LNG und grüner Wasserstoff: Warum der Notfallplan eine große Zukunftschance ist

Seite 2: So viel kostet das Gas in Zukunft

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Das eine ist die Versorgungssicherheit – das andere die Bezahlbarkeit von Energie: Was macht LNG mit dem Preisniveau? Werden die Preise für die Verbraucher künftig dauerhaft so hoch bleiben, weil LNG auch technikbedingt eine teurere Importtechnik ist? Oder gibt es mit Blick auf grünen Wasserstoff die Chance, dass die Preise wieder sinken?

Das fossile Gas wird – gerade wenn es keinen Bezug zu Russland mehr gibt und sehr viel über die Lieferkette LNG gemacht wird – teurer sein, als es früher war. Jetzt haben wir gerade eine Preisentwicklung, in der sogar fast das Siebenfache am Spotmarkt verlangt wird. Das ist eine völlig unnatürliche Entwicklung, hat nichts mit den Kosten zu tun und liegt weit über dem, was LNG-Gas normalerweise kostet. Ich gehe aber davon aus, dass das fossile Gas in Zukunft trotzdem auf einem höheren preislichen Niveau liegen wird, als es in der Vergangenheit der Fall war – das Thema CO₂-Preis kommt ja noch dazu. Das eröffnet allerdings eine Chance, wenn man sich ansieht, unter welchen Bedingungen man mit dem Bau kluger Strukturen an den richtigen Stellen der Welt grünes Gas herstellen kann. In sonnenreichen Ländern kann für unter 1 Cent pro Kilowattstunde grüner Strom mit Photovoltaikanlagen erzeugt werden. Selbst mit einem Wirkungsgrad von 50 Prozent kostet die Herstellung von Wasserstoff unter diesen Bedingungen 2 Cent. Wenn der Wasserstoff dann noch methanisiert und zum Transport vorbereitet wird, sind wir vielleicht bei 4 oder 5 Cent. Und dann sind wir bei einem Preis, der deutlich unterhalb dessen liegt, was wir nicht nur heute, sondern schon seit längerer Zeit für fossile Energie bezahlen. So ähnlich erleben wir es heute schon bei Strom aus erneuerbaren Energien. Das war vor wenigen Jahren noch undenkbar.

Wir kommen in Deutschland aus einer Situation großer Abhängigkeit von einem Lieferanten. Schaffen wir mit LNG nicht neue Abhängigkeiten?

Ich halte das für eine ganz entscheidende Grundlage all der Dinge, die wir jetzt machen, dass wir aus der 50-Prozent-Gasabhängigkeit von Russland nicht in die nächste Abhängigkeit von einem anderen Staat kommen. Der Vorteil einer Pipelineverbindung war: Sie ist unglaublich günstig. Der Nachteil ist: Wenn auf der einen Seite nichts mehr kommt, kann auf der anderen Seite auch nichts mehr ankommen. Das LNG-Terminal liefert uns die Möglichkeit, aus vielen Teilen dieser Welt Gas zu beziehen. Wir werden also allein von der Infrastruktur her unabhängiger, denn die Schiffe können das Gas genauso aus Australien holen wie aus Amerika oder dem Nahen Osten. Das noch Spannendere ist aber dabei: Wir sprechen dann auch über den Import von methanisiertem grünen Wasserstoff. Der kann aus ganz neuen Ländern kommen, die keine Bodenschätze wie Öl und Gas haben, aber reichlich Sonne oder Wind und damit zu Energieproduzenten werden. Das diversifiziert die Möglichkeit für uns, Energie zu beziehen, noch einmal ganz erheblich.

Also eine deutliche Verbesserung?

Wenn man noch einen Schritt weiterdenkt, dann ist es unser Ziel in Deutschland, dass die Energie im Jahr 2040 gänzlich klimaneutral ist. Aus Modellrechnungen wissen wir, wie viel Wind und Sonne in Deutschland erzeugt werden können und wie viel Strom und Wasserstoff eine Energie- und Industrienation wie Deutschland benötigt. Wir werden auf Dauer einen deutlich sinkenden Energiebedarf haben – von heute 2500 Terawattstunden auf vielleicht 1800. Damit kann Deutschland den überwiegenden Teil der Energie mit Offshore- und Onshore-Wind sowie Photovoltaik selbst erzeugen. Es werden am Ende laut Studien 30 Prozent bleiben, die wir importieren müssen. Zum Vergleich: Heute importieren wir über 80 Prozent. Und diese 30 Prozent werden vor allem grünes Gas und grüner Wasserstoff sein. Wir sprechen von einer Größenordnung von 400 bis 500 Terawattstunden. Das ist genau die Importkapazität, die wir heute mit den vier Terminals, die geplant sind, bauen. Anhand der Daten ist zu sehen, dass das, was wir jetzt machen, notwendig ist, um kurzfristig nicht nur das fossile Gas, sondern eben auch mittelfristig das grüne Gas zu importieren.

