Mobilfunk-Netz in Eigenregie

Seite 3: Die Technik

Inhaltsverzeichnis

Derzeit testet Rhizomatica verschiedene GSM-Systeme auf ihre Tauglichkeit. Die Aktivisten achten besonders auf die Kosten, denn das gesamte Mobilfunksystem sollen sich auch kleine Gemeinden leisten können. Sie greifen etwa auf verschiedene Open-Source-GSM-Software zurück, die seit 2007 entwickelt werden. OpenBTS und OpenBSC haben besonders praktische Relevanz: Beide verfolgen unterschiedliche Ansätze, die der Artikel Building a GSM network with open source sehr anschaulich beschreib.

In Talea de Castro setzt das Mobilfunknetz auf OpenBTS auf, das die gesamte GSM-Architektur als Black-Box behandelt und sich auf die Luftschnittstelle (UM-Interface) zwischen Basisstation (Base Tranceiver Station - BTS) und Mobiltelefon konzentriert. Es verfolgt den klassischen Software-Defined-Radio-Ansatz, um möglichst unabhängig von spezialisierter und damit teurer Hardware zu sein. Es generiert Sendedaten und moduliert das Übertragungssignal in Software: Ein Rechner sendet die fertig modulierten komplexen Sendedaten an ein Frontend, das die Daten auf die Übertragungsfrequenz mischt. Das Ausgangssignal wird nur noch verstärkt, gegebenenfalls gefiltert und auf die Antenne gegeben.

Statt bei der Vermittlung die GSM-spezifischen Mobile Switching Centers (MSC) einzusetzen, setzt OpenBTS dabei auf Internet-Protokolle: Im GSM-Netz in Talea de Castro läuft ein Asterisk-Server, der die Mobiltelefon mittels SIP praktisch in VoIP-Telefone verwandelt.

Dank guter Internet-Anbindung über Richtfunk und zu einem SIP-Anbieter bietet das GSM-Netz sehr günstige internationale Tarife zum Beispiel nach Los Angeles, wo viele Verwandte der Bewohner von Talea de Castro wohnen. Mit einer monatlichen Gebühr von 15 Pesos (umgerechnet etwa 90 Cent) können die Mobilfunk-Teilnehmer zudem unbegrenzt telefonieren und SMS schreiben. Das Mobilfunk-Netz in Talea verkraftet etwa 20 Gespräche parallel sowie 40 bis 50 Nachrichten in der Minute: Die Hardware stammt von der Firma Rangenetworks, mit der die Entwickler von OpenBTS inzwischen günstige GSM-Hardware und Support vermarkten.

OpenBSC und die anderen GSM-Projekte der Osmocom-Familie verfolgen ein eher traditionelles GSM-Modell. Angefangen hat es mit der Implementierung eines quelloffenen Base Station Controlers (BSC) und der A-bis-Schnittstelle für die Kommunikation zwischen Basisstation (BTS) und BSC sowie der Vermittlungseinheit (MSC). Anfangs kam eine kommerzielle Siemens BS-11 Basisstation zum Einsatz. Später kam die Unterstützung der nanoBTS, einer GSM-Picozelle von ip.access hinzu.

Ein UmTRX-BTS-Frontend und viele GSM-Testnetze beim GSM-Workshop in Mexiko Stadt.

Inzwischen haben die Entwickler mit OsmoBTS auch die Funktion der Basisstation in Open Source Software ergänzt. 2011 begannen sie die Entwicklung der Low-cost-GSM-Basisstation UmTRX, deren Hardware ebenfalls offengeliegt. Die im Mobilfunk-Netzwerk von Yaviche laufende UmTRX vermarktet inzwischen die russischen Firma Fairwaves, die im Zuge der Entwicklung von UmTRX gegründet wurde. Die Entwickler von OpenBSC um Harald Welte haben ebenfalls eine Firma gegründet. Sysmocom baut ebenfalls BTS-Hardware (sysmoBTS) und bietet fertige Telefoniesysteme an.

Als Vermittlungsstelle fungiert im Netz von Yaviche wiederum Asterisk. Dadurch können die Teilnehmer auch innerhalb des Netzes telefonieren und Nachrichten verschicken. Die einzige Verbindung zur Außenwelt führt derzeit über eine wackelige Satellitenverbindung, sodass man momentan nach außerhalb nur Textnachrichten übertragen kann.

Besonders interessant wäre eine Verbindung von Yaviche zum 10 Kilometer entfernten Talea de Castro, das ein kleines Krankenhaus mit Labor besitzt. Anrufe im Krankenhaus würde dem Arzt in Yaviche die Arbeit sehr erleichtern und Diagnosen enorm beschleunigen.