Missing Link: Unterschätzte Gefahr? Obsolete Technik im Körper

Seite 5: "Coolness"-Faktor

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Grundsätzlich sei die Bereitschaft hoch, "den Körper zu modifizieren", meint Park. Es sei so durchaus denkbar, dass ein nichtmedizinisches Implantat wie ein Neodym-Magnet größere Verbreitung finde. Bisher sei deren Nutzen aber beschränkt; der "Coolness"-Faktor reiche nicht zum Massenphänomen. Fast immer existierten nicht-implantierte Lösungen über Wearables und das Smartphone, "die unterm Strich vorteilhafter sind". Elektronik sei eigentlich nicht gut mit den Zuständen im menschlichen Körper kompatibel, man habe etwa immer das Problem der Energieversorgung.

Der Aktivist rät so tendenziell vor dem Einpflanzen der in der Cyborg-Community beliebten Neodym-Magneten ab, da es sich um ein giftiges Schwermetall handle und die Schutzschicht sehr dünn sei. Ein Vereinsmitglied habe sich einen solchen besonders starken Magneten für einen MRT-Scan aus dem Finger entfernen lassen müssen, da das Ergebnis sonst völlig verfälscht worden wäre. Von anderen Implantaten aus der Body-Modification-Szene wie NFC-Tags zur Nahfeldkommunikation seien solche Probleme nicht bekannt.

(Bild: Shutterstock)

Bei medizinischen Implantaten kommt es Park zufolge auf das jeweilige Gesundheitssystem an. Bei Cochlea-Implantaten (CI) etwa gebe es mehrere, untereinander inkompatible Hersteller. Sollte einer davon seinen Support einstellen, sei es wahrscheinlich, dass ein Konkurrent die Konkursmasse aufkaufe und die Leistungen übernehme, da sie von der Kasse bezahlt würden. Aktuell sei es bei ihm persönlich so: Wenn nur ein Teil wie der Sprachprozessor des CIs ausfalle, bekomme er innerhalb eines Tages ein Ersatzgerät geliefert.

Trete ein Defekt direkt in der implantierten Technik auf, könne der Patient ohne Re-Implantierung wieder gehörlos werden, weiß der Vereinsgründer. Der innere Teil der Geräte habe sich aber als recht langlebig entpuppt: Er halte viele Jahrzehnte, sodass die meisten Betroffenen wahrscheinlich keine oder nur eine Re-Implantation erlebten.

Ein Recht auf Reparatur unterstützt Park, nötiger sei aber ein Anspruch auf Ersatz und Re-Implantation. Der Cyborg-Verein fordere zudem offene Standards und einen "Zwang zur Interoperabilität". Hersteller verkauften derzeit proprietäres Zubehör wie Audio-Kabel zu "Monopolpreisen", die sich viele Patienten kaum leisten könnten beziehungsweise die öffentlichen Kassen belasteten. Auch die Barrierefreiheit müsse ausgebaut werden. Menschen dürften zudem nicht etwa durch ökonomischen Druck zu einer Implantation gedrängt werden.

Eventuell löst sich das Problem obsoleter IT im Körper auch bald mehr oder weniger von selbst: Der Physiker Karl Leo erforscht an seinem Lehrstuhl für Optoelektronik an der TU Dresden organisch abbaubare Halbleiter, die – genauso wie etwa eine Banane – weitgehend aus Kohlenstoff bestehen. Dabei geht es generell um Elektronik, die nach der Verwendung im oder am Menschen wieder aus- oder abgeschieden wird. Solche leitenden Stoffe könnten etwa auch wie eine dünne Farbschicht auf Glas oder auf Kleidung aufgetragen werden. Eine der Herausforderung dabei ist laut Leo aber noch, geeignete Materialien wie Gelatine zu finden, die relativ ähnlich zum Körper sind.

Bereits entwickelt haben der Forscher und sein Team nach eigenen Angaben einen Drucksensor, der nach einer OP zeitweilig Informationen aus dem Ohr übertragen können soll. In Arbeit ist auch einnähbare Elektronik in den Darm, die etwa nach dem Herausschneiden eines Tumors meldet, ob das Ganze dicht ist. Gibt es ein Leck, schlägt die Technik dem Plan nach viel früher Alarm, als es der Betroffene selbst merken würde.

(bme)