Missing Link: Ist das Universum ein Donut?

Seite 2: Der Weltraum – unendliche Weiten?

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Dass ein flaches Universum ohne Krümmung unendlich groß sein kann, leuchtet ein. Ein solches Universum kann keinem Punkt entsprungen, sondern muss schon bei der Entstehung unendlich groß gewesen sein. Jeder Ausschnitt des Universums wuchs danach zwar mit der Hubble-Lemaître-Expansion, was alle Entfernungen vergrößerte, aber das Universum insgesamt trotzdem nicht größer machte. Unendlich mal Faktor x > 0 ist immer noch unendlich.

Ein Beispiel für so ein Universum ist das Ekpyrotische Universum, das wir schon als Alternative der Inflationstheorie kennengelernt haben: zwei unendlich große, parallele dreidimensionale Membranen sollen demnach durch eine höhere Dimension voneinander getrennt sein und regelmäßig miteinander kollidieren, was jedes Mal einen Urknall auslöst.

Aber auch die konkurrierende Inflation kann ein unendliches Universum hervorbringen. Wir erinnern uns daran, dass beim Modell der "Ewigen Inflation" Blasen mit normaler Hubble-Lemaître-Expansion aus einem inflationär wachsenden Raum auskondensieren und wie Dampfblasen am Boden eines Kessels mit kochendem Wasser wachsen. Jede Blase entspricht einem Universum wie dem unsrigen.

Die Blasen sind ganz offensichtlich endlich – allerdings nur, wenn man in drei Dimensionen verhaftet ist, denn die Blase expandiert in der Außenansicht ewig – da wäre schon einmal ein Potenzial für Unendlichkeit. Die Idee dabei ist (ausführlicher bei Anthony Aguirre - Next Step Infinity erläutert), dass der Zeitpfeil innerhalb der Blase ein anderer ist als außerhalb und damit Raum und Zeit ihre Bedeutung ändern. Um die folgende Argumentation nachvollziehen zu können, denken wir uns die Blase reduziert auf zwei Raumdimensionen, als wachsenden Ring, wobei der Ringumfang für die Blasenwand steht. Die dritte Dimension, senkrecht zur Ebene des Rings, ist die Zeit aus externer Sicht. Der Ring beginnt also als Punkt und wächst dann entlang des Pfeils in Richtung Zukunft.

Ein auf zwei Raumdimensionen x und y reduzierter Schnitt durch eine mit Hubble-Lemaître-Expansion wachsende Raumzeitblase (innerhalb eines nicht dargestellten, inflationär expandierenden Raums). Die Blase wächst entlang der Zeitachse in allen Raumrichtungen. Nach dem einfachsten Ansatz würde man Ebenen gleicher Zeit (t1, t2 etc.) als waagerechte Querschnitte im Diagramm einzeichnen.

(Bild: Autor, gemeinfrei)

Wenn wir das Ganze von der Seite her betrachten, dann zeichnet der wachsende Ring einen Kegel in die Raumzeit. Naiverweise würde man annehmen, dass gleichzeitige Ereignisse im Kegel in waagerechten Ebenen liegen. Das muss aber nicht so sein: Aus der Sicht bewegter Beobachter können Ereignisse gleichzeitig erscheinen, die es für ruhende Beobachter nicht sind.

Das ist eine Folge der Konstanz der Lichtgeschwindigkeit c in allen Bezugssystemen, der Grundlage der Speziellen Relativitätstheorie. Sie folgt sogar komplett aus dieser Annahme, die experimentell erwiesen ist. Egal, ob ich den Lichtstrahl einer Lichtquelle im Stillstand, im schnellen Lauf oder aus einem auf die Quelle zufliegenden Jet betrachte, das Licht kommt immer genau mit der gleichen Geschwindigkeit bei mir an. Anders als bei einem mir entgegen geworfenen Ball addiert sich meine Geschwindigkeit nicht zu der des Lichts. Die Geometrie des Raums und das Vergehen der Zeit verändern sich aus Sicht eines bewegten Beobachters derart, dass das Licht immer gleich schnell erscheint, ganz gleich, wie der Beobachter oder die Lichtquelle sich relativ zueinander bewegen.

