Missing Link: Hongkong – Geburt und Sterben des freien Internets

Seite 3: Auswirkungen der geplatzten Dotcom-Blase in Asien

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Es gab also diese freundlichen Konsultationen zwischen ISP und Regierung. Änderte sich das nach der Rückgabe Hongkongs an China 1997?

Es hat sich verändert. Aber am Anfang eigentlich nicht so sehr. In den ersten Jahren nach der Übergabe ging zum Beispiel die Telekom-Liberalisierung normal weiter. Die Preise für Interconnection fielen und das Zusammenschalten von Netzen ging weiter.

Wie viele Angestellte hatte HKNet zu der Zeit?

In unseren Hochzeiten hatten wir 100, vielleicht 150 Leute. Wir waren nicht riesig, hatten aber eine ganz ordentliche Größe. Natürlich haben wir auch kommerzielle Dienste für Firmen und Mehrwertdienste, etwa die Gestaltung von Webseiten, angeboten.

Sie haben HKNet 2000 an die japanische NTT verkauft, richtig?

Ende 1999, Anfang 2000. Wir waren zu spät dran gewesen, um noch an die Börse zu gehen. Aber NTT war damals auf Einkaufstour in verschiedenen Teilen von Asien. Sie haben viele der eingekauften Präsenzen später in NTT Communications, ihren internationalen Arm, eingegliedert. Ich war noch dabei, als sie das erste Rechenzentrum eines ausländischen ISP in Hongkong aufmachten. Ich habe noch geholfen, nach möglichen Standorten zu suchen. Das war in Hongkong ziemlich schwierig.

Weil es wenig Platz gibt in Hongkong?

Raum ist wirklich sehr teuer in Hongkong. Es ist wahnsinnig schwer, etwas zu finden. Wir haben uns alte Industriehallen angesehen, um zu schauen, ob diese in ein Rechenzentrum umgewandelt werden könnten. Aber viele davon waren einfach zu klein oder die Decken waren zu niedrig und entsprachen deswegen nicht den regulatorischen Vorgaben. Die Stromversorgung war ein Problem und die Vibration. Standorte, die vom Verkehr umtost sind, eignen sich nicht für ein Tier 3 oder Tier 4 Data Center – und wo gibt es in Hongkong keinen Verkehr? Wir haben ewig gesucht.

Als Sie HKNet an NTT verkauften, war das schon Teil einer ersten Konsolidierungswelle im ISP Markt in Hongkong?

Wir haben ziemlich spät verkauft. Einige unserer Wettbewerber hatten bereits fusioniert oder waren von anderen Firmen aufgekauft worden. Zugleich hatten wir noch Glück, weil wir gerade noch verkaufen konnten, bevor der Markt eingebrochen ist und das Fenster für solche Verkäufe sich wegen der geplatzten Dotcom-Blase erst einmal geschlossen hat.

Wie war der Preis?

Wir haben noch einen guten Preis bekommen und hatten auch Glück mit NTT, weil das ein großer, stabiler Käufer war. Einige unserer Wettbewerber hatten an andere Große verkauft, zum Beispiel PSI.net. PSI.net war bekannt, ging aber kurz nach den Deals bankrott und ihre Hongkonger Einkäufe verschwanden auch vom Markt. Die Gründer haben vielleicht noch gutes Geld gemacht, aber ihre Firmen waren weg. Es mag sentimental klingen, aber unsere Marke HKNet ist noch heute da. NTT hat es unter diesem Namen weitergeführt. Es existiert bis heute.

Sie sind nach dem Verkauf noch bei NTT geblieben, wie lange?

