3.000 Elektroautos erreichen Bremerhaven – per eigenem Frachter von BYD

BYD ist im Ausland so populär geworden, dass das Unternehmen jetzt eine eigene Schiffsflotte benötigt. Der erste Frachter ist nun in Bremerhaven angekommen.​​

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 188 Kommentare lesen
Frachter von BYD

Ahoi! Der Frachter "BYD Explorer No. 1"

(Bild: BYD)

Stand:
Lesezeit: 7 Min.
Von
  • Zeyi Yang
Inhaltsverzeichnis

Es war Anfang Februar in China mit 5.000 Elektroautos an Bord gestartet. Es passierte Singapur, Indien und lieferte E-Autos im Hafen von Vlissingen in den Niederlanden ab. Jetzt ist die "BYD Explorer No. 1" in Bremerhaven angekommen, das berichtet die Tagesschau. Dort werden 3.000 Elektroautos entladen. Das Schiff, ist das erste einer großen Flotte, die BYD aufbaut, und spiegelt das Bestreben des chinesischen Unternehmens wider, ein Seefahrt-Unternehmen aufzubauen, die seine neue Rolle im globalen Autohandel unterstützt.

BYD wurde 1995 von einem chinesischen Metallurgieforscher namens Wang Chuanfu gegründet und stellte zunächst kleine Batterien für mobile Geräte her. Später weitete das Unternehmen sein Geschäft auf Autos aus und kombinierte schließlich beide Bereiche, um Elektrofahrzeuge herzustellen. Innerhalb von zwei Jahrzehnten wurde das Unternehmen zum größten Hersteller von Elektrofahrzeugen in China. Im vierten Quartal 2023 war es sogar der weltweit größte.

BYD bietet eine Vielzahl von Fahrzeug-Optionen an: von erschwinglichen Limousinen bis hin zu Luxus-SUVs, und die Nachfrage nach seinen Autos in Übersee steigt. Letztes Jahr exportierte BYD mehr als 240.000 Fahrzeuge, 2022 waren es noch 55.000. Es hat allerdings ein Problem: Um den größten finanziellen Nutzen aus seiner explodierenden Popularität im Ausland zu ziehen, muss das Unternehmen über den Autohandel hinaus in das Schifffahrtsgeschäft expandieren.

Um zu verstehen, warum BYD diesen Schritt unternommen hat, muss man ein wenig darüber wissen, wie Autos über das Meer transportiert werden. Normalerweise werden in der Frachtindustrie Roll-on/Roll-off-Schiffe (RORO) eingesetzt. Im Gegensatz zu Schiffen, bei denen die Ladung mit einem Kran angehoben und an Bord gebracht wird, verfügen RORO-Schiffe über Rampen, auf die die Fahrzeuge direkt gefahren werden können, was den gesamten Prozess erheblich erleichtert.

Doch diese Schiffe sind seit einigen Jahren Mangelware. Während alte Schiffe in den Ruhestand gehen, gingen die Aufträge für neue Schiffe aufgrund der Finanzkrise 2008 und der branchenweiten Umstellung auf umweltfreundlichere Kraftstoffe zurück, so dass ein Engpass entstand.

Außerdem unterhalten die meisten Autofirmen langjährige Beziehungen zu Reedereien oder besitzen eigene Schiffsflotten. So verfügen beispielsweise japanische Automobilhersteller wie Nissan und Toyota jeweils über Flotten von RORO-Schiffen, die Zehntausende von Autos transportieren können. Die inländischen Autotransportschiffe Chinas machen jedoch nur 2,8 Prozent der weltweiten Schiffskapazität aus, so dass die chinesischen Marken nur wenige Möglichkeiten haben, ihre Autos über die Meere zu transportieren.

Infolgedessen ist ihr Zugang zu RORO-Schiffen unerschwinglich geworden. Laut Clarksons Research, dem Nachrichtendienst des weltgrößten Schifffahrtsdienstleisters, war der Preis für die Miete – das Chartern – eines Autotransportschiffs 2023 für einen Tag auf 115.000 Dollar hochgeschnellt. Das ist ein historischer Höchststand und fast das Siebenfache des Durchschnittspreises vor der Pandemie, der 2019 bei 17.000 Dollar lag.

Die neue Nachfrage nach Autotransporten kommt derzeit vor allem aus China. Das Land steht kurz davor, der größte Autoexporteur der Welt zu werden (tatsächlich könnte es diesen Status bereits 2023 erlangt haben, aber das werden wir erst wissen, wenn die offiziellen Zahlen feststehen). Das Land exportiert eine Mischung aus traditionellen Benzinautos, Elektroautos chinesischer Unternehmen und Tesla-Autos, die in der Giga Shanghai-Fabrik hergestellt werden. Aber der Mangel an Transportkapazitäten steht dem Unternehmen im Weg.