Auch wenn man mit 99,999% c einem Lichtstrahl hinterhereilen könnte, sähe man ihn mit c Reißaus nehmen (wenn man das könnte). Dies möge man sacken lassen und als gegeben hinnehmen – es widerspricht jeglicher Alltagserfahrung, aber genau so funktioniert die Raumzeit. Deswegen kann man durch kein Experiment feststellen, wie schnell man sich "wirklich" bewegt. Es gibt keine absolute Bewegung, jeder kann sein (gleichförmig bewegtes, das heißt unbeschleunigtes) Bezugssystem als ruhend betrachten und jeden Beobachter mit anderer Geschwindigkeit als bewegt. Und umgekehrt. Daher der Name "Relativitätstheorie".

Wenn man in einem fahrenden Zug messen würde, wie lange zwei Photonen von einer Lichtquelle genau auf der Hälfte der Länge des Waggons zum vorderen beziehungsweise hinteren Ende unterwegs sind, würde man für beide Photonen dieselbe Laufzeit messen, da ja die Entfernung der Waggonenden von der Lichtquelle in der Mitte gleich groß ist. Dabei spielte es keine Rolle, wie schnell der Zug fährt, siehe oben. Man kann den Zug als ruhendes Bezugssystem betrachten, unter dessen Rädern die Erde wegrollt.

Eine ruhende und eine bewegte Person werden verschiedener Ansicht darüber sein, ob zwei Ereignisse gleichzeitig stattgefunden haben oder nicht. Links im Bild ist das untere rote Bezugssystem (z.B. der Waggon eines fahrenden Zugs) als ruhend betrachtet und der Bahnsteig (oberes, blaues System) bewegt sich nach rechts. Zum Zeitpunkt (1) seien die Uhren an den Enden des Waggons mit zweien im gleichen Abstand auf dem Bahnsteig synchronisiert und sie messen die Zeitpunkte (2-5), wann eine in der Mitte des Waggons ausgelöste Lichtwelle die jeweilige Uhr erreicht. Offensichtlich erreicht das Licht beide Enden des Waggons gleichzeitig (4), aber nicht die beiden Uhren im blauen Bezugssystem: (3) und (5).
Nach der speziellen Relativitätstheorie erscheint der in (b) ruhenden Person die Ausbreitung der Lichtwellen jedoch mit derselben Geschwindigkeit c, so als ob die Quelle in ihrem System ruhte. Daher würden ihre Uhren das Eintreffen des Lichts an den Standorten der Uhren als gleichzeitig messen (4), nicht jedoch das Eintreffen bei den Uhren an den Enden des Waggons (3) und (5).
Anmerkung: die Uhren zeigen hier in (a) und (b) am Ende verschiedene Zeiten, weil sie in (1) niemals so synchronisiert werden können. Hier wurden nämlich zur Vereinfachung die Längenverkürzung und die Zeitdilatation nicht berücksichtigt.

(Bild: MikeRun, CC BY-SA 4.0)

Eine Person am Bahnsteig würde hingegen verschiedene Laufzeiten messen, denn das Licht würde sich aus ihrer Sicht nicht mit dem Zug bewegen, wie es ein im Zug geworfener Ball täte. Vielmehr würde es sich relativ zu ihr anstelle des Zuges mit Lichtgeschwindigkeit in beide Raumrichtungen ausbreiten. Das hintere Ende des Waggons käme dem Licht entgegen, was die Laufzeit dorthin verkürzte, während das vordere Ende vor ihm weichen und die Laufzeit verlängern würde. Die Person würde also keinesfalls ein gleichzeitiges Ankommen des Lichts bei den Waggonenden beobachten, selbst dann nicht, wenn sie die Laufzeit des Lichts der Beobachtung bis zu ihren Augen (oder Messgeräten) herausrechnete.

