Missing Link: Unterschätzte Gefahr? Obsolete Technik im Körper

Seite 4: Schutz in der EU durch Medizinprodukte-Verordnung

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Für Deutschland und die EU befürchtet das Bundesgesundheitsministerium (BMG) nicht, dass der menschliche Körper zunehmend zur Elektroschrotthalde wird. Ein Sprecher des Ressorts verwies auf die Medizinprodukte-Verordnung (MPV) von 2017. Ein Hersteller von Medizinprodukten sei damit "über den gesamten Produktlebenszyklus für das Medizinprodukt verantwortlich und muss notwendige Maßnahmen wie Updates und Reparaturen kontinuierlich umsetzen, damit ein sicherer Betrieb und eine sichere Anwendung für Patienten, Anwender und Dritte gewährleistet ist".

Die von Konsumprodukten bekannte Obsoleszenz "ist damit zumindest bei implantierbaren Medizinprodukten ausgeschlossen", heißt es beim BMG. Natürlich unterlägen auch Implantate Verschleiß und Abnutzung. Der Produzent sei daher verpflichtet, den Anwendern alle Informationen zur regelmäßigen Funktionskontrolle und Instandhaltung zu liefern, mit denen die Anwender eine sichere und effektive Nutzung der Produkte über deren gesamte Lebensdauer sicherstellen könnten. Über das nationale Medizinprodukterecht-Durchführungsgesetz (MPDG) gelte für die Betreiber zugleich die Auflage zur Instandhaltung.

Hersteller müssen laut der MPV auch ein spezielles Risikomanagementsystem einführen und erfasste Artikel fortlaufend klinisch bewerten, Daten in Bezug auf deren Leistung und Sicherheit erheben sowie Korrektur- und Vorbeugemaßnahmen etablieren. Die Erfüllung dieser Anforderungen ist bei Implantaten durch einen unabhängigen Dritten zu überprüfen. Wird ein Austausch nötig, zahlt in der Regel die Krankenversicherung.

Offene Standards hält das BMG zusätzlich für sinnvoll, "um Daten herstellerunabhängig, frei und ohne Veränderungen auszutauschen". Beim Entwicklungsprozesses eines Medizinproduktes müsse der Hersteller hier auch vorab die Bedrohungen ausloten, die durch verwendete Schnittstellen entstehen können. Zudem habe er zu gewährleisten, dass es keinen unautorisierten Zugriff darauf gebe.

(Bild: Shutterstock)

Prinzipiell für die längere Lebensdauer von Produkten macht sich nach Angaben eines Sprechers das Bundesministerium für Umwelt und Verbraucherschutz (BMUV) stark: "Daher fordern wir ambitionierte Ressourcenschutzanforderungen, zu denen auch eine regelmäßige Updateverpflichtung gehören muss." Im speziellen Fall medizinischer Geräte, die Menschen im Körper tragen, gehe aber "Gesundheitsschutz vor Umweltschutz".

Enno Park, Vorsitzender des Vereins Cyborgs, der sich der "Förderung und kritischen Begleitung der Verschmelzung von Mensch und Technik" verschrieben hat, trägt selbst ein Gehörimplantat. "Geplante Obsoleszenz" sei ihm in diesem medizinischen Kontext noch nicht begegnet, atmet er auf. Dabei könnte es sich zwar um ein interessantes Geschäftsmodell handeln. Allerdings wäre der Imageschaden groß, wenn so etwas herauskäme. Nach zwei Jahren reimplantieren zu müssen, sei doch etwas anderes als der Zwang zum Kauf eines neuen Telefons.