Interview: Krebsregister als Vorreiter im Gesundheitsdatenraum
Onkologische Patientenakten und Tumorkonferenzen: Hier erprobte Verfahren zum Datenaustausch können als Blaupause im kommenden Gesundheitsdatenraum dienen.
Im Gespräch mit heise online berichten Antje Swietlik, Geschäftsführerin des Instituts für digitale Gesundheitsdaten und dessen Chief Information Officer Philipp Kachel darüber, wie Gesundheitsdaten in medizinischen Registern so ausgewertet werden können, dass sie Behandlungsverläufe verbessern.
Das Institut für digitale Gesundheitsdaten in Mainz setzt mit Modellprojekten Impulse auf Bundesebene. Die gemeinnützige Einrichtung ging 2023 aus dem Krebsregister Rheinland-Pfalz hervor. Diesen Wandel hatte die SPD-Landespolitik in den vergangenen Jahren über eine wissenschaftsfokussierte Gesundheitspolitik vorangetrieben. Das Bundesland hatte bis 2021 in der Gesundheitsministerkonferenz von Bund und Ländern die Sprecherfunktion zum Thema Krebsregister. Auf Betreiben von Rheinland-Pfalz wurde bereits 1997 deutschlandweit auch das Kinderkrebsregister auf den Weg gebracht.
heise online: Im März hat sich das Krebsregister Rheinland-Pfalz umbenannt in das Institut für digitale Gesundheitsdaten. Was steckt hinter der Namensänderung?
Antje Swietlik: Wir machen mehr als nur das Krebsregister, das wir natürlich weiterführen. Im Zuge der Corona-Pandemie kam die Impfdokumentation hinzu. Im Geschäftsbereich Impfdokumentation RLP übernehmen wir, über das Thema Impfen hinaus, auch noch weitere Projekte aus dem Bereich des öffentlichen Gesundheitsdienstes in enger Kooperation mit der Landesregierung und planen auch weitere medizinische Register zu führen und diese teilweise auch mit bundesweitem Zuschnitt und Beratung anzubieten. Wichtig ist, dass wir als unabhängige gGmbH weiterhin gemeinnützig arbeiten.
Inwieweit nimmt das Institut eine bundesweite Vorreiterrolle ein?
Antje Swietlik: Wir haben uns schon sehr früh mit Digitalisierung und Automatisierung befasst. Somit konnten wir als erstes der 15 Landeskrebsregister die Förderkriterien erreicht, die von den gesetzlichen Krankenkassen als Förderungsvoraussetzung aufgestellt wurden. Wir sind das einzige Krebsregister, das mit ISO 9001- und 27001-Zertifizierungen in den Bereichen Qualitätsmanagement und IT-Sicherheit vorweisen kann – im Zuge dessen lassen wir auch regelmäßig Penetrationstests durchführen.
Das Institut für digitale Gesundheitsdaten gGmbH entstand 2023 aus der 2015 gegründeten Krebsregister Rheinland-Pfalz gGmbH und beschäftigt 103 Mitarbeiter.
- In einem Geschäftsbereich betreibt das Institut das gesetzlich vorgeschriebene klinisch-epidemiologische Krebsregister, das flächendeckend stationäre und ambulante Patientendaten zu Tumorerkrankungen erfasst. Basis ist das Landeskrebsregister-Gesetz von 2016. Der zweite Geschäftsbereich Impfdokumentation RLP unterstützt die Arbeit des Public-Health-Sektors durch Prozesse und Systeme der effizienten Digitalisierung, Übermittlung und Auswertung von Daten.
- Jedes Jahr erhält das Landeskrebsregister 450.000 Krebsmeldungen. Von den 4,2 Mio. Einwohnern in Rheinland-Pfalz erkranken jedes Jahr 28.000 Menschen neu an Krebs.
- 2020 wurde das Krebsregister mit der Gestaltung der IT-Prozesse im Rahmen der Covid-19-Impfkampagne beauftragt, womit ein zweiter Geschäftsbereich entstand.
- Weitere neue Geschäftsbereiche wie etwa das Führen medizinischer Register sollen erschlossen werden.
Wo wollen Sie kĂĽnftig Arbeitsschwerpunkte setzen?
Ein großes Anliegen ist das Thema Datenpoolung über Landesgrenzen hinweg. Hier geht es um Kooperation, nicht um Konkurrenz. Wir müssen uns beispielsweise darum kümmern, weil wir auch für KI-gestützte Auswertungen große Datenmengen brauchen. Hier wollen wir zu weiteren Erkrankungen eng mit anderen Bundesländern zusammenarbeiten. Für seltene Erkrankungen etwa ist eine Datenpoolung unglaublich wichtig, um etwa Evidenzlücken schließen zu können.
Philipp Kachel: Wir können mit Ideen, Projekten und mit Kooperationen mit dem Deutschen Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz DFKI aus Kaiserslautern unsere gesetzlichen Rahmenbedingungen nutzen, um solche Themen voranzubringen. Das ist vielleicht in anderen Bundesländern noch nicht möglich. Man erlebt dann auch einen Aha-Effekt bei den Projektpartnern.