Ankunft der Rohre für den Bau der Pipeline vom LNG-Terminal in Wilhelmshaven zum Erdgasfernnetz

(Bild: OGE)

Das LNG-Beschleunigungsgesetz schreibt den Umstieg auf Wasserstoff erst in knapp 25 Jahren vor. Die Deutsche Umwelthilfe behauptet, dass eine Umrüstung von LNG-Terminals zur Nutzung mit Wasserstoff technisch gar nicht möglich sei. Nötig sei dann ein Neubau. Ist das Wasserstoff-Versprechen wirklich einzuhalten?

Andere Projekte zeigen uns: Wasserstoff, der irgendwo auf der Welt günstig erzeugt wird, verflüssigt zu transportieren, ist viel zu kostenintensiv. Man müsste ihn dafür sehr weit herunterkühlen und kann nur sehr wenig davon transportieren. Wenn man den Wasserstoff besser transportieren will, dann macht man in einem technischen Verfahren aus dem Wasserstoff Methan, also CH4 – genau das, was Erdgas ist – oder man macht Ammoniak daraus. Und dieses Methan verflüssigt man, weil es so besser zu transportieren ist. Damit ist der grüne Wasserstoff – methanisiert und verflüssigt – das gleiche Molekül wie das, was ich heute aus der Erde hole. Und deshalb ist die Infrastruktur, die wir heute bauen, sowohl die der Terminals als auch die der Schiffe, auch für die Zukunft geeignet, wenn am Ende grüner Wasserstoff herauskommen soll. Das ist auch die Chance, die wir haben, damit der Umstieg auf grünen Wasserstoff nicht bedeutet, dass man erst mal neue Schiffe und Terminals bauen muss. Die gleichen Anlagen zu nutzen, ermöglicht es zudem, erst mal mit 20 Prozent grünem Wasserstoff zu beginnen und später bei 100 Prozent anzugelangen.

Also ein fließender Übergang?

Genau. In theoretischen Diskussionen ist es oft so, dass ein Übergang auf grünen Wasserstoff von heute auf morgen gefordert wird. Aber solange wir den nicht kaufen, wird den keiner produzieren. Und wenn wir warten, bis jemand ihn ausreichend produziert, was ist das dann mit der Übergangszeit? Die Lösung mit dem grünen Methan erlaubt es uns, dass wir schrittweise und nicht erst in 25 Jahren umsteigen können. Schon in fünf Jahren könnte der erste Anteil des importierten Gases grün sein. Und in den Jahren darauf, bis 2040, wird komplett umgestellt. Es wird nicht ein Schalter sein, den man umlegt, sondern es wird ein fließender Prozess sein.

Sofern die private Energiewirtschaft, die diese Anlagen betreibt, denn mitspielt. Hat diese denn überhaupt ein Interesse daran, auf grünes Gas umzustellen? Müsste der Zeitplan für Wasserstoff nicht konkreter festgeschrieben werden?

Natürlich braucht es dafür ordnungspolitische Leitplanken. Das haben wir ja unter anderem mit dem CO₂-Preis. Der CO₂-Preis wird eine erhebliche lenkende Wirkung haben. Wir sehen das gerade an der Stahlindustrie, die komplett umsteigt von ihrer Produktion mit Koks auf grünen Wasserstoff als Ziel und im Übergang mit fossilem Gas arbeitet. Das passiert, weil der CO₂-Preis die lenkende Wirkung für den Umstieg hat. Und der CO₂-Preis wird dafür sorgen, dass das fossile Gas weiterhin teurer wird, während das grüne Gas – auch durch Weiterentwicklungen – immer günstiger wird. Der Marktpreis wird dafür sorgen, dass es viel lukrativer wird – unter anständigen Bedingungen – auf der Welt grünen Wasserstoff und damit grünes Methan herzustellen. Und das wird im Wettbewerb sogar günstiger sein als fossiles.