Raum-Zeit-Diagramm für eine ruhende Person (links) und eine bewegte Person aus Sicht der ruhenden Person (rechts). Die waagerechten x-y-Achsen bilden zwei Raumrichtungen ab, die senkrechte ct die Zeitrichtung (der Faktor c=Lichtgeschwindigkeit stellt sicher, dass die Einheit der Zeitachse eine Strecke ist, die mit den Raumachsen gleich skaliert ist).
Links: Die im Ursprung des Koordinatensystems ruhende Person kann nur Kenntnis über Ereignisse innerhalb ihres Lichtkegels erhalten (hellblauer Bereich): Das ist die Zone, aus der sie Information von entfernten Orten erreichen kann (unterer Kegel), oder an die sie Information zukünftig senden kann (oberer Kegel), gekennzeichnet durch eine Neigung der Kegelaußenfläche, die der Lichtgeschwindigkeit im Diagramm entspricht. Von Ereignissen außerhalb des Lichtkegels kann sie erst zukünftig erfahren, wenn der Lichtkegel deren Position in Raum (x-y-Koordinate) und Zeit (senkrechte Achse) schneidet. Man stelle sich dabei den Lichtkegel als entlang der ct-Achse nach oben wandernd vor, während die Zeit vergeht.
Die gelbe Ebene markiert die Zone der Gleichzeitigkeit mit dem aktuellen Raumzeitpunkt der Person im Ursprung: Ereignisse, die sich dort abspielen, wird sie später nach dem Herausrechnen der Lichtlaufzeit als gleichzeitig geschehen ermitteln. Die beiden farbigen Kreuze markieren hingegen Punkte in der Raumzeit, welche die ruhende Person als früher oder später relativ zur gelben Gleichzeitigkeitsebene bestimmen wird.
Rechts: Die bewegte Person im Zentrum des Koordinatensystems rast mit hoher Geschwindigkeit entlang der Achse x' durch die Raumzeit. Der Lichtkegel ist für sie grundsätzlich identisch zum ruhenden Fall, denn die Lichtgeschwindigkeit ist in allen gleichförmig bewegten Bezugssystemen dieselbe. Jedoch erreicht sie die Information von einem Ort in Richtung ihrer Bewegung voraus früher (rotes Kreuz rechts) als die von einem Ort in Richtung der Bewegung hinter ihr (grünes Kreuz rechts), sodass sie diese als gleichzeitig ermitteln wird. Damit ist ihre Ebene der Gleichzeitigkeit in Bewegungsrichtung geneigt. Entsprechend ist auch der Lichtkegel oben und unten in der Grafik angeschnitten. Auch die Zeitrichtung ct' erscheint verkippt: auf dieser Achse treffen sich die von Ereignissen ausgehenden Lichtkegel, die in der gelben Ebene liegen und gleich weit vom Ursprung entfernt sind, also gleiche Lichtlaufzeit haben und gleichzeitig beobachtet werden.

(Bild: Autor, gemeinfrei)

Nun ist die Situation in einem expandierenden Raum ganz ähnlich: entfernte Galaxien bewegen sich scheinbar relativ zueinander – scheinbar, weil ja nur der Raum zwischen ihnen wächst. Die Rotverschiebung kann man aber auch als Zeitdilatationseffekt interpretieren, wie er bei zueinander bewegten Beobachtern (wechselseitig) auftritt, so wie das bei einer hohen Relativgeschwindigkeit der Fall ist. Das heißt, dass Aliens in diesen Galaxien, je weiter entfernt sie von uns sind, Ereignisse als gleichzeitig betrachten werden, die aus unserer Sicht mehr und mehr zeitlich getrennt sind. Das folgende Schaubild erläutert, wie sich auf diese Weise die Ebene der Gleichzeitigkeit in der Raumzeit krümmt.

Mit zunehmender Geschwindigkeit nimmt die Verkippung zu und nähert sich 45°, der Neigung der Kegelwand. So ergibt sich eine über den Radius nach oben gewölbte, hyperbolische Fläche. Der Zeitpfeil (roter, durchgezogener, gebogener Pfeil) kreuzt die hyperbolischen Flächen an jedem Ort im schiefen Winkel. Er hat seinen Ursprung an der Außenwand des Kegels, das heißt heißt an der Blasenwand. Denn dort läuft gerade der Phasenübergang von der inflationären zur normalen Expansion ab, vom falschen zum echten Vakuum, bei dem Vakuumenergie als Strahlung frei wird (Re-Heating), aus der schließlich Materie entsteht – der Urknall. Der Urknall findet hier also nicht in einem Punkt, sondern überall an der unendlichen Innenfläche eines nach oben offenen Kegels statt – und damit haben wir ein unendlich ausgedehntes Universum schon beim Urknall!

In einem beschleunigt wachsenden Universum öffnet sich der Kegel nach oben wie eine Trompete, aber das Prinzip bleibt dasselbe. Da die Relativitätstheorie besagt, dass alle Effekte wechselseitig gelten, würde sich jeder andere Ort ebenso auf der Mittelachse eines Kegels wähnen dürfen. Somit ist die Isotropie und Homogenität des Universums gewährleistet.

