Steam-Nutzer aus China umgehen die Porno-Sperre – mit App für Hintergrundbilder

Die Wallpaper Engine rangiert auf der Online-Spieleplattform Steam hoch in der Rangliste. In China wird die App für ganz spezielle Zwecke verwendet.

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(Bild: Ms Tech (Desktop); Plaguelands Doctor via Wallpaper Engine (Wallpaper))

Lesezeit: 10 Min.
Von
  • Zeyi Yang
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Auf Steam, der weltweit größten Plattform für PC-Spiele, ist etwas auffällig. Im Ranking der 20 beliebtesten Apps steht die Wallpaper Engine. Sicherlich – die Software ist super. Sie ermöglicht das Herunterladen von animierten und interaktiven Hintergrundbildern für den Computer-Bildschirm. Dennoch ist es auf den ersten Blick erstmal verwunderlich, warum gerade eine Hintergrundbild-App zwischen globalen Blockbuster-Franchises wie Counter-Strike oder Dota im Ranking auftaucht.

Des Rätsels Lösung steckt in den vielen Bewertungen von Wallpaper Engine. Mehr als 200.000 davon sind auf Chinesisch verfasst und stammen aus den Jahren 2016 bis 2022. In diesen Bewertungen geht es fast nur um eines: Pornos. Genauer gesagt, über die Verwendung der Software als Cloud-Laufwerk und Videoplayer für den Austausch von Inhalten, die nur für Erwachsene bestimmt sind.

Online-Pornos sind in China verboten. Doch die Menschen werden kreativ, um dennoch Zugang dazu zu erhalten. Steam ist eine der weltweit beliebten Plattformen, die in dem Land noch verfügbar ist. Die Community-Funktionen, die internationalen Hochgeschwindigkeitsserver und der zunehmend lockere Umgang mit sexuellen Inhalten machen die Plattform so begehrt. Nach Schätzungen von MIT Technology Review machen chinesische Nutzer inzwischen mindestens 40 Prozent der weltweiten Nutzerbasis von Wallpaper Engine aus, also fast doppelt so viel wie der Anteil der chinesischen Nutzer auf Steam.

Im vergangenen Jahr mussten Nutzer in China plötzlich VPN-Dienste verwenden, um auf bestimmte Steam-Dienste zuzugreifen. Wie die Rezensionen zeigen, haben sie nun Angst, diese seltene Gemeinschaft bald zu verlieren, entweder wegen der Moderation von Plattforminhalten oder wegen der Möglichkeit, dass China Steam ganz sperren könnte.

Wallpaper Engine, entwickelt von einem Duo aus Deutschland und erstmals im Oktober 2016 auf Steam veröffentlicht, ermöglicht es Nutzern, ihre statischen Hintergrundbilder gegen etwas Dynamischeres auszutauschen. Die meisten der von Nutzern eingereichten Hintergrundbilder im Workshop der Software sind harmlos: Anime-Figuren, Cyberpunk-Städte, Landschaftszeichnungen und Filmplakate. Aber es ist auch nicht schwer, dazwischen NSFW-Inhalte ("Not safe/suitable for work" – nicht für die Arbeit geeignet) zu finden: Etwa 7,5 Prozent der über 1,6 Millionen Beiträge sind als "nicht jugendfrei" gekennzeichnet. Dabei handelt es sich häufig um nackte Anime-Figuren in anzüglichen Posen und sexuellen Stellungen sowie gelegentlich um pornografische Fotos und Videos von echten Menschen.

Mehr über China

Trotz des Erfolgs von Wallpaper Engine als die wahrscheinlich meistgespielte "Nicht-Spiel"-Software auf Steam wurde über die erotische Seite des Spiels nur selten auf Englisch berichtet, abgesehen von einem kurzen Artikel in der Spielezeitschrift Kotaku und sporadischen Diskussionen in sozialen Medien. Innerhalb der chinesischen Online-Communitys war es jedoch seit seiner Veröffentlichung ein offenes Geheimnis unter Spielern und in Spieleveröffentlichungen.

"Es ist mindestens zwei oder drei Jahre her, dass diese App viral ging", sagt Zhou, ein chinesischer Gamer in Peking, der aus Datenschutzgründen nicht seinen vollen Namen nennen möchte. "Ich war verwirrt, warum es immer in der Rangliste der 10 meistgespielten Spiele war. Wollten die Leute ihre Hintergrundbilder so oft wechseln?"

Cui Jianyi, ein chinesischer Schriftsteller und Journalist, schrieb 2020 über das Phänomen, nachdem er es in den sozialen Medien gesehen hatte. Als Gamer und Steam-Nutzer lud er Wallpaper Engine herunter und testete es. Dort fand er Pornos, Hentai-Anime, Donald-Trump-Memes und sogar Raubkopien von Hollywood-Filmen wie Joker. Sein Artikel in den chinesischen Medien machte das "Geheimnis" bekannter und sorgte dafür, dass weitere Menschen auf die Software aufmerksam wurden.