Ich bin dann relativ schnell ausgeschieden, im April 2001. Das war, als die Dotcom-Blase platze. Den ersten großen Einbruch sahen wir am 8. April. Ich habe danach dann versucht, mit einigen Partnern ein neues Unternehmen zu gründen. Wir wollten einen Managed-Service-Provider an den Start bringen. Aber das Timing war nicht gut. Die Investoren in Asien sahen die Blase platzen und verließen die Szene. In den USA war es anders, da warteten einige nur darauf, dass sich der Markt ein wenig erholte. Und in China starteten einige Unternehmen genau in dieser Zeit, zum Beispiel Alibaba. Die Kosten in China waren gering und die bauten das einfach auf und warteten ab. 2003 oder 2004 waren sie dann schon groß genug, um sich Kapital zu beschaffen oder an die US-Börse zu gehen. Das war schon auch eine spannende Zeit.

Wie hat sich Hongkongs Markt erholt und was haben Sie getan?

Hongkong wurde tatsächlich abgehängt, vor allem weil Investoren zu kurzsichtig waren. Ich versuchte noch ein paar Jahre, mein Start-up aufzubauen. Aber es funktionierte nicht und ich begann, mehr und mehr mit zivilgesellschaftlichen Organisationen rund ums Thema Internet zu arbeiten. Ich gründete das lokale Chapter der Internet Society in Hongkong, praktisch als Reaktion auf wachsende Probleme, die sich für Internet-Unternehmen und Nutzer ergaben. Endnutzer waren mit zunehmenden Beschränkungen konfrontiert. Internetsicherheit wurde ein immer wichtigeres Thema. Zum Teil war das natürlich das Ergebnis der Verbreitung des Internets. Es waren nicht mehr nur große und kleine Firmen, sondern auch Universitäten, Schulen und gesellschaftliche Organisationen, einfach jedermann, die das Netz nutzten. Die Art der Nutzung wurde vielfältiger.

Daher gründeten wir das ISOC-Chapter, was uns zugleich Kontakt mit anderen ISOC-Chaptern in Asien und darüber hinaus brachte. Es ergaben sich Kontakte zur 1998 offiziell gestarteten Intenet Corporation for Assigned Names and Numbers (ICANN), die für IP-Adressen und Domains verantwortlich wurde. In Hongkong hatte die Regierung da auch gerade den Plan gefasst, die ccTLD für Hongkong .hk zu reformieren.

.hk wurde anfangs vom Joint University Computer Center gemanagt …

Ja. Aber zur Jahrtausendwende schuf die Regierung eine neue Firma, die .hk übernehmen sollte. Sie lud die Wirtschaft in Hongkong ein, sich einzubringen in die Reform. Wir hatten als Unternehmensvertreter und auch als IT-Experten das Gefühl, dass wir etwas beitragen können bei der Entwicklung von Regeln für unseren Sektor. Ich war einige Zeit Direktor der neuen Hongkong Domain Name Registration Company (HKDNR Ltd) und auch Mitglied der Hongkong Internet Registration Corporation, die letztlich als ccLTD Registry für .hk agierte.

Sie haben auch die Hongkonger Organisation der Service Provider mit gegründet. Wie viele Mitglieder hatte die?

HK ISPA. Das war allerdings noch zu meiner Zeit bei HKNet. Die Zahl der Mitglieder wuchs stetig bis auf etwa 100, von denen ungefähr 20 substanzielle Internet-Zugangsdienste anboten. Viele andere hatten eine Lizenz, die umgerechnet nur 100 Dollar kostete. Aber sie hosteten ein paar Kunden oder boten andere Dienste an. Die Lizenz hatten sie praktisch nur zur Sicherheit. Im Zusammenhang mit meinen Aktivitäten für die Zivilgesellschaft wurde ich später allerdings auch noch Vorsitzender von APRALO (Asia Pacific Regional At-Large Organisation), die Nutzer aus Asien im ICANN Prozess vertrat. Ich war immer stärker involviert in die Entwicklung von Regeln fürs Internet auf lokaler, regionaler, aber auch internationaler Ebene und zu der Zeit war ich viel unterwegs in der Welt. Das endete, als ich Mitglied im Parlament in Hongkong wurde. Da ging das nicht mehr.