Betrachtet man im Modell der expandierenden Blase Flächen gleicher Zeit gemäß der Speziellen Relativitätstheorie, so haben diese einen hyperbelförmigen Querschnitt. Raum und Zeit sind am Blasenrand anders orientiert als in der Mitte der Blase, wo sich der Beobachter in Ruhe befindet. Die so gebildeten Flächen gleicher Zeit dehnen sich innerhalb der expandierenden Blase unendlich weit aus. Dies gilt auch für die Blasenwand, die den Übergang von inflationärer Expansion zur Hubble-Lemaître-Expansion bildet und bei der die Materie und Strahlung des Universums aus freigesetzter Vakuumenergie entstehen.

(Bild: Autor, gemeinfrei)

Die Blase denke man sich zum Schluss wieder als dreidimensional. Dann wird aus dem zweidimensionalen Urknall-Kegelrand der dreidimensionale Rand eines vierdimensionalen Kegels mit der Zeitachse des ruhenden Beobachters als Mittelachse und der Blick trifft in jeder Raumrichtung die Kegelwand, also den Urknall.

Es würden sich interessante Konsequenzen ergeben, wenn das Universum wirklich unendlich groß sein sollte. Angenommen, wir ziehen um unseren Aufenthaltsort im Universum eine gedachte Kugel mit dem Radius des Partikelhorizonts – wir erinnern uns, dass der Partikelhorizont die Entfernung ist, in der sich Teilchen heute höchstens befinden können, die jemals mit uns in Kontakt gewesen sind (welche jedoch durch die Expansion des Universums mittlerweile aus dem Radius noch möglicher Interaktionen hinausbefördert wurden).

Eine Interaktion mit Orten oder Objekten jenseits des Partikelhorizonts war für uns niemals möglich und wird es auch niemals sein. Objekte am Partikelhorizont können selbst noch einmal mit Teilchen einen Partikelhorizont weiter entfernt interagiert haben, aber damit ist dann auch endgültig Schluss. Kugeln mit dem Radius eines Partikelhorizonts, räumlich voneinander getrennt durch einen weiteren Partikelhorizont, sind aus Sicht möglicher Interaktionen und kausaler Zusammenhänge vollständig voneinander entkoppelt. Sie sind, kausal gesehen, separate Universen (Max Tegmark spricht hier von einem Multiversum erster Art).

Dieser Radius ist endlich und enthält eine endliche Menge von Galaxien, Sternen, Gas und Staub, Atomen und Elementarteilchen. Auf wie viele Weisen lassen sich diese Teilchen arrangieren? Man könnte argumentieren, der Raum sei ja nicht (zumindest nicht erwiesenermaßen) gequantelt und damit gebe es für jedes Teilchen auch in einem endlichen Radius unendlich viele Orte, an denen es sich aufhalten kann. So, wie es zwischen den Zahlen 0 und 1 unendlich viele Zahlen gibt. Allerdings sind für praktische Zwecke die möglichen Orte schon allein durch die minimal messbare Unterscheidbarkeit begrenzt. Wenn zwei Linien näher beisammen sind als die Wellenlänge des Lichts, können wir sie mit Licht nicht mehr auflösen und sie verschmelzen zu einer einzelnen Linie.

Mit Röntgenlicht oder Elektronenstrahlen (Röntgen- bzw. Elektronenmikroskop) kann man feinere Strukturen trennen, braucht aber mehr Energie, die zum Beispiel lebendes Gewebe schädigt. Mit Beschleunigern ballert man schließlich geladene Teilchen mit ungeheuren Energien auf die Bestandteile der Materie, um bis in die Kernteilchen hineinschauen zu können. Eine beliebig feine Auflösung, die nötig wäre, um den Ort unendlich genau zu bestimmen, benötigte unendlich viel Energie, und die ist nicht verfügbar. Deswegen gibt es nicht unendliche viele unterscheidbare Orte, an denen sich ein Teilchen befinden kann. Folglich gibt es auch für eine sehr große, aber endliche Zahl von Teilchen nicht unendlich viele, messbar verschiedene Anordnungen in einem kausal abgeschlossenen Universum.

Ähnliches gilt für die Energien, die die Teilchen annehmen können. Kein Quantenzustand kann beliebig genau gemessen werden, weil die Unschärferelation von Werner Heisenberg stets zwei Größen in Beziehung setzt, von denen wir nur eine mit hoher Genauigkeit messen können, auf Kosten der anderen. Energie und Ort, Ort und Geschwindigkeit (Impuls), Energie und Zeit oder der Drehimpuls in verschiedenen Achsen bilden solche Paare.

