Missing Link: FAZ auf Facebook ist wie Müsli bei McDonald's

Seite 5: Müsli bei McDonald's

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In die Richtung zielte meine Kritik an den sozialen Medien, sie ging aber noch weiter: Die Nutzer:innen können nicht die Regeln durchschauen, nach denen ihnen die Informationen dort überhaupt präsentiert werden. Ähnlich wie Fast-Food-Unternehmen arbeiten Facebook und Co. mit Methoden, die ihre Nutzer:innen an sie binden, die ihnen Glücks- und Gefühle der Vergemeinschaftung bescheren sollen; sie manipulieren ihre Kunden und Nutzer und wer sich mit ihren Mechanismen auskennt, nutzt sie für seine eigenen Manipulationen.

Schnell denken, schnell essen. Trump ist Fast-Food-Esser und lud die Football-Manschaft des Clemson College vor zwei Jahren zu einer Runde Hamburger, Pizzen und anderer Halbwertnahrung ein.

(Bild: dpa / Susan Walsh)

Als eine seiner Accountinhaberinnen kann Facebook beispielsweise die seriöse Frankfurter Allgemeine Zeitung vorweisen. In Großbritannien kooperiert das Social Network mit Verlagen und bezahlt sie für Nachrichteninhalte; Deutschland soll bald folgen. Die Nutzer sollen dann auch hier – natürlich – personalisierte Vorschläge bekommen. Ein Deckmäntelchen: Bei McDonald's gibt es zwar noch kein Müsli, Salat und nun auch Veganes hat der Konzern aber schon für sich entdeckt. Dabei sollen die Kunden nicht auf den "typischen McDonald's-Geschmack" verzichten, wie es in einer Selbstdarstellung des Unternehmens heißt. So wie Facebook-Nutzer anscheinend auch weiterhin nicht alle Inhalte zu sehen bekommen sollen. Die Bilder werden ja schon von Content-Moderatoren in Billiglohnländern unter schlimmen Bedingungen sortiert.

Facebook ist mit seinem Anspruch gescheitert, sozialer Kitt und Instrument der Vergemeinschaftung zu sein. Ähnlich wie sich McDonald's mit seiner halbwertigen Schnellnahrung als Wohltäter geriert, steht dem ein bereits bestehender oder noch drohender Schaden am Gemeinwohl entgegen. Spätestens nach dem Sturm aufs Capitol steht zu befürchten, dass die durch Algorithmen erzeugten Filterblasen, die Hasshäppchen und Lügenbröckchen Trumps und Konsorten in den sozialen Medien zu realer Gewalt führen. Mir erscheint das soziale Experiment als zu gefährlich, als dass es mit Regulierungsmitteln hier und da lediglich gezähmt werden sollte. Schon die bisherigen Maßnahmen wie das NetzDG haben nicht verhindert, dass die Populisten und Verschwörungsideologen auch hierzulande großen Widerhall finden.

Dabei müssen sich die "klassischen Medien" womöglich an ihre eigene Nase fassen: Trumps Absonderungen hätten wohl die Twitterblase nicht so weitläufig bis an die Frühstückstische verlassen können, wenn sie nicht von den Fernsehsendern, Zeitungen und Online-Magazinen ventiliert worden wären. Hier können sich diejenigen zu Wort melden, die meinen, Trump habe mit Faktenchecks entgegnet werden müssen und diejenigen, die meinen, dem Populismus sei am besten nur durch Dethematisierung das Wasser abzugraben.

Und da wir beim Stichwort "Experiment" gelandet sind: Auch die Auswertung von Zugriffszahlen ist keine simple Angelegenheit, aber dafür haben wir unsere Analytiker. Die schreiben mir, dass der Artikel "Freibier für alle…" insgesamt etwa 130.000-mal angeklickt wurde und deutlich überdurchschnittliche Zugriffe von Google aufwies. Daraus lasse sich schließen, dass der Artikel von Google angezeigt wurde und bei den Lesern Interesse geweckt hat. Auch überdurchschnittlich war die Zahl der Absprünge im Anschluss, also nachdem die Google-Nutzer auf "Freibier" geklickt hatten, aber nicht "superdramatisch".

Auch soll das "Experiment" intern zu Aufmerksamkeit geführt haben, das Verhältnis von internem Traffic zu Einstiegen auf den Artikel hat sich aber nicht dramatisch verschoben. Die Verweildauer auf dem konkreten Artikel war ähnlich zu den sonstigen Missing Links, nicht kürzer, auch nicht höher; auf die durchschnittliche Dauer habe es also keinen deutlich sichtbaren Effekt gegeben. Relativ ungewöhnlich ist an den Zahlen, dass über die Hälfte der Nutzer, die den Artikel über Google besucht haben, Stammleser waren. Insgesamt gilt aber, dass Suchmaschinen für das Missing Link im Gegensatz zu anderen Formaten keine primäre Quelle sind.

(anw)