Netzpolitik: Wie die FDP wieder mitmischen will

Seite 2: "Digitale Transformation verpennt"

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2013 hat Angela Merkel das Internet – zu jenem Zeitpunkt war die Protokollsuite TCP/IP seit mehr als 30 Jahren standardisiert – als "Neuland" bezeichnet. Für viele Beobachter war dies bezeichnend dafür, wie es um die Digitalisierung des Landes steht.

Für diese Aussage hat die Bundeskanzlerin damals natürlich viel Spott und Häme von der Netz-Gemeinde geerntet. Ich denke aber, sie hat ausgesprochen, was die Mehrheit der Bürgerinnen und Bürger gefühlt hat. Und der Grund ist, dass wir die Digitale Transformation gesamtgesellschaftlich schlicht verpennt haben. Und genau denselben Fehler machen wir aktuell an mehreren Stellen erneut. Sei es bei Künstlicher Intelligenz und dem Internet of Things (IoT), bei Blockchain oder in ganz anderen Bereichen wie der Gentechnik – überall hinken wir gesellschaftlich hinterher, überlassen anderen die Entwicklung neuer Geschäftsmodelle und bringen uns zu wenig ein in die Entwicklung der Standards für die Welt von morgen.

Dabei haben wir wirtschaftlich in Deutschland sehr gute Voraussetzungen! Viele innovative Start-ups und eine internationale Tech-Community voller Ideen sorgen dafür, dass wir noch vorne mitspielen können. Aber nur, wenn wir endlich mehr Tempo machen: Bürokratie abbauen, bessere Rahmenbedingungen für Risikokapital schaffen und Gesetze technologieoffen gestalten. Wer in Deutschland gründen möchte, muss einfach immer noch zu viele Hürden überwinden. Wir wollen die aus dem Weg räumen!

Sie selbst haben als Wirtschaftsinformatiker in der Entwicklung und später in Beratung und Vertrieb gearbeitet, sind also vom Fach. Ist es hilfreich, selbst ein Nerd zu sein?

In der Informatik muss nicht alles sofort zu hundert Prozent fertig sein. Wir entwickeln iterativ und agil, passen bei Bedarf immer wieder an – dabei immer orientiert am Nutzerfeedback. Das ist eigentlich doch sehr demokratisch. Es ist einfach ein anderes Mindset und ich möchte mehr von dieser Art zu denken in die Politik bringen. Was mir bei meinen neuen Aufgaben sehr hilft, ist, dass ich quasi beide Sprachen spreche, die der Entwickler und Unternehmer und so langsam auch die der Politik.

Zur Wahrheit gehört aber auch, dass die politischen Prozesse aus Gründen ermüdend langsam und komplex sind. Eine zu große Machtkonzentration an einer Stelle ist politisch gefährlich, kann in einem Unternehmen in Form eines starken CEO aber durchaus richtig sein. Wir haben hier also ein systemisches Problem. Daher braucht es aus meiner Sicht mehr Menschen, die "zwischen den Welten" wandeln, um die umdenken und annähern für beide Seiten zu erleichtern. Nur meckern ist außerdem nicht unser Geschäft, darum fordern wir zum Beispiel elektronische Abstimmungen im Bundestag. Wir könnten dadurch viel effizienter arbeiten und würden weniger Zeit mit Warten auf Auszählungen von Briefchen und Kärtchen verschwenden.

Die Liberalen sind in der Opposition. Welche Möglichkeiten haben Sie da, die Politik (mit)zuprägen?

Wie sich die Debatte um ein Digitalministerium entwickelt, hat deutlich gezeigt, dass die Freien Demokraten Themen auf die Agenda setzen und Digitalpolitik auch aus der Opposition heraus prägen können. Erst wurden wir dafür belächelt, mittlerweile mehren sich auch in der Union die Stimmen, die unsere Forderung unterstützen – bis hin zum für die Koordinierung zuständigen Kanzerlamtsminister Helge Braun.

Und auch in anderen Bereichen bieten wir als Oppositionspartei den Wählerinnen und Wählern unsere alternativen Lösungen für die wichtigen Herausforderungen unserer Zeit an und hoffen, damit zumindest den Druck auf die handelnden Akteure zu erhöhen. Denn wenn ich eins gelernt habe in diesen zwei Jahren, ohne Druck, geht in Berlin gar nichts.

Manchmal geht alles ganz schnell. Zuletzt beschloss der Bundestag, Apple zur Öffnung der NFC-Schnittstelle des iPhone für Bezahldienste zu zwingen. Muss die Politik öfter einmal zeigen, dass sie tatsächlich handlungsfähig ist?

Die Entscheidung war natürlich richtig und wurde darum auch von der Fraktion der Freien Demokraten mitgetragen, nachdem wir zuvor einen vergleichbaren Antrag eingebracht haben. Da sich unsere Forderungen in der Vorlage der Koalition wiederfanden – vielleicht ja von uns inspiriert – haben wir dem Antrag guten Gewissens unsere Zustimmung geben können. Aber was wir gesehen haben, war wieder nur eine Reaktion auf eine technische und wirtschaftliche Entwicklung.

Echten Gestaltungswillen bei der Digitalen Transformation lässt die Koalition leider weiterhin vermissen. Von uns kommen darum immer wieder digitalpolitische Initiativen. Wie das aussehen kann, haben wir im Oktober gezeigt, als wir allein in einer Woche 25 digitalpolitische Anträge in den Deutschen Bundestag eingebracht haben. Die Politik wäre also handlungsfähig, wenn sie will. Gerade wenn es um den fairen Wettbewerb mit den großen Technologiefirmen geht, liegt die Kompetenz aber auch auf EU-Ebene. Deutschland ist ein starkes Land aber in der neuen informationstechnischen Weltordnung zwischen den USA und China ohne Partner aufgeschmissen. Der kleinste marktwirtschaftlich sinnvolle Daten- und Wirtschaftsraum ist nun mal die EU. Zum Glück ist dort mit der liberalen Margrethe Vestager eine aufgeweckte und selbstbewusste EU-Wettbewerbskommissarin im Amt bestätigt worden.