung des Moorbodenschutzes in die Klimaschutzprogramme ist aufgrund des günstigen Kosten-Nutzen-Verhältnisses von besonderer Relevanz", heißt es in der Studie "Naturkapital und Klimapolitik" des Helmholtz-Zentrums für Umweltforschung von 2015.

Wie hoch die Vermeidungskosten für eine Tonne CO2 tatsächlich sind, hängt stark von den örtlichen Begebenheiten ab und ist entsprechend schwer zu berechnen. Eine Orientierung geben die "MoorFutures": Zertifikate, mit denen Bürger oder Organisationen freiwillig ihren CO2-Ausstoß kompensieren können. Sie reichen von 40 Euro pro Tonne in Mecklenburg-Vorpommern bis 80 Euro in Brandenburg. Das ist zwar mehr als ein entsprechendes EU-Emissionszertifikat (rund 25 Euro pro Tonne), aber weitaus weniger als die 180 Euro, auf die das Umweltbundesamt kürzlich dieKlimaschäden jeder Tonne CO2 geschätzt hat.

Zum Vergleich: Für das Auswaschen einer Tonne Kohlendioxid aus der Atmosphäre rechnen extrem optimistische Experten mit Kosten von 30 bis 50 Dollar, andere gehen eher von 100 Dollar aus. Für das Abfangen direkt aus dem Schornstein soll ein neues Verfahren der TU Darmstadt 20 bis 27 Euro pro Tonne kosten – jeweils ohne Speicherung, wohlgemerkt. Die gesamten Kosten bezifferte das Global CCS Institute 2011 auf 23 bis 92 Dollar pro Tonne.

Preislich liegen also CCS und die Renaturierung von Mooren in etwa auf Augenhöhe. Wie sieht es mit den nötigen Mengen aus? "Selbst die ambitionierten Klimaschutzpfade des Umweltbundesamts gehen davon aus, dass 2050 noch 60 Millionen Tonnen Treibhausgase verbleiben", sagte Oliver Geden, Leiter der Forschungsgruppe EU/Europa, in einem "Spiegel"-Interview. "Mit natürlichen Senken speichern wir im Moment aber netto nur 15 Millionen Tonnen CO2 pro Jahr. Wie viele Treibhausgase Böden und Biomasse darüber hinaus aufnehmen können, wurde für Deutschland bisher nicht umfassend modelliert. Ich bezweifle, dass es genügend Flächen dafür gibt." Deshalb plädiert er für CCS.

Die Helmholtz-Studie hält dagegen: "Für Deutschland wurde ein maximales Reduktionspotenzial durch Wiedervernässung kohlenstoffreicher Böden in der Größenordnung von 5 bis 35 Millionen Tonnen CO2-Äquivalente pro Jahr abgeschätzt." Das wäre im Idealfall immerhin schon mehr als die Hälfte der verbliebenen 60 Millionen. Einen weiteren großen Teil, vielleicht sogar den gesamten Rest, könnten die Flächen im Baltikum binden. Regelungen dafür lassen sich bestimmt finden, beide Regionen sind schließlich Teil der EU.

Moore sind die denkbar niedrigst hängenden Früchte, um die Klimabilanz zu verbessern. Dazu haben sie positive Auswirkungen auf Artenvielfalt und Wasserhaushalt; die Akzeptanz bei der Bevölkerung dürfte kein Problem sein. All das lässt sich von CCS nicht behaupten. Lediglich die Gärtner müssen sich nach einer Alternative zum Torf umsehen. (jle)