Netzpolitik: Wie die FDP wieder mitmischen will

Seite 3: "Gaia-X ist endlich mal ein positiver Impuls"

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Sie selbst machen sich unter anderem für eine konkrete Strategie der Bundesrepublik im Bereich Künstliche Intelligenz stark. Gibt es hier überhaupt noch Chancen, zu den US-Riesen aufzuschließen?

Die Frage ist, was genau wir unter "aufschließen" verstehen? Und das wäre ja genau der Punkt, was eine echte Strategie definieren würde. Natürlich überholen wir beispielsweise Google nicht auf seinem "home turf", aber es zwingt uns eben auch niemand, unsere Stärken im B2B-Bereich, der industriellen Produktion, Sensor- und Elektrotechnisch, Materialwirtschaft und vieles mehr auch noch an dieselben Tech-Riesen zu verlieren. Bei all dem Hype um KI geht es, zumindest die nächsten paar Jahre, noch um schwache KI und daraus resultierende neue Geschäftsfelder oder Prozessoptimierungen. Da gibt es keinen Grund, den Kopf in den Sand zu stecken.

Die Cloud-Infrastruktur-Initiative Gaia-X ist für mich endlich mal ein positiver Impuls aus Deutschland. Eine Netzinfrastruktur und Standards mit europäischem Charakter als Grundlage für starke europäische Firmen zu schaffen ergibt mehr Sinn, als der Versuch eine staatlich gepäppelte KI-Boeing zum Fliegen zu bringen. Wir haben hier viele Firmen mit guten Ideen für KI-basierte Geschäftsmodelle und wir haben viele Daten. Die liegen aber aus historischen Gründen eher in über das Land verteilen Silos, anstatt "komfortabel" bei einem Konzern.

Die Ironie ist, dass gerade die von uns teils verschlafene, teils ignorierte digitale Transformation diese Silos aufbrechen kann. Vor uns liegt also die Lösung und nicht das Problem! Außerdem haben wir als EU einen vergleichbaren Wirtschaftsraum, wie die USA. Aber gerade Deutschland bleibt hinter seinem Potenzial zurück. Das uns selbst vergleichbare Volkswirtschaft wie Kanada und Japan in vielen Bereichen voraus sind, finde ich sehr bedenklich.

Auf EU-Ebene wird viel darüber geredet, Internetgiganten wie Google oder Facebook europäische Pendants entgegenzusetzen. Gibt es hierfür realistische Hoffnungen?

In Ländern wie China und auch Russland funktionieren Alternativen zu amerikanischen Internetgiganten auch darum, weil die Märkte künstlich abgeschottet werden. Für uns kann das kein Modell sein. Europäische Alternativen müssen sich im Wettbewerb behaupten, auch global. Das wird nicht gelingen, wenn wir uns hinsetzen mit der Absicht, mal eben eine Facebook-Alternative zu basteln. Facebook wurde auch kein globaler Erfolg, weil das irgendwelche Politiker wollten. Produkte müssen für den Anwender leicht und intuitiv nutzbar sein und hier haben wir eben leider gepennt.

Dass es durchaus möglich ist, aus Europa heraus erfolgreich zu sein, haben uns Spotify und Skype ja bewiesen. Ich glaube, wir müssen uns ehrlich machen und fragen, ob gute Ideen hier genügend Kapital bekommen und nicht auf überflüssige rechtliche und bürokratische Hürden stoßen, bevor sie überhaupt zu "Giganten" werden können. Bei gleicher Qualität, Preis und User Experience bin ich mir sicher, dass Kunden ihre Daten eher nach Europa legen würden, als in die USA oder nach China. Der USP ist also theoretisch sogar auf unserer Seite!

Welche Vision hat die FDP für eine Netzpolitik der Zukunft?

Die Netzpolitik der Zukunft wird natürlich in einem FDP-geführten Digitalministerium koordiniert! Sie ebnet den Weg ins Netz für alle Menschen, unabhängig davon, wo sie wohnen, oder womit sie unterwegs sind. Und sie versetzt uns in die Lage, das Netz produktiv und souverän zu nutzen. Die zukünftige Netzpolitik ist darum auch Bildungspolitik. In einer Welt, die von Datenanalyse und Algorithmen geprägt ist, müssen Kinder verstehen lernen, was sich dahinter verbirgt. Nicht um Informatikerin oder Entwickler zu werden, sondern einfach um das Spielbrett des Lebens zu verstehen. Datenkunde statt Kaiser Wilhelm.

Die Netzpolitik der Zukunft muss aber mehr noch als bisher global gestaltet werden. Mein leider kürzlich verstorbener Kollege Jimmy Schulz hat sich darum erfolgreich dafür eingesetzt, die Beteiligung von Parlamentariern beim jährlichen Internet Governance Forum (IGF) zu stärken. Theoretisch ist ein digitaler Markt ohne nationale Grenzen möglich, dort beim IGF können wir ihn praktisch gestalten, um das ganze Potenzial zu heben. Deutschland ist in der Welt der Industrie-Normen (noch) ein sehr erfahrenes und einflussreiches Land, es muss unser Anspruch werden, dies auch für die neuen Normen und Standards beispielsweise bei der Künstlichen Intelligenz zu werden.

(bsc)