Die Quintessenz ist: für praktische Zwecke können endlich viele Teilchen nur endlich viele unterscheidbare Zustände annehmen. Wenn man nun aber in einem unendlichen, homogenen und isotropen Universum unendlich viele, durch einen Partikelhorizont getrennte Partikelhorizonte einzeichnen kann, die jeweils nur endlich viele Teilchen in endlich vielen Zuständen enthalten, dann muss es unausweichlich Dopplungen geben. Wenn ich einen Würfel siebenmal werfe, dann muss mindestens einmal eine Augenzahl zweimal vorgekommen sein. Die endlich vielen Zustände der Teilchen in einem Partikelhorizont sind gewissermaßen die Seiten eines "Würfels" mit einer gigantischen Zahl von Seiten, aber die Zahl ist gleichwohl begrenzt und wenn man mehr Partikelhorizonte betrachtet als die Anzahl dieser Seiten, dann gibt es notwendigerweise Dopplungen. Würfle ich den Würfel oft genug, dann wird sich auch jede mögliche Augenzahl wiederholen.

Ein Würfel, der nach dem Werfen einer 6 alle anderen Augenzahlen, aber nie wieder eine 6 produziert, wäre pathologisch – für gewöhnliche Würfel gilt, dass jede Augenzahl immer wieder vorkommt (Mathematiker nennen so etwas "positiv rekurrent" - rekurrent heißt wiederkehrend und positiv heißt, dass die Wahrscheinlichkeit für die Wiederkehr nicht Null ist). Im Universum mag nicht jeder denkbare Zustand der Teilchen physikalisch möglich sein, aber jeder, der es ist, muss positiv rekurrent sein (unter der Voraussetzung, dass die physikalischen Gesetze universell gelten und das kosmologische Prinzip gilt, was für die Blasen-Konstruktion aus dem vorangegangenen Kapitel gegeben ist).

Das bedeutet schlussendlich, dass es irgendwo weit entfernt eine Galaxie geben muss, die genauso aussieht wie die Milchstraße. In welcher ein Stern mit 8 Planeten kreist, von denen der dritte bewohnt ist. Und eine Bewohnerin oder ein Bewohner sieht genauso aus, wie Sie und liest gerade exakt diesen Text. Neben jenem Ort gibt es unzählige andere, wo Ihr Double noch den vorigen Artikel liest. Oder den der folgenden Woche. Oder auch ganz andere Dinge. In denen die Geschichte anders abgelaufen ist und Nazi-Deutschland den Zweiten Weltkrieg gewonnen hat. Oder in denen das Römische Reich bis heute besteht. Oder ganz andere Reiche. Oder die Dinosaurier nicht ausgestorben sind. Und so weiter.

In einem unendlichen Universum passiert alles, was passieren kann. Und zwar unendlich oft. Man würde aber auch unendlich viele identische Kopien seiner selbst vorfinden, in identischen mentalen Zuständen. Diese wären alle ontologisch gleichberechtigt und ununterscheidbar. Man könnte nicht sagen, welche davon genau "man selbst" ist.

Der bekannte schwedische Physiker und Kosmologe Max Tegmark spekulierte 2003 in einem Artikel im Scientific American, wie weit es wohl bis zum nächsten Replikat sein mag. Nimmt man eine Gleichverteilung der Teilchenzustände an (was eine Obergrenze für die Entfernung liefert), so findet man sie oder ihn in einer Entfernung von 1010²⁸ Metern. Das sind auch ungefähr 1010²⁸ Lichtjahre, denn ein Faktor 10 Billiarden (1016) Meter pro Lichtjahr geht bei dieser Schreibweise als Rundungsfehler unter, so groß ist die Zahl (1010²⁸ ÷ 1016 = 1010²⁸-16 = 1010.000.000.000.000.000.000.000.000.000-16 = 109.999.999.999.999.999.999.999.999.984 ≈ 1010²⁸). Ein Replikat der Sonnenumgebung mit einem Radius von 100 Lichtjahren findet man in1010⁹² Metern/Lichtjahren Entfernung, und den gesamten Hubble-Radius von 14,5 Milliarden Lichtjahren nach erwarteten 1010¹¹⁸. Man kann solche Zahlen hinschreiben, wenn auch nur in Exponentialschreibweise – 10118 Nullen kann man schon deshalb nicht ausschreiben, weil das beobachtbare Universum nur 1080 Teilchen enthält. Der Versuch, sie sich anhand irgendwelcher skalierbarer Beispiele greifbar zu machen, muss kläglich scheitern. Und trotzdem sind sie gegenüber der Unendlichkeit buchstäblich ein Nichts. Wir halten nur fest: Ein unendliches Universum ist verdammt groß.