Deshalb beginnen chinesische Autofirmen, die dank des Aufstiegs der Elektroautos zu so bedeutenden Exporteuren geworden sind, ihre eigenen Transportunternehmen zu gründen. Die Nachricht, dass BYD Schiffe kaufen oder chartern will, wurde erstmals Ende 2022 von der Schifffahrtsagentur Lloyd's List veröffentlicht. Im Dezember desselben Jahres änderte das Unternehmen seine Firmenregistrierung, um das Geschäft der internationalen Frachtschifffahrt und des Schiffsmanagements aufzunehmen. MIT Technology Review hat BYD um eine Stellungnahme gebeten, die jedoch nicht rechtzeitig zur Veröffentlichung vorlag.

BYD Explorer No.1, das 7.000 Autos gleichzeitig transportieren kann, wurde Anfang dieses Jahres ausgeliefert. Das RORO-Schiff ist offiziell auf das britische Unternehmen Zodiac Maritime registriert, das vom israelischen Schifffahrtsmagnaten Eyal Ofer kontrolliert wird, aber BYD hat es für einen nicht genannten Zeitraum geleast. BYD plant, in den nächsten zwei Jahren sieben weitere Schiffe in die Flotte aufzunehmen. Es will zudem auch anderen Unternehmen die Möglichkeit geben, ihre Fahrzeuge mit BYDs Schiffen zu exportieren.

BYD ist nicht der einzige chinesische Automobilhersteller, der diesen Schritt unternimmt. Das chinesische Staatsunternehmen SAIC Motor verkaufte 2023 rund 1,2 Millionen Fahrzeuge in Übersee, 24 Prozent davon waren E-Fahrzeuge. Das Unternehmen gründete 2021 eine RORO-Tochtergesellschaft, und sein neuestes RORO-Schiff – das größte seiner Art und mit einer Kapazität für 7.600 Autos – stach im Januar erstmals in See. Wie der BYD Explorer No.1 fährt es nach Europa.

BYD hat zwar angekündigt, seine Schiffe mit Batterien auzustatten, aber die RORO-Schiffe, die es heute chartert, sind noch nicht elektrisch. Die meisten neueren Schiffe können entweder mit herkömmlichem Treibstoff oder mit Flüssigerdgas, einer relativ sauberen Energiequelle, betrieben werden.

Es wird noch einige Zeit dauern, bis diese chinesischen Unternehmen ihre Seefrachtimperien fertiggestellt haben, da der Bau dieser riesigen neuen Schiffe Jahre dauert. In der Zwischenzeit haben einige von ihnen kreative Lösungen für den Versorgungsengpass gefunden: Sie setzen Schiffe ein, die für andere Frachtarten konzipiert wurden.

Dabei haben sie vor allem gigantische Schiffe im Auge, die normalerweise Tausende von Tonnen Zellstoff aus Südamerika nach China importieren, wo er zu Alltagsprodukten wie Taschentüchern, Papier und Büchern verarbeitet wird. Diese Zellstofftransporter landen auf dem Rückweg oft leer oder kaum beladen, weil China keine ähnlichen Produkte zu exportieren hat.

In den letzten Jahren haben chinesische Autofirmen jedoch begonnen, ihre Fahrzeuge auf dem südamerikanischen Kontinent zu verkaufen, und die Schifffahrtsunternehmen sahen darin eine Chance. Die China Ocean Shipping Company (COSCO), eines der größten Schifffahrtsunternehmen der Welt, hat ein faltbares Gestell entwickelt, mit dem Autos geladen und in einen Holztransporter gestapelt werden können. Im Juli letzten Jahres belud COSCO ein solches Schiff mit über 2.700 Autos und schickte sie nach Brasilien.

Mit solchen Behelfslösungen und dem Bau neuer RORO-Schiffe könnten die Engpässe bei der Verschiffung für chinesische Automobilhersteller in den nächsten Jahren erheblich verringert werden. Eigene Flotten oder das Chartern von Schiffen inländischer Reedereien könnten die Kosten weiter senken und die Wettbewerbsfähigkeit chinesischer Autos im Ausland weiter erhöhen.

Und so wie die Autoindustrie in Japan und Südkorea diese beiden Länder dazu gebracht hat, weltweit führend in der Schifffahrt zu werden, könnten E-Fahrzeuge China auch auf dem Meer zu einem wichtigen Akteur machen